Empfohlen von der Bloggerin
Wie Schleichwerbung im Internet funktioniert
Wenn es um alltägliche Konsumtrends geht, wie die schärfste Pizza oder das coolste Bier, baut die Werbeindustrie längst auf persönlich formulierte Empfehlungen, die umtriebige Blogger und Bloggerinnen im Internet propagieren. Das bedeutet: ein Zusatzeinkommen für die einen – und für die anderen eine zielgruppentypische Reichweite.
Mittlerweile haben auch Pharmafirmen und ihre Werbestrategen entdeckt, dass sich über soziale Medien wie Facebook, Twitter und Instagram oder eben per Blog ganz wunderbar eine junge Zielgruppe erreichen lässt, die weder in Zeitschriften blättert noch regelmäßig fernsieht.
Die Klinge Pharma GmbH (Strathos Pharma Group) hat auf dieser Schiene Vomex®, sein Präparat gegen Übelkeit und Erbrechen, bewerben lassen – zum Beispiel mit Fotos 1 für ein Gewinnspiel auf Instagram und durch bezahlte Blogbeiträge.2 Als persönliche Botschaft getarnt, verbreiten sich solche Infos über Follower oder so genannte Freundschaften rasant schnell im Netz (etwa per Hashtag #Vomex, #nichtübel), und sie sind schwer zu bremsen – eben wie ein sich rasch ausbreitendes Virus. Man spricht daher auch von „viralem Marketing“. Allerdings handelt es sich juristisch um verbotene Schleichwerbung, sofern nicht klar gemacht wird, dass hinter der bloggenden Person eine Agentur, eine Firma, ein Honorar steht.
In Blogs kommt es auf die persönliche Botschaft an, und deren Glaubwürdigkeitswert ist oft deutlich höher angesiedelt als die Werbung eines Unternehmens.3 Firmen und ihre Werbeagenturen engagieren daher Blogger, damit diese einen Produktnamen oder ein Schlagwort erwähnen: zum Beispiel bei Vomex® den Präparatnamen oder den Hashtag #nichtübel. Dabei werden nicht Promis ins Werbeboot geholt, sondern „Menschen wie du und ich“. Sie setzen auf ein bestimmtes Produkt – gegen Bezahlung oder eine andere Art der Honorierung.
Mit Text…
Zielgerichtet umgesetzt hat diese Marketingidee etwa jene Bloggerin, die zum Thema Reisen mit Kind und Handgepäck verkündete, was sie so alles einpackt: Getränke, Snacks, Zeitschriften und Vomex®.2,4 Und ihren Marketingauftrag erfüllt sie so: „Ja, auch eine klitzekleine Reiseapotheke führe ich mit mir – bestehend aus Paracetamol und Vomex. Vomex? Ja, genau Vomex gegen Reiseübelkeit.“ Insgesamt schafft sie es, das Präparat in ihrem Blogbeitrag sechsmal in Szene zu setzen. Das zahlt sich je nach Verbreitungsgrad eines Blogs euromäßig aus. Wichtige Informationen etwa über Anwendungsbeschränkungen, Wechselwirkungen und unerwünschte Wirkungen sucht man darin allerdings vergebens.
…oder mit Foto
Wer nicht texten will, kann auch mit Fotos werben. Viele Blogger platzierten eine Vomex®-Packung zwischen Reiseutensilien (siehe Bild). Beim Fotowettbewerb zu #nichtübel sprang als Hauptgewinn ein Reisegutschein über 3.000 € als Preis heraus. Gewinnkriterium: Die meisten Likes auf Facebook oder Instagram.5
„In Zeiten medialer Reizüberflutung sind die Empfehlungen unserer Freunde die Markenbotschaften, denen wir vertrauen“, weiß auch die Münchener Werbeagentur btl creative (btl = below the line).6 Sie lässt nicht nur flotte Partys mit der richtigen Biersorte von angeheuerten Studenten und Studentinnen organisieren, sondern sorgte auch für die Propaganda des Klinge-Arzneimittels im Netz.7
Btl creative macht „Guerilla-Marketing“, das heißt Werbung mit ungewöhnlichen Aktionen, die mit geringem Mitteleinsatz große Wirkung erzielen sollen.
Merkt aber der Konsument nicht, dass es sich um Werbung handelt, spricht man von „verdecktem Marketing“3 – also von Schleichwerbung.
Ob nun „verdeckt“, „viral“ oder „Guerilla“ – Marketingkampagnen dieser Art sind umstritten, und die Rechtslage ist kompliziert. Schleichwerbung ist jedenfalls laut Wettbewerbsrecht und Telemediengesetz verboten. Aber auch die Regeln von Social Media-Plattformen verbieten es, Nutzer über Werbeabsichten zu täuschen. Bei viralen Kampagnen muss zum Beispiel im Impressum oder am Ende eines werbenden Videos der kommerzielle Hintergrund deutlich sein und erkennbar, welches Unternehmen dahinter steht. Auch Blogger müssen bei gesponserten (= bezahlten) Beiträgen den Sponsor kenntlich machen.
Bei Arzneimitteln ist dies besonders wichtig. Doch dem Heilmittelwerbegesetz, das etwa vorschreibt, welche Arzneimittelwerbung erlaubt ist, fehlen offenbar engagierte Vertreter: Die zuständigen Behörden schauen dem bunten Treiben der Blogger einfach zu.
GPSP findet, dass Agenturen wie btl und ihre Auftraggeber nicht nur unter der Linie, sondern unter der Gürtellinie agieren.
Stand: 7. September 2016 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2016 / S.22