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©weible1980/ iStockphoto.com

Pille ohne Pause

Hormonelle Verhütung im Langzyklus

Oft kommt die Blutung dann, wenn es gerade nicht passt. Frauen, die mit der „Pille“ verhüten, nehmen sich immer öfter die Freiheit, die Regel zu verschieben oder ganz auszulassen. Was wissen wir zur Sicherheit des sogenannten Langzyklus?

Wer zur Verhütung eine „Pille“ mit Östrogen- und Gestagenanteil verwendet, kennt den üblichen Rhythmus: 21 Tage wird die Pille eingenommen, dann folgen sieben Tage ohne Hormone. In dieser Zeit kommt es meistens zu einer Abbruchblutung. Danach beginnt der Zyklus wieder von vorne. Die Durchdrückpackungen vieler Pillenpräparate enthalten entsprechend 21 Tabletten mit Wirkstoff.

Lieber länger?

In den letzten Jahren weichen Frauen immer häufiger vom regulären Rhythmus 21 (Tage mit Hormonen) plus 7 (Tage ohne Hormone) ab. Sie nehmen dann nicht nur eine, sondern mehrere Packungen hintereinander ein.

Erst dann folgt die siebentägige Pause – oder sie verzichten sogar ganz auf die Zeit ohne Pille. Dieses Vorgehen wird auch als „Langzyklus“ bezeichnet. Frauen schätzen daran, dass sie seltener eine Blutung bekommen beziehungsweise den Zeitpunkt so legen können, dass er nicht in den Urlaub oder die Prüfungszeit fällt.

Aber was wissen wir eigentlich über mögliche gesundheitliche Konsequenzen? Und wie gut ist das Vorgehen untersucht? Das haben wir uns einmal genauer angesehen. Aus Platzgründen beschränken wir uns in diesem Beitrag auf die Anwendung bei gesunden Frauen und beleuchten nicht Nutzen und Risiken bei Erkrankungen wie Endometriose oder bei starken Regelbeschwerden.

Der Blick zurück

Dass die Pille üblicherweise im Rhythmus 21+7 eingenommen wird, ist nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Studien: Die Erfinder der hormonellen Verhütung haben sie so gewählt, damit der Zyklus dem „natürlichen“ möglichst ähnlich wird – wohl vor allem, um die gesellschaftliche Akzeptanz der Methode zu erhöhen. Schon 1958 war es klar, dass durch die Hormone der Zyklus beliebig verlängert werden kann.1

Kürzere oder keine Pause

Bei einigen Präparaten ist die Einnahmepause kürzer: Der Einnahmerhythmus ist dann nicht 21+7, sondern 24+4. Inzwischen sind sogar einige Pillen für einen Langzyklus zugelassen. Ein pillenfreies Intervall ist dann erst nach dem vierten oder fünften Pillenzyklus vorgesehen (also etwa 84+7 oder 120+7). Ob sich ein Präparat für die Langzeiteinnahme eignet, liegt übrigens nicht an seiner Zusammensetzung. Denn einige Präparate für den Langzyklus enthalten dieselben Wirkstoffe und Hormonmengen wie solche, die für einen regulären Einnahmezyklus (21+7) zugelassen sind.

Frauen, die sich für einen Langzyklus entschieden haben, nehmen im gleichen Zeitraum mehr Hormone zu sich, wenn sie bei ihrem gewohnten Präparat bleiben, weil die Einnahmepausen entfallen.

Wissenschaftliche Studien

Auch wenn viele Pillenpräparate nicht ausdrücklich für den Langzyklus zugelassen sind, gibt es dazu doch einige Studien.2,3 Allerdings wurden darin sehr unterschiedliche Präparate und Einnahmeregeln untersucht, wo­durch sich die Testergebnisse schlecht zusammenfassen lassen.

