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©Annika_Ucke

An der Nase herumgeführt

Das Ammenmärchen, dass Nashornpulver die Potenz des Mannes steigert, dezimiert seit Jahren die vom Aussterben bedrohten Nashörner – auch Rhinozeros genannt.

Die Schwarzmarktpreise von bis zu 50.000 € pro Kilogramm Horn, die kriminelle Händler unter Ausnutzung von meist afri­kanischen Wilderern erzielen können, sind gigantisch. Die Nach­frage, insbesondere im asia­tischen Raum, leider ebenfalls. Schuld ist außer der beeindruckenden körperlichen Stärke vor allem die Form des Horns, das ähnlich wie ein erigierter Penis nach oben steht.

Die Kurzbezeichnung „Rhino“ scheint aber auch in der westlichen Welt den Verkauf von Produkten zu fördern, die als Mittel gegen Erektionsstörungen propagiert werden. Unter den gepanschten, also mit nicht deklarierten chemischen Bestandteilen gemixten, Nahrungsergänzungsmitteln, die wir neu in die GPSP Internetdatenbank „Gepanschtes“ aufgenommen haben, tragen immerhin zehn das Wort „Rhino“ im Namen.

In den Produkten, die wir beim Namen nennen, finden sich allerdings keine Pulver, die aus dem Horn des Rhinozerosses gemacht wurden, sondern chemische Erektionsförderer wie Sildenafil (Viagra®) oder Tadalafil (Cialis®). Solche Bestandteile erwartet man in angeblich natürlichen Produkten nicht. Sie sind – genauso wie echtes Rhinozeroshorn – unerwünscht. Nur der Grund ist ein anderer: Sie gefährden zwar keine vom Aussterben bedrohten Tiere, dafür aber die ahnungslosen Anwender. Denn gerade Männer, die auf chemische Erektionsförderer bewusst verzichten wollen und daher zu „natürlichen“ Produkten greifen, laufen durch solche illegalen Panschereien Gefahr. Es kann beispielsweise zu schwer zu behandelndem Blutdruckabfall in Verbindung mit bestimmten Herzmitteln wie Nitraten kommen.

Um die angeblichen „Rhino“-Produkte aufzuwerten, werden ihre Namen zusätzlich mit Edelmetallen geschmückt: Wie bei vielen anderen gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln fallen immer wieder Produkte wie „Rhino 7 Platinum 5000“ oder „Rhino 12 Titanium 6000“ auf.

Bezeichnungen wie „Tyrannosaurus“ sollen wohl ebenfalls Größe und Stärke für den Mann signalisieren. Ob hier vor allem die Massigkeit des Dinosauriers ausschlaggebend ist, sei dahingestellt. Die beeindruckenden Reihen mit 15 Zentimetern langen Zähnen erscheinen doch eher abschreckend.

Heutzutage machen Panscher offensichtlich vor nichts Halt. Betroffen sind nicht nur Nahrungsergänzungsmittel in Form von Tabletten, Kapseln oder Pulver. In den Kontrolllaboren wurden auch in vermeintlich harmlosen Kaugummis, in Tee und Kaffee problematische Erektionsförderer und Appetithemmer entdeckt. Wenn solche Produkte mit Wunderwirkungen angepriesen werden, gilt besondere Vorsicht.

In den zwei Monaten seit der letzten Ausgabe von GPSP haben wir 46 weitere illegale Produkte aufgespürt. Alle neu gefunden Produkte finden Sie in der Online-Version dieses Artikels.

GPSP bietet Daten zu mehr als 1.900 gepanschten Produkten

Im Internet (www.gutepillen-schlechtepillen.de/heft-archiv/gepanschtes) finden Sie jetzt Näheres zu mehr als 1.900 illegalen Nahrungsergänzungsmitteln. Damit haben Sie Zugriff auf die weltweit umfangreichste öffentlich zugängliche Datenbank zu gepanschten Produkten. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs, weil eine systematische Überprüfung von Nahrungsergänzungsmitteln fehlt.

