Zum Inhalt springen
© Christian Horz/ iStockphotp.com

Was bei Tropfen alles schief gehen kann

Ratschläge für die sichere Anwendung

Arzneimittel in Form von Tropfen oder Säften sind scheinbar kinderleicht abzumessen. ­Dennoch sind Dosierungsfehler häufiger als man denkt. Das zeigt eine aktuelle Analyse.

Ein Saft gegen den Husten oder das Fieber. Tropfen, die Schmerzen lindern oder epileptische Anfälle verhindern sollen. Solche flüssigen Darreichungsformen von Medikamenten haben mitunter Vorteile: Etwa wenn Sie Tabletten nicht gut schlucken können oder wenn die Dosis an Ihr Körpergewicht angepasst werden muss.

Allerdings zeigt die Erfahrung, dass es mit der richtigen Dosierung manchmal nicht so einfach ist. Und das kann teilweise erhebliche Probleme nach sich ziehen, wenn ein Zuviel an Wirkstoff mehr Nebenwirkungen verursacht oder wenn bei zu niedriger Wirkstoffmenge das Medikament nicht ausreichend wirken kann.

Besonders wichtig ist das bei Arzneimitteln, bei denen bereits kleine Abweichungen von der Dosis zu größeren Gesundheitsproblemen führen können, etwa bei manchen Medikamenten mit zentraler Wirkung im Gehirn.

Einige solcher Fälle wurden schon registriert – und zwar im Rahmen der Arzneimittelüberwachung nach der Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Gemeinsamkeit: Sie sind aufgetreten, weil das eigentlich verschriebene Arzneimittel gegen ein wirkstoffgleiches Generikum ausgetauscht werden musste. Dies geschieht zum Beispiel in der Apotheke, weil die Krankenkasse einen Rabattvertrag mit einem anderen Anbieter abgeschlossen hat, bei Lieferproblemen des Herstellers oder im Krankenhaus, weil dort andere Präparate gebräuchlich sind als in der Arztpraxis.

Stärkerer Saft

Bei flüssigen Medikamenten wird die Dosierung oft über das Volumen angegeben, also zum Beispiel „5 Milliliter“. Weil das Mittel eine festgelegte Menge an Wirkstoff enthält, zum Beispiel 60 Milligramm pro Milliliter, ist die Wirkstoffmenge damit eindeutig festgelegt. Eigentlich. Denn manche Medikamente sind in verschiedenen Dosierungen erhältlich.

Das BfArM beschreibt einen Fall, bei dem ein Kind versehentlich die fünffache Menge eines Epilepsie-Medikaments bekommen hat. Was war passiert?

Die Kinderarztpraxis hatte die Dosierung des Medikaments nur in Millilitern angegeben. Als das Kind später im Krankenhaus behandelt wurde, hat die Klinik das Medikament durch ein wirkstoffgleiches Mittel ersetzt. Dabei war aber nicht aufgefallen, dass sich die Konzentration des Wirkstoffs unterschied: 300 Milligramm pro Milliliter statt 60 Milligramm pro Milliliter.

Was folgt? Wenn ein Medikament ausgetauscht wird, ist es immer wichtig zu prüfen, ob das neue Mittel die gleiche Menge Wirkstoff pro Dosiereinheit enthält. Diese Information findet sich in der Regel auf der Schachtel oder im Beipackzettel, leider manchmal nur im Kleingedruckten.

Große oder kleine Tropfen?

Manche flüssigen Arzneimittel werden über eine Tropfenzahl dosiert. Das Problem: Wie viel Wirkstoff in einem Tropfen enthalten ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehört etwa die Dickflüssigkeit der Lösung, aber auch die Art des Tropfers an der Flasche.

Dem BfArM wurde ein Fall gemeldet, bei dem eine ältere Dame Juckreiz am ganzen Körper spürte, weil sie ein überdosiertes Beruhigungsmittel erhalten hatte. Was war passiert?

