Abnehmen: Bezeichnung Fatburner irreführend
Aussage „Fettverbrennung“ für Nahrungsergänzungsmittel verboten
Nach vier Jahren Rechtsstreit ist klar: Nahrungsergänzungsmittel dürfen nicht als Fatburner bezeichnet werden. Gegen illegale Zusätze hilft das allerdings wenig.
Mehr Verbrennung von Körperfett dank einer Extra-Portion Nährstoffe: Mit diesem – inhaltlich nicht haltbaren – Werbeversprechen und der Bezeichnung „Fatburner“ konnten Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln viele Jahre werben. Damit ist jetzt Schluss. Anfang des Jahres bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH), dass ein Nahrungsergänzungsmittel aus Koffein, Cholin, L-Carnitin und bestimmten Pflanzenextrakten nicht als „Fatburner“ bezeichnet oder beworben werden darf.1 Denn Verbraucher:innen erwarten von solch einem Produkt, dass es die Fettverbrennung ankurbelt. Das ist weder wissenschaftlich erwiesen, noch sind derlei Werbebehauptungen zugelassen. Das gilt für alle Nahrungsergänzungsmittel, die als „Fatburner“ vertrieben werden. Deshalb bedeutet der BGH-Beschluss praktisch das Aus für sämtliche Vertreter dieser Produktgruppe.
Werbung mit Abnehmen: Was ist erlaubt?
Das Urteil soll Menschen schützen, die gegen überflüssige Pfunde kämpfen. Denn für die Lebensmittelwerbung mit der schlanken Linie gelten dieselben strengen Regeln wie für klassische Gesundheitsangaben (Health Claims): Hersteller dürfen Produkte wie Tees, Eiweiß-Shakes oder Nahrungsergänzungsmittel nur dann mit schlankmachenden Eigenschaften bewerben, wenn diese Behauptungen wissenschaftlich belegt und behördlich zugelassen sind.
Solche Aussagen sind bisher nur für Glucomannan erlaubt. Anbieter dürfen damit werben, dass dieser Stoff beim Gewichtsverlust unterstützen kann – allerdings nur im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung. Das muss auch auf der Packung stehen, sonst ist die Werbung irreführend. Theoretisch wären auch Werbeaussagen zu Sattheits- und Hungergefühlen möglich, wie „hält länger satt“ oder „reduziert das Hungergefühl“. Allerdings scheiterten Versuche von Anbietern bislang, eine Zulassung für derlei Wirkversprechen zu erhalten.
Generell verboten sind dagegen Werbeaussagen über die Dauer und das Ausmaß einer Gewichtsabnahme. Dabei handelt es sich um Klassiker wie „4 Kilo weg in nur 2 Wochen“ oder die Angabe „etliche Zentimeter weniger Bauchumfang“. Auch Vorher-/Nachher-Fotos, die ein bestimmtes Ausmaß des Gewichtsverlustes suggerieren, fallen unter das Verbot.
Praktische Probleme für die Überwachung
Damit ist theoretisch viel geregelt, doch in der Praxis hapert es. Denn gerade der Online-Handel macht es unseriösen Anbietern leicht, ihre irreführenden Schlankheitsversprechungen zu verbreiten. Schon wegen der Flut an dubiosen Angeboten kommt die amtliche Lebensmittelüberwachung kaum hinterher.
Und die Prüfung, ob eine Werbung zulässig ist oder nicht, ist kompliziert: Denn es reicht nicht, einfach in die Liste zugelassener Health Claims zu schauen. Diese Liste ist noch immer unvollständig. Vor allem Wirkungsbehauptungen zu Pflanzenextrakten etwa aus Artischocke oder Grüntee – sogenannte Botanicals – sind noch immer nicht abschließend bewertet. Und solange das so ist, darf mit Aussagen, für die ein Zulassungsantrag gestellt wurde, weiter geworben werden, sofern diese – nach Ansicht der Anbieter – wissenschaftlich belegt und nicht irreführend sind. Wollen die amtliche Überwachung und Verbraucherschützer gegen solch eine Werbung vorgehen, müssen sie erst einmal das Gegenteil beweisen.
