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© Robert Kneschke

Ein Pikser … mehrfacher Schutz

Kombinationsimpfstoffe haben nicht nur Vorteile

Eltern können erfreut, aber auch erschrocken sein, wenn sie erstmals erfahren, gegen wie ­viele Infektionskrankheiten ihr Sprössling geimpft werden soll. So viele Erkrankungen, die ihr kleines Kind vielleicht nicht haben wird, so viele Impfungen, die es zu erdulden hat: Derzeit sind Schutzimpfungen gegen dreizehn verschiedene Infektionskrankheiten empfohlen. Da ist es eine Erleichterung, wenn nicht gegen jede einzeln geimpft werden muss, sondern ­Präparate entwickelt wurden, die gleich mehrere Erkrankungen abdecken. Doch solche Kombinationsimpfstoffe können manchmal auch Nachteile haben.

In Deutschland sind Impfungen nicht vorgeschrieben, sondern freiwillig. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am für Infektionskrankheiten zuständigen Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht jährlich die aktuellen Impfempfehlungen.1 Im „Impfkalender“ kann jeder nachlesen, zu welchem Zeitpunkt welche Impfungen ratsam sind.2 Die meisten sind im ersten und zu Beginn des zweiten Lebensjahres fällig.

Manche dieser Impfungen müssen, um schützen zu können, bis zu viermal erfolgen. Da so viele Einzelinjektionen Kinder und ihre Eltern stressen können, versucht man, Impfungen zu bündeln. Die Pharmaindustrie hat dafür Kombinationsimpfstoffe entwickelt. Das Konzept ist nicht neu, so wurde der 3-fach-Impfstoff gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis (DTP) bereits in den 1960er-Jahren eingeführt.

Impfungen: Die Vorteile

In einem Kombinationsimpfstoff-Präparat stecken mehrere Einzelimpfstoffe. So lassen sich mit einem Pikser 2, 3 oder mehr Einzelinjektionen ersetzen.

Einiges spricht dafür, dass zum selben Termin sogar zwei Kombi­na­tions­impf­stoffe ge­geben werden können. So waren die Impfungen bei 4- bis 6-jährigen Vorschulkindern gleich gut verträglich, unabhängig davon, ob sie die 4-fach-Impfung Diphtherie + Tetanus + Pertussis + Polio und die 3-fach-Impfung Masern + Mumps + Röteln inklusive der einfachen Varizellen-Impfung an einem Termin oder an verschiedenen Tagen erhalten hatten.3

Ob sich die jeweiligen Impfungen gegen Viren oder Bakterien richten, spielt für die Kombination von Impfstoffen offenbar keine Rolle. Zum Beispiel richtet sich die oben erwähnte 4-fach-Impfung gegen drei Bakterien und ein Virus. Lebendimpfstoffe lassen sich mit Totimpfstoffen (siehe Kasten, S. 10) an einem Termin verabreichen – wenngleich nicht in einem Präparat. Hingegen müssen Ärzte zwischen verschiedenen Impfungen mit Lebend­impfstoffen Abstände von mindestens vier Wochen einhalten.

Was sagen wissenschaftliche Studien?

Leider ist die Studienlage zu Kombinationsimpfstoffen uneinheitlich. Gewünscht wäre jeweils ein direkter Vergleich von Einzelimpfstoffen gegenüber Kombi-Impfstoffen hinsichtlich der Schutzwirkung und unerwünschten Wirkungen. Studien, die etwa eine 1-fach-Windpocken-Impfung mit einer 4-fach-Impfung vergleichen, die denselben Windpockenimpfstoff enthält, sind aber die Ausnahme. Die Impfstoffhersteller konzentrieren sich in Studien stattdessen darauf, Vorteile ihres Newcomers zu ermitteln und hervorzuheben.

Das Problem in solchen Studien: Selbst wenn beispielsweise der Windpockenimpfstoff im Einzel- und im Kombi-Impfstoff vergleichbar ist, variieren meist andere Parameter. Nur ein Beispiel: Bei Kleinkindern im Alter von 1-2 Jahren wurde der Schutz vor Windpocken (Varizellen) bei einer 4-fach-Impfung gegen Masern + Mumps + Röteln + Windpocken (MMR-V) mit einer Windpocken-Einzelimpfung verglichen. Es zeigte sich ein besserer Schutz durch die zweimalige Gabe des Kombi-Impfstoffs gegenüber der Impfung mit dem Einzelimpfstoff. Doch der wurde plangemäß nur einmal verabreicht.4 Solch ein Vergleich ist wissenschaftlich problematisch.

Es gibt aber auch Hinweise, dass bei manchen Kombinationspräparaten die darin enthaltenen Impfstoffe nicht so effektiv wirken bzw. schützen.5

Woher rühren Bedenken gegen Kombiimpfungen?