Einige menstruations­bedingte Beschwerden wie Kopf- oder Periodenschmerzen waren bei der Dauereinnahme erwar­tungs­gemäß seltener. Was die unerwünschten Wirkungen angeht, unterscheidet sich der Ein­nahme­modus 21+7 vom Langzyklus nicht wesentlich. In einigen, aber nicht allen Untersuchungen hatten Frauen mit Lang­zyklus häufiger Zwischen-oder Schmierblutungen als Frauen mit regulärem Zyklus. Sie brachen deshalb die Studie ab.

Fragen offen

Nur in einigen wenigen Studien wurde untersucht, wie sich die längere Hormonzufuhr auf die Gebärmutterschleimhaut auswirkt. Dabei zeigten sich keine Auffälligkeiten, die etwa auf ein höheres Krebsrisiko hindeuten würden.
Allerdings dauerten diese Studien längstens ein Jahr. Es lässt sich somit nicht sagen, wie sich eine höhere Hormonzufuhr langfristig auswirkt. Um relativ seltene Nebenwirkungen zu erkennen, waren in den Studien mit insgesamt rund 2.400 Frauen auch nicht genügend Teilnehmerinnen eingeschlossen.

Bessere Verhütung?

Aus dem gleichen Grund haben die Studien auch nicht zeigen können, ob Frauen mit Langzyklus sicherer verhüten als beim regulären Einnahmezyklus. Das wäre denkbar, wenn wegen der siebentägigen Pillenpause die erneute Einnahme häufiger vergessen würde. Aber belegt ist ein solcher Nutzen in den Studien nicht.

Nicht mit jeder Pille

Wer sich für einen Langzyklus entscheidet, sollte darauf achten, dass nicht alle Pillenpräparate dafür geeignet sind. Das funktioniert nur, wenn jede Pille in der Packung die gleiche Zusammensetzung hat (einphasige Kombinationspillen). Wenn bei dem Präparat im Verlauf des Zyklus die Hormonmenge variiert (mehrphasige Pillen), ist es für den Langzyklus nicht geeignet. Trickreich sind Präparate, bei denen die Packung wirkstofffreie Pillen enthält: Denn die verlängern den Zyklus nicht. Der Beipackzettel verrät, um welche Art von Pille es sich im konkreten Fall handelt. Und im Zweifelsfall ist eine Beratung mit Frauenärztin oder -arzt sinnvoll.

Wie lange?

Nach wie vielen Packungen ist eine Pillen-Pause nötig? Wir haben keine Studien gefunden, die verschiedene Einnahmelängen miteinander vergleichen. Oft haben die Teilnehmerinnen in den Studien drei bis vier Packungen hintereinander genommen und dann eine Pause eingelegt. Weil aber auch in Studien mit längeren Einnahmezeiträumen keine Probleme aufgefallen sind, sind nach Einschätzung einer britischen Leitlinie zur hormonellen Verhütung auch längere Einnahmezeiträume vertretbar, je nach individuellem Wunsch der Frau. Auch für die Verhütung mit Wirkstoffpflaster beziehungsweise Vaginalring ist das möglich, für die es jeweils eine Studie zur Anwendung im Langzyklus gibt.4

Zulassungs-Preis-Dilemma

Das Beispiel der Pille im Langzyklus zeigt eine grundsätzliche Schwierigkeit: Wenn ein Präparat nicht ausdrücklich dafür zugelassen ist, bewegen sich Anwenderin und verschreibende Ärztinnen und Ärzte im „off-label use“, also außerhalb der Zulassung – auch wenn die Pille wie ein zugelassenes Präparat zusammengesetzt ist, Nutzen und Risiken also in Studien untersucht sind. Dann kann es schwierig werden, bei Schäden den Hersteller in die Haftung zu nehmen.

Gleichzeitig sind einige Präparate, die für den Langzyklus zugelassen sind, deutlich teurer als Präparate für den regulären Zyklus, obwohl sie identisch zusammengesetzt sind. Unserer Recherche nach liegen die Preisaufschläge bei 30 bis 150 Prozent. Jährlich entstehen dadurch jeder Frau, die die Pille selbst zahlen muss, Mehrkosten von rund 30 bis 70 Euro.

Endometriose
GPSP 2/2017, S. 10

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2020 / S.08