Das ursprünglich verordnete und das ausgetauschte Arzneimittel enthielten pro Milliliter die gleiche Menge Wirkstoff. Allerdings entsprachen bei dem einen Präparat 40 Tropfen einem Milliliter, bei dem anderen reichten dafür 20 Tropfen. Verordnet hatte der behandelnde Arzt eine bestimmte Anzahl an Tropfen. Da beim Austausch die Unterschiede nicht beachtet wurden, hat die Patientin die doppelte Wirkstoffmenge erhalten.

Was folgt? Beim Austausch eines flüssigen Medikaments ist es wichtig zu prüfen, ob die Anzahl der Tropfen für die gewünschte Dosis gleich ist. Diese Information können Sie im Beipackzettel nachlesen.

Wie abmessen?

Wenn flüssige Medikamente nicht über Tropfen dosiert werden, misst man sie häufig mit kleinen Bechern, Dosierspritzen, Dosierpumpen oder Pipetten ab. Klingt einfach, kann im Detail jedoch trickreich sein: Vor allem, wenn Medikamente mit mehreren Dosieroptionen angeboten werden, die aber nicht zu gleichen Mengen Wirkstoff führen.

In der BfArM-Analyse wird ein Fall beschrieben, in dem bei einem Kind eine massive Überdosierung mit einem starken Schmerzmittel auftrat, mit Schwindel, Schwitzen und Übelkeit. Was war passiert?

Das Krankenhaus hatte im Entlassungsbrief die Dosierung des Schmerzmittels in Tropfen angegeben. Die Packung des Medikaments enthielt jedoch sowohl eine Tropfvorrichtung als auch eine Dosierpumpe (ähnlich wie bei einem Seifenspender). Der Mutter war nicht unmittelbar ersichtlich, dass ein Tropfen und ein Hub aus der Dosierpumpe nicht die gleiche Menge Wirkstoff enthalten, und sie hatte statt 20 Tropfen 20 Dosierhübe verabreicht. Dadurch bekam das Kind fünfmal so viel Wirkstoff wie vorgesehen.

Was folgt? Wenn mehrere Dosierhilfen in der Packung vorhanden sind, ist besondere Vorsicht geboten. Manchmal enthalten unterschiedliche Packungsgrößen auch unterschiedliche Dosierhilfen. Aus dem Beipackzettel ist ersichtlich, wie die korrekte Dosierung für die jeweilige Dosierhilfe aussieht.

Tropfen oder Milliliter?

Probleme können auch entstehen, wenn bei einem Präparate-Austausch die vorgesehene Dosierung mit dem Alternativ-Medikament nicht so einfach umzusetzen ist. Das BfArM hat einen Fall verzeichnet, bei dem eine ältere Patientin aufgrund einer Psychopharmaka-Überdosis mit starker Verwirrtheit und Nierenproblemen wieder ins Krankenhaus musste. Was war passiert?
Im Entlassungsbrief aus dem Krankenhaus war die Dosierung in Tropfen angegeben, was bei dem dort üblichen Präparat auch korrekt war. Bei der Verordnung eines wirkstoffgleichen Medikaments fiel in der Hausarztpraxis nicht auf, dass dieses Präparat keine Tropfvorrichtung, sondern eine Dosierpipette mit Milliliter-Angaben enthält. Weil auf dem Rezept nicht stand, ob Tropfen oder eine andere Einheit gemeint waren, war für die Patientin der Unterschied nicht klar ersichtlich. Sie nahm daraufhin 20-mal mehr Wirkstoff ein als vorgesehen.

Was folgt? Wenn flüssige Medikamente verordnet sind, sollten Patient:innen genau hinschauen, ob Tropfen, Milliliter oder eine andere Maßeinheit gemeint ist.

Fazit

Bei vielen Präparaten hat das BfArM die Anbieter bereits angewiesen, Änderungen auf dem Umkarton, im Beipackzettel oder bei den Dosierhilfen vorzunehmen. Allerdings zeigen weitere Meldungen, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind. Wer flüssige Medikamente einnimmt, muss also beim Austausch weiter aufmerksam bleiben.2 Wenn Ihnen unklar ist, ob es zwischen dem neuen und alten Medikament Unterschiede gibt, kann die Arztpraxis oder die Apotheke weiterhelfen.

Generika
GPSP 6/2012, S. 22

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2021 / S.04