Manche Eltern befürchten, dass Kom­bi­nationsimpfstoffe das Immunsystems eines Babys überlasten. Diese Bedenken äußern oft auch Hebammen oder Kindergarten-Mitarbeiter. Doch es fehlen handfeste Belege dafür, dass die geimpften Antigene (siehe Kasten), die das Immunsystem auf eine „echte“ Infektion vorbereiten sollen, eine Überforderung darstellen. Ein Baby ist auch ohne Impfung vielen verschiedenen Erregern in seiner Umwelt ausgesetzt – wenngleich nicht gleichzeitig mehreren potenziell gefährlichen. Die nationalen Impfinstitutionen, das RKI und das PEI, weisen in einer gemeinsamen Stellungnahme auf eine interessante Entwicklung hin: Heute liege die Gesamtzahl der Antigene in allen Schutzimpfungen zusammengenommen bei 150. Demgegenüber habe allein der alte Keuchhusten-Impfstoff rund 3.000 Antigene beinhaltet.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Es kommt vor, dass ein Impfstoff in einem Kombinationspräparat nicht so gut wirkt wie als Einzelimpfstoff, was sich eventuell erst nach Jahren zeigt. Grund dafür kann zum Beispiel eine unterschiedliche Antigendosis sein. Wird ein einzelner zu schwacher Infektionsschutz deutlich, möchte man möglichst genau diese Impfung nachholen. Aber der Trend geht dahin, dass immer mehr Kombipräparate am Markt sind, man also, um einzelne Impfungen nachzuholen, gleich mehrere Impfstoffe auf einmal bekommt (z.B. bei Masern + Mumps + Röteln, die entweder nur in dieser 3-fach-Kombination oder als 4-fach-Impfung verfügbar sind).

Auch was die unerwünschten Wirkungen angeht, scheinen Kombinationsimpfstoffe manchmal schlechter abzuschneiden als Einzelimpfstoffe. In den USA traten nach der 4-fach-Impfung gegen Masern + Mumps + Röteln + Varizellen (MMRV) mit dem Präparat ProQuad® häufiger Fieberkrämpfe auf als wenn MMR und V getrennt injiziert wurden. Ähnliches zeigte sich in Deutschland beim MMRV-Impfstoff Priorix-Tetra®. Darum wurde zum Beispiel auf EU-Ebene beschlossen, einen entsprechenden Warnhinweis in die Fachinformation von Priorix-Tetra® aufzunehmen.6

Bei einer Infektion erkennt das Immunsystem körperfremde Bestandteile (Antigene) und entwickelt gegen diese eine gezielte Abwehr. Impfstoffe enthalten solche Antigene. Diese stammen aus abgeschwächten Erregern (Lebendimpfstoff) oder von abgetöteten beziehungsweise aufgespaltenen Erregern (Totimpfstoff). Die Antigene können im Prinzip keine Infektion mehr auslösen. Ihre Anwesenheit reicht aber aus, dem Immunsystem eine Infektion vorzutäuschen und eine Abwehrreaktion auszulösen. Kommt dann später eine echte Infektion mit diesem Erreger, ist der Körper schon vorbereitet. Je deutlicher die Impf­antwort des Immunsystems, desto zuverlässiger der Schutz vor einer „richtigen“ Ansteckung.

Fazit und Ausblick

Unbestritten haben Kombinationspräparate den Vorteil, dass gegen mehrere Krankheiten gleichzeitig geimpft und so die unmittelbare Belastung des Impflings durch die Injektionen reduziert wird. Vielen Eltern kommt das entgegen und sie befürworten den empfohlenen Impfplan. Das sorgt dafür, dass die Erreger von Infektionskrankheiten immer seltener zirkulieren und damit auch Nichtgeimpfte indirekt geschützt sind (so genannter „Herdenschutz“, GPSP 2/2014, S 23).

Einen weiteren Vorteil haben Kombi-Impfstoffe sogar in den Augen derer, die Impfungen ansonsten eher ablehnend gegenüberstehen. Durch die Kombinationen werden insgesamt weniger körperfremde Stoffe injiziert: Dazu gehören neben dem Antigen vor allem Trägerstoffe und je nach Präparat auch Konservierungsstoffe und Adjuvantien (Wirkverstärker, GPSP 5/2009, S. 3).

Allerdings fehlt es auch hier leider an unabhängigen Studien, die Ärzte und Ärztinnen nützen würden, wenn sie Eltern bei der individuellen Impfentscheidung beraten. Die Zahl der empfohlenen Impfungen für Kinder wird wohl weiter steigen. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass immer mehr Einzelstoffe kombiniert werden. In der medizinischen Fachliteratur ist sogar bereits die Rede von „Megakombinationen“.7 GPSP wird dieses Thema weiterhin im Blick behalten.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2014 / S.09