Was der Subtext suggeriert
In der Werbung nutzten Anbieter noch einen weiteren Trick: Sie mischen Stoffe wie Cholin in ihr pflanzliches Schlankheitsmittel. Cholin darf damit beworben werden, dass es einen normalen Fettstoffwechsel unterstützt. Kombiniert mit Artischockenextrakt, dem ein Ruf als Schlankmacher anhaftet und der stilisierten Silhouette einer schlanken Frau, weckt das leicht den Eindruck, das Produkt könne wirklich beim Abnehmen helfen. Eine rechtssichere Begründung, weshalb hier eine Irreführung vorliegt, kostet die Behörden viel Zeit. Zeit, die Anbieter für unseriöse Geschäfte nutzen können. Im Fall der „Fatburner“ waren es vier Jahre.
Gesundheitsschädliche Schlankheitsmittel
Doch so erfreulich das Aus für die „Fatburner“ ist: Die Geschäftemacherei mit der schlanken Linie geht weiter. Dabei drohen Verbraucher:innen neben finanziellem Schaden oft auch gesundheitliche Risiken. Denn dubiose Anbieter schrecken nicht davor zurück, den Mitteln Stoffe zuzusetzen, die Nahrungsergänzungsmittel gar nicht enthalten dürfen.2
12,5 Prozent aller Meldungen zu Nahrungsergänzungsmitteln, die in den Jahren 1988 bis 2019 im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) eingingen, betrafen Produkte, die einer Gewichtsabnahme dienen sollten. – Insgesamt waren das rund 320. Von diesen enthielten 60 Prozent den Appetithemmer Sibutramin.3 Er war früher als Arzneimittel unter dem Namen Reductil® im Handel und musste 2008 wegen seines gesundheitsschädigenden Potenzials vom Markt genommen werden. Besonders kritisch dabei: Verbraucher:innen können die Gefährlichkeit so gepanschter Produkte nicht erkennen. Denn solche illegalen Zusätze stehen nicht auf dem Etikett.
Inhaltsstoffe schwer zu durchschauen
Auch bei zulässigen Zutaten braucht es viel Fachwissen, um sie einordnen zu können. So werden online etwa einige Nahrungsergänzungsmittel zum Abnehmen beworben, die „Citrus-Aurantium-Extrakt“ beziehungsweise „Bitterorangen-Extrakt“ sowie „Guarana-Extrakt“ enthalten. Das klingt nach harmlosen pflanzlichen Zusätzen. Doch Citrus-Aurantium-Extrakt aus Bitterorangen enthält den Wirkstoff Synephrin, Guarana-Extrakt Koffein. Beide Stoffe verstärken sich in ihrer Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System und können so besonders in größeren Mengen zu Bluthochdruck, Herzrasen bis hin zum Herzinfarkt führen.4
Oder Yohimbin: Nicht jeder Mensch erwartet bei einem Stoff aus der Rinde des afrikanischen Yohimbe-Baumes automatisch Gesundheitsrisiken. Tatsächlich aber darf das als „Fettkiller“ gehypte Yohimbin Lebensmitteln wegen seiner gesundheitsschädlichen Eigenschaften gar nicht zugesetzt werden. Unseriöse Anbieter von Schlankheitsmitteln interessiert das offenbar wenig, denn allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 gab es sechzehn RASFF-Warnmeldungen zu Yohimbin.5
Bedenkliche Situation
Das alles zeichnet ein ernüchterndes Bild vom gesundheitlichen Verbraucherschutz auf dem EU-Markt: Nahrungsergänzungsmittel mit Schlankheitsversprechungen bergen unkalkulierbare Risiken für Verbraucher:innen. Verbote und Kontrollmechanismen wie das RASFF senken allenfalls die Anzahl illegaler Produkte, verhindern können sie das Angebot nicht. Also bleiben Sie bei vollmundigen Werbeversprechen skeptisch.
Stand: 4. August 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2022 / S.16