Mit chemischen Appetithemmer gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • 7-Day Slim Extreme Kapseln: Sibutramin
  • A1 Slim Kapseln: Desmethylsibutramin + Phenolphthalein
  • Asia Slim Kapseln: Sibutramin + Bisacodyl + Diazepam
  • Fruta Planta Life – Garcinia Cambogia Premium vegetarische Kapseln: Sibutramin
  • Herbal Max Real Slim Kapseln: Sibutramin + Phenolphthalein
  • Lishou Fuling Jiaonang Kapseln: Sibutramin
  • Majestic African Mango Kapseln
  • Physic Candy: Sibutramin

Sibutramin: Sibutramin war 1999 bis 2010 als verschreibungspflichtiges Arzneimittel (Reductil®) im Handel. Dann musste es – längst überfällig – weltweit wegen seines Herz-Kreislauf-schädigenden Potenzials aus dem Handel gezogen werden (GPSP 2/2010, Seite 8 – https://gutepillen-schlechtepillen.de/kurz-und-knapp-endlich-sibutramin-reductil-vom-markt/). Sibutramin kann den Blutdruck und die Herzschlagrate erhöhen und gefährdet vor allem Menschen mit koronarer Herzkrankheit (Angina pectoris), Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfall in der Vorgeschichte. Es drohen Herzinfarkt, Herzstillstand, Schlaganfall u.a. Auch wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente eingenommen werden, sind lebensbedrohliche Folgen möglich. Bei Desmethylsibutramin handelt es sich um eine chemische Variante von Sibutramin, für die ausreichende Erfahrungen zu erwünschten und unerwünschten Effekten fehlen. Vor der Einnahme ist genauso zu warnen wie vor der Muttersubstanz Sibutramin.

Das Abführmittel Bisacodyl ist bei gelegentlicher Einnahme relativ gut verträglich, jedoch weder für eine regelmäßige Einnahme vorgesehen noch dafür geeignet. Das Abführmittel kann einen vorübergehenden Gewichtsverlust vorgaukeln, weil der Darm entleert wird. Es macht aber nicht schlank und hilft nicht abzunehmen.

Phenolphthalein: Die abführende Chemikalie Phenolphthalein wurde vor Jahren z.B. als Darmol® Abführschokolade verkauft. Das Abführmittel kann einen vorübergehenden Gewichtsverlust vorgaukeln, weil der Darm entleert wird. Es macht aber nicht schlank, sondern vielleicht sogar krank: Arzneimittel mit Phenolphthalein sind nämlich bereits vor vielen Jahren wegen ihres krebsauslösenden Potenzials vom Markt verschwunden. Wer langfristig ein Phenolphthalein-haltiges Mittel einnimmt, riskiert Magen-Darm-Störungen, Herzrhythmusstörungen, Krebs und andere unerwünschte Folgen.

