Weg von der Zigarette mit Tablette?
Der Weg vom Raucher zum Nichtraucher kann mühsam sein. Wer aufhören möchte, sucht deshalb oft Unterstützung – auch durch Medikamente. In den letzten Wochen taucht in der Öffentlichkeit verstärkt Werbung für eine „neue Therapie zur Rauchentwöhnung“ auf. Damit will der Pharmakonzern Pfizer offenbar Bedenken gegen sein verschreibungspflichtiges Medikament Vareniclin (Champix®) überspielen.
Seit 2006 bietet die Firma Pfizer Vareniclin zur Rauchentwöhnung an. Der Nutzen ist allerdings dürftig:1 Zwei von zehn entwöhnungswilligen Rauchern schafften es mit dem Medikament und psychologischer Unterstützung, nach einem Jahr noch abstinent zu sein. Ohne Medikament schaffte es einer.
Wer Champix® nimmt, muss aber etliche unerwünschte Wirkungen in Kauf nehmen, beispielsweise Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Schlafstörungen und Depressionen. Vareniclin ist verschreibungspflichtig und etwa doppelt so teuer wie die meistgenutzte Nikotinersatztherapie (Pflaster, Kaugummi). Krankenkassen bezahlen Vareniclin nicht. Trotzdem ist es durch groß angelegte Werbekampagnen des Herstellers zu einem Renner auf dem Pharmamarkt geworden. Alleine im dritten Quartal 2007 erzielte Champix® weltweit einen Umsatz von 241 Mio. US$.2
Mittlerweile ziehen sich allerdings Wolken über Vareniclin zusammen. Aufgrund von Meldungen über Suizidgedanken oder Suizidversuchen in Verbindung mit der Einnahme haben sowohl die europäische Zulassungsbehörde EMEA3 als auch die US-amerikanische FDA4 verlangt, dass in den Beipackzetteln ein Warnhinweis auf Selbsttötungsgedanken nach Einnahme von Champix® aufgenommen wird.
Ob Pfizer deshalb momentan so viele Werbeanzeigen für Champix® schaltet? Der Haken dabei ist: Öffentliche Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist verboten. Zwar wird in den Anzeigen der Name des Arzneimittels nicht genannt, aber es handelt sich zweifellos um Werbung für Champix®. Die Werbebotschaft: „NEUES Medikament zur Rauchentwöhnung“. Dann die unmittelbare Aufforderung: „Am besten frage ich noch heute meinen Arzt danach“.
Kritisch zu dieser Art von Werbung äußert sich Professor Benedikt Buchner, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Medizinrecht der Uni Bremen: „Pfizer versucht hier offensichtlich, die heilmittelwerberechtlichen Grenzen dadurch zu umgehen, dass der Name des beworbenen Produkts selbst nicht erwähnt wird. Eine nach dem Heilmittelwerbegesetz unzulässige Werbung ist jedoch auch dann zu bejahen, wenn zwar der Produktname nicht explizit erwähnt wird, nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbeanzeige jedoch die Anpreisung eines bestimmten Arzneimittels eindeutig im Vordergrund steht und dieses für den Adressatenkreis zumindest individualisierbar ist. Beides ist hier ohne Zweifel der Fall.“
Vorgriff auf Gesetzesänderung?
Zurzeit macht die Industrie im Verein mit EU-Kommissar Verheugen Druck, öffentliche Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel in Europa zuzulassen.5 Die Hersteller und die zuständige EU-Industrie-Kommission behaupten, Patienten würden nicht genügend gute Informationen über Medikamente erhalten. Diese könne die Industrie liefern. Das Beispiel Vareniclin zeigt, dass die Industrie „Information“ sagt, aber „Werbung“ meint. Ausgerechnet wenn Sicherheitsbedenken publik werden, wird die Werbung hochgefahren. Über die Risiken informieren die Hersteller aber gerade dort nicht. Öffentliche Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel wird dadurch rasch zur gefährlichen Desinformation und ist deshalb zu Recht verboten. Das muss auch so bleiben.
Stand: 1. Februar 2008 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2008 / S.14