Reizdarmsyndrom
Hilft ein Verzicht auf bestimmte Kohlehydrate?
Kurzkettige Kohlehydratverbindungen, auch FODMAP genannt, sollen bei Menschen mit Reizdarmsyndrom Beschwerden hervorrufen. Neue Studien untersuchen, ob eine FODMAP-arme Diät ihnen hilft.1
Der Bauch rumort, er tut eventuell weh, bläht sich auf, und der Stuhl ist verändert – diese Beschwerden sind für Patienten mit Reizdarmsyndrom alltäglich und führen sie häufig in die ärztliche Praxis. Allerdings sind die Beschwerden äußerst verschiedenartig: Während dem einen eher Schmerzen zu schaffen machen, sind es bei dem anderen Durchfälle oder Verstopfungen. Und genau diese individuellen Symptome versucht der Arzt oder die Ärztin zu lindern – denn eine generelle Therapie für das Reizdarmsyndrom gibt es nicht. In jedem Fall müssen zuvor andere Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden ausgeschlossen werden, etwa Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Tumoren.
Was Wissenschaftler schon lange wissen: Vielen Betroffenen hilft es, Ernährungsgewohnheiten zu ändern.2 Dazu gehört die Empfehlung, für regelmäßige Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten zu sorgen und möglichst keine mächtigen Essensmengen zu verspeisen. Nur wenig Fett und wenig blähende Nahrungsmittel zu konsumieren, lautet ein weiterer Rat. Softdrinks und Süßstoffe sollte man vermeiden und wenig Ballaststoffe verzehren.
Was ist FODMAP?
In Medien und Wissenschaft wurde in der letzten Zeit viel über die so genannte FODMAP-Diät veröffentlicht – korrekter FODMAP-arme Diät genannt. Die Abkürzung steht für kurzkettige Kohlehydrate. Das sind Einfachzucker (wie Fruchtzucker), Doppelzucker (wie Milchzucker), auch Mehrfachzucker (wie Maltodextrin) und Süßstoffe wie Xylit, Sorbit und Malatit.
Kurzkettige Kohlehydrate sollen vor allem deshalb Beschwerden machen, weil sie mehr Flüssigkeit aus der Darmwand in den Darm strömen lassen und mehr Gase im Dickdarm entstehen. Dadurch kann es auch zu Durchfall kommen. Mehr Gas führt zu Blähungen und zu Schmerzen bei der Verdauung.
Wahrscheinlich beeinflussen FODMAPs außerdem die Darmbakterien direkt. Denn was wir essen, hat einen wesentlichen Einfluss auf deren Zusammensetzung und Funktion.
Zusätzlich halten Forscher Gluten als Auslöser von Reizdarmbeschwerden für möglich, sofern jemand es nicht verträgt. Listen mit FODMAP-armen und FODMAP-freien Lebensmittel enthalten deshalb auch Lebensmittel mit weniger Weizen und damit weniger Gluten.
Wirkt eine FODMAP-Diät?
Es gibt vier kleine Studien, die FODMAP untersucht haben. Drei zeigen, dass eine Diät mit wenig kurzkettigen Kohlehydraten Reizdarmpatienten helfen kann, eine vierte fand keinen Unterschied.
Laut einer australischen Studie verringerte eine FODMAP-arme Diät im Vergleich zur typisch australischen Ernährung die Beschwerden der Reizdarmpatienten (Schmerzen, Völlegefühl, Blähungen).3
In einer anderen Studie fanden australische Wissenschaftler, dass Patienten mit Reizdarm bei einer FODMAP-reichen Ernährung stärkere Beschwerden hatten als bei einer FODMAP-armen (50 g beziehungsweise 9 g fermentierbare Kohlehydrate pro Tag).4 Beide Gruppen mussten dafür ein Ernährungstagebuch führen sowie täglich einen Fragebogen zu ihrer körperlichen Aktivitäten und ihren Magen-Darm-Beschwerden ausfüllen. Bei beiden Gruppen wurden außerdem die Wasserstoff- beziehungsweise die Methan-Konzentration beim Ausatmen gemessen.
Der Beschwerdefragebogen enthielt vier Arten von Magen-Darm-Problemen: Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Sodbrennen sowie als Folge Lethargie.
Obwohl sich eine FODMAP-arme Diät positiv auswirkte, lässt sich anhand dieser beiden Studien nicht sagen, ob sie auch im Alltag funktioniert. Denn beide Male war die Studiendauer kurz, und zwar nur wenige Tage beziehungsweise wenige Wochen lang.
Eine dritte, britische Studie ist insofern aussagekräftiger, als die Patienten länger Diät gehalten haben: Vier Wochen ernährten sich Betroffene FODMAP-arm.5 Die Frage war, ob eine gezielte Ernährungsberatung Reizdarmpatienten nützt. Tatsächlich nahmen bei fast 70 von 100 Probanden Blähungen und Bauchschmerzen, plötzlicher Stuhldrang und die veränderte Stuhlkonsistenz ab. In der Kontrollgruppe bemerkten nur 23 von 100 Probanden eine Besserung.
In einer aktuellen schwedischen Studie ergaben sich allerdings keine bedeutenden Unterschiede zwischen einer FODMAP-armen Diät und einer konventionellen Reizdarm-Diät.6 Die Studie dauerte vier Wochen. Die Symptome verbesserten sich in beiden Gruppen.
Wo stecken FODMAPs drin?
Enthalten sind kurzkettige Kohlehydrate beispielsweise in Pflaumen, Äpfeln, Spargel, Blumenkohl und Kürbis, in Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel.
Brot enthält unterschiedliche Mengen dieser kurzkettigen Kohlehydrate. Je länger der Teig gehen konnte, desto weniger steckt später davon im Brot. Denn die möglicherweise problematischen Bestandteile sind nach längeren Gehzeiten fast alle abgebaut. Deshalb ist die Gehzeit viel wichtiger als die Getreidesorte.
Was tun?
Offenbar kann sowohl eine FODMAP-arme Diät als auch eine Ernährungsumstellung, die auf den konventionellen Empfehlungen für Reizdarmpatienten basiert, manchmal Beschwerden lindern.
Deshalb empfiehlt GPSP: Reizdarmpatienten sollten ihre Ernährung zunächst anhand der konventionellen Empfehlungen umstellen. Hilft das nicht oder zu wenig, kommt eine FODMAP-arme Diät in Frage. Allerdings besteht bei jeder Diät das Risiko einer Fehl- oder Mangelernährung. Deshalb sollten Sie eine länger andauernde Diät nur unter Anleitung von Ernährungsfachkräften, wie zum Beispiel Diätassistenten, durchführen. Diese arbeiten zum Teil in Arztpraxen, manche haben sich auch in eigener Praxis niedergelassen.
Reizdarm
GPSP 3/2010, S. 6
Weizen – ein „Killerkorn“?
GPSP 5/2015, S. 8
Stand: 3. Januar 2017 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2017 / S.08