Mit chemischen Potenzmitteln gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • Blue Diamond Pill: Sildenafil
  • Blue Pearl All Natural Male Enhancement Pillen: Sildenafil
  • Control Kapseln: Sildenafil
  • FX 12000: Sildenafil + Tadalafil
  • German Black Gorilla Tabletten: Sildenafil
  • Ginseng Red 2000: Sildenafil
  • Hard Rod Plus Kapseln: Aminotadalafil
  • Hard Times for Men: Sildenafil
  • Japan Tengsu: Sildenafil
  • Krazzy Rhino Platinum 25000: Sildenafil + Tadalafil
  • MenXtrong: Sildenafil
  • New Stift Nights Platium 10K: Sildenafil
  • Qibianli: Sildenafil
  • Rhino: Aminotadalafil
  • Rhino 12 Titanium 6000: Sildenafil
  • Rhino 7 Platinum 5000: Sildenafil
  • Rhino 25K 15000: Sildenafil
  • Rhino 69 Platinum 8000: Sildenafil
  • Rhino 69 Platinum 2000: Sildenafil + Tadalafil
  • Rhino Fruit 15K Chewing Gum: Tadalafil
  • Rhino Gold 25000: Sildenafil + Tadalafil
  • Rhino Mint 15K Chewing Gum: Tadalafil
  • ResErection!: Sildenafil + Tadalafil
  • Royal Honey VIP: Tadalafil
  • Ruff Natural Formula Kapseln: Sildenafil + Tadalafil + Dapoxetin
  • Rush Hour 72: Sildenafil + Tadalafil + Desmethylcarbodenafil + Dithiodesmethylcarbodenafil
  • Semenax Kapseln: Yohimbin
  • Super-soniic Kapseln: Sildenafil + Strychnin
  • S.W.A.G. II Platinum 33K: Sildenafil
  • Triple PowerZen Platinum 7000 mg: Sildenafil + Tadalafil
  • Tryrannosaurus 5: Sildenafil
  • USA Black Gold: Sildenafil
  • V8 Tabletten: Sildenafil
  • V9 Male Sexual Stimulant: Sildenafil

Sildenafil ist der Wirkstoff des Arzneimittels Viagra® (auch in zahlreichen Generika erhältlich) und Tadalafil der Wirkstoff von Cialis®. Bei Desmethylcarbodenafil, Dithiodesmethylcarbodenafil und Aminotadalafil handelt es sich um chemische Abwandlungen von Sildenafil bzw. Tadalafil, für die ausreichende Erfahrungen zu erwünschten und unerwünschten Effekten fehlen. Die Panscherei von Nahrungsergänzungsmitteln mit solchen verschreibungspflichtigen Arzneiwirkstoffen gegen Erektionsstörungen ist besonders heimtückisch und kriminell. Sie gefährdet Verbraucher ganz erheblich, denn manche Menschen dürfen gerade solche chemischen Erektionsförderer nicht einnehmen. Dazu gehören Herzkranke, die gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris benötigen (GPSP 2/2013, S. 4 –https://gutepillen-schlechtepillen.de/angina-pectoris/). In Kombination mit einem chemischen Impotenzmittel wie Sildenafil oder Tadalafil und deren Abkömmlingen kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen. Vor allem wer aus medizinischen Gründen chemische Erektionsförderer meiden muss, erhofft sich jedoch möglicherweise Hilfe von den als harmlos beworbenen Nahrungsergänzungsmitteln und ist unwissentlich gefährdet, wenn er an ein gepanschtes Produkt gerät.

Dapoxetin: Das ebenfalls verschreibungspflichtige Dapoxetin ist ein Wirkstoff aus der Reihe der Antidepressiva, der als Arzneimittel (Priligy®) gegen vorzeitigen Samenerguss angeboten wird. Dapoxetin kann häufig Kopfschmerzen, Übelkeit und andere unangenehme Störwirkungen auslösen. Menschen mit Herzerkrankungen oder Kreislaufstörungen beim Aufstehen dürfen es nicht verwenden. Auch wer Antidepressiva einnimmt, die dem Dapoxetin chemisch nahe stehen, muss damit rechnen, dass sich die unerwünschten Wirkungen verstärken (GPSP 4/2009, Seite 6; https://gutepillen-schlechtepillen.de/mittel-gegen-vorzeitigen-samenerguss-nebenwirkung-vermarktet/). Sich vor solchen gefährlichen Effekten zu schützen, ist jedoch nicht möglich, wenn Wirkstoffe wie Dapoxetin als Inhaltsstoffe nicht deklariert sind.

Strychnin ist ein bekanntes Gift und hat heutzutage weder in angeblichen Nahrungsergänzungsmitteln noch in Arzneimitteln etwas zu suchen. Vor vielen Jahrzehnten wurde Strychnin in geringer Dosis als Dopingmittel und zur Stimulierung der Libido eingenommen. In älteren Krimis steht Strychnin als Mittel zur Ermordung unliebsamer Personen im Mittelpunkt.

