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PSA-Test auf Prostatakrebs?

Ältere Männer haben häufig Prostatakrebs. Zur Früherkennung erstatten die Krankenkassen ab 45 Jahren eine jährliche Tastuntersuchung. Eine Blutuntersuchung, den so genannten PSA-Test, muss aber jeder selbst bezahlen. Kann der Test Leben retten?

Hohe PSA-Werte können ein Indiz für Prostatakrebs sein. Sie können aber auch auf Entzündungen der Prostata oder gutartigen Wucherungen beruhen oder sogar Folge einer längeren Radtour sein.1 Die Untersuchung auf PSA im Blut wird oft als risikolos und frei von Nebenwirkungen bezeichnet. Dies ist irreführend: Drei von vier Männern mit auffälligem PSA-Test machen sich unnötigerweise große Sorgen, sie haben nämlich gar keinen Krebs. Sie werden dennoch durch Untersuchungen beeinträchtigt, mit denen man herausfinden will, ob tatsächlich eine Krebserkrankung besteht. Beispielsweise wird ab einem PSA-Wert von 4 ng/ml empfohlen, Gewebe aus der Vorsteherdrüse zu entnehmen (Stanzbiopsie).

Falsche Furcht

Was aber bedeutet es, wenn tatsächlich ein Prostatakrebs festgestellt wird? Untersuchungen des Prostatagewebes von Verstorbenen, bei denen keine bösartige Erkrankung dieses Organs bekannt war, ergaben: Vier von zehn der 50-Jährigen und acht von zehn der 80-Jährigen haben entartete Zellen in der Prostata. Meist wächst dieser Krebs so langsam, dass er zu Lebzeiten nicht zur Last wird. Die allermeisten Männern sterben aus ganz anderen Gründen. „Nur“ etwa drei von hundert über 50 Jahren werden an Prostatakrebs sterben.

Bis heute fehlt eine Methode, zuverlässig vorherzusagen, wie „gutartig“ ein Prostatakarzinom ist, das durch Früherkennung entdeckt wurde. Bei der überwiegenden Zahl der Betroffenen wäre es nämlich nicht erforderlich, den Tumor zu behandeln. Die Behandlung, üblicherweise mit Operation, Strahlentherapie beziehungsweise mit Medikamenten, bedeutet für die Männer aber ein hohes Risiko von schweren und belastenden Nebenwirkungen: Vor allem ist mit Impotenz und nicht kontrollierbarem Harnabfluss zu rechnen.

Kein „Lebensretter“

Ob das Ziel der Früherkennung, mit dem PSA-Test Leben zu retten oder zumindest die Lebensqualität zu verbessern, überhaupt erreicht wird, ist fraglich. Aus zwei großen Studien, die derzeit in den USA und in Europa durchgeführt werden, erhofft man sich Klärung. Erste Zwischenergebnisse sind jetzt veröffentlicht worden: Die Untersuchung Nr. 1 mit immerhin knapp 77.000 Männern über 55 stellte keinen günstigen Effekt des Screenings fest. Es starben – ob mit oder ohne PSA-Test – etwa gleich viele Männer an Prostatakrebs.

Auf den ersten Blick sehen die Ergebnisse der Studie Nr. 2 günstiger aus.2 Von den insgesamt mehr als 160.000 Teilnehmern starben in der Screening-Gruppe tatsächlich weniger Männer an Prostatakrebs als in der Kontrollgruppe ohne PSA-Test: Innerhalb von durchschnittlich neun Jahren sind es 29 von 10.000 Männern (0,29%), bei denen das PSA bestimmt wurde, im Vergleich zu 36 von 10.000 Männern (0,36%) ohne diesen Test.

Auf der Basis dieser Ergebnisse bezeichnet die deutsche Gesellschaft für Urologie die Früherkennung mit PSA als „unverzichtbar“ und spricht von einer „Reduzierung von 20%“, die „definitiv gerettete Leben“ bedeute.3 Dies ist ein Beispiel dafür, wie Ergebnisse wissenschaftlicher Studien irreführend dargestellt werden können: Insgesamt sind in der Gruppe der Männer ohne PSA-Test 0,36% (36 von 10.000) an Prostatakrebs gestorben. In der Gruppe mit PSA-Test waren es 0,29% (29 von 10.000). 20% weniger sind der Unterschied von 36 zu 29 Todesfällen. Absolut gesehen sind das nur 0,07% (7 von 10.000 Männern).

Außerdem belegt die Stu­die gerade nicht, dass „definitiv“  Leben gerettet worden sind. Insgesamt sind nämlich in der Studie Nr. 2 in beiden Gruppen – mit und ohne PSA-Screening – bezogen auf alle Ursachen gleich viele Menschen gestorben.

Das Dilemma der Früherkennung von Prostatakrebs ist damit klar: Selbst wenn ein günstiger Effekt vorhanden ist, ist er sehr klein. Ein Hamburger Medizinstatistiker hält es daher für angebracht, auf den PSA-Test ganz zu verzichten.4

Dieser Artikel wurde am 20.9.2010 korrigiert. Erratum siehe GP-SP 5/2010, S. 15

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2009 / S.05