Yohimbin ist ein in der Rinde des Yohimbe-Baumes („Potenzholz“) natürlich vorkommender verschreibungspflichtiger Wirkstoff, der vor allem in vergangenen Jahrzehnten als Reinsubstanz oder in Form von

Yohimbe-Rindenextrakt zur Libidosteigerung (Aphrodisiakum) verwendet worden ist, ohne dass der tatsächliche Nutzen gesichert ist. Häufige, zum Teil beträchtliche unerwünschte Wirkungen sind für Yohimbin dokumentiert, darunter Blutdruckabfall – weswegen es vor dem Ersten Weltkrieg ein gängiges Bluthochdruckmittel war –, Angst, Reizbarkeit, Schwindel, Tremor, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit u.a.

Mit chemischen Kortisonabkömmling bzw. anderen chemischen Stoffen gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • Adipessum Miracel Slimming Kapseln: Fluoxetin
  • E-Fong XuDuan Concentrated Herb Tea: Mycophenolat
  • Linsen Double Caulis Plus: Dexamethason
  • Jimpness Beauty Fat Loss Kapsel: Phenolphthalein

Dexamethason ist ein stark wirkender Kortison-Abkömmling und wird ab und zu in angeblich natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln entdeckt. Dexamethason ist aus gutem Grund verschreibungspflichtig. Es kann beispielsweise die Fähigkeit des Körpers herabsetzen, Infektionen abzuwehren, den Blutdruck sowie den Blutzuckerspiegel erhöhen und psychische Probleme auslösen. Nach längerer Einnahme löst abruptes Absetzen Entzugserscheinungen aus. Vielfältige Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen sind möglich.

Bei Fluoxetin, einem Wirkstoff gegen Depressionen, machen sich die kriminellen Panscher offensichtlich zahlreiche unerwünschte Wirkungen dieses Wirkstoffes aus der Reihe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zunutze, um eine Gewichtsreduzierung zu bewirken: hauptsächlich Appetitlosigkeit, Übelkeit, Durchfall und Veränderungen des Geschmackempfindens. Eine anhaltende Verringerung des Körpergewichts oder gar eine schlanke Linie ist durch solche Effekte allerdings nicht möglich. Hinzu kommen unerwünschte Effekte wie Schlafstörungen, Desorientiertheit, Störung der Sexualfunktion und vieles mehr.

Mycophenolat ist eine besonders bedenkliche Panscherei in angeblich natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln. Es handelt sich um einen Wirkstoff, der das Immunsystem unterdrückt. Als verschreibungspflichtiges Arzneimittel dient es nach Organtransplantation zur Vorbeugung von Abstoßungsreaktion des eingepflanzten Organs. Zu den beträchtlichen Risiken gehören beispielsweise Fehlgeburten und Fehlbildungen von Säuglingen, wenn eine schwangere Frau das Mittel einnimmt. Mycophenolat muss daher auf jedem Fall in der Schwangerschaft gemieden werden. Aus dem gleichen Grund müssen sexuell aktive Männer, die Mycophenolat einnehmen, während der Einnahme und bis zu 90 Tage nach Absetzen des Mittels Kondome verwenden. So soll vermieden werden, dass die Frau den Wirkstoff über die Samenflüssigkeit des Mannes erhält und es auf diese Weise zu Fehlbildungen des Kindes kommt. Zu den häufigsten Schadwirkungen von Mycophenolat gehören beispielsweise Blutschäden, Durchfall, Infektionen, Angst, Bluthochdruck, Gelenkschmerzen und vieles mehr.

Zum Abführmittel Phenolphthalein siehe vorne unter „Gepanscht mit chemischen Appetithemmern“.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2018 / S.27