Sonnen- und Schattenseiten der Lichtschutzmittel
Sonnenbrand: Schatten ist die beste Vorbeugung
Nach einem verregneten Frühjahr hat die Sonne eine besondere Anziehungskraft. Das lang ersehnte warme Wetter und die Ferien verleiten zu übermäßigem Sonnen. Dabei ist die Haut noch kaum an Sonnenstrahlen gewöhnt. Doch Vorsicht: Sonnencreme bietet keinen zuverlässigen Schutz vor den Spätfolgen der UV-Strahlung.
Ehe man sich versieht, ist sie verbrannt. Die Haut rötet sich und wird berührungsempfindlich. Für längere Zeit „brennt” die Haut weiter, obwohl das Sonnenbad schon lange beendet ist. Auf den empfindlichen Körperstellen zu liegen, wird zur Qual.
Abschied von der „gesunden Bräune“
Sonnenbrand ist aber nicht nur unangenehm, sondern auch potenziell gefährlich. Für die steigende Hautkrebsrate in der Bevölkerung und für frühzeitige Alterung der Haut („Landarbeiterhaut”) werden vor allem übermäßiges Sonnen und Solarienbenutzung verantwortlich gemacht. Dazu kommt, dass in einigen Regionen wie Australien die UV-Strahlung in Bodennähe zugenommen hat, weil der schützende Ozongehalt der Atmosphäre zerstört wird.
Viele glauben, durch ein Sonnenbad „Energie aufzutanken”. Die so häufig bewunderte „gesunde Bräune” wird aber allzu oft mit Spätschäden der Haut erkauft. UV-Strahlung kann sogar das Immunsystem schwächen. So mancher spürt dies, wenn eine schlummernde Herpes-simplex-Infektion nach einem Sonnenbad wieder aufflammt.
Vorbeugen ist der beste Schutz
Der beste Schutz für die Haut ist Vorbeugung und nur mäßiges Sonnen. Zu Beginn der Saison sollten Sie die Haut langsam an das Licht gewöhnen, den Aufenthalt in der Sonne also nur langsam steigern. Hierbei helfen schützende Kleidung, ein Sonnenhut mit breiter Krempe und Sonnenschutzmittel, die möglichst unparfümiert und wasserfest sein sollten. Sie müssen einen hohen, dem Hauttyp angepassten Lichtschutzfaktor haben und gegen UVB- und UVA-Strahlung wirken. Der Faktor gibt an, wie viel länger man sich in der Sonne aufhalten kann, ohne dass sich die Haut rötet. Lichtschutzfaktor 8 bedeutet, dass sich die Haut nicht schon nach beispielsweise 5 Minuten, sondern erst nach 40 Minuten röten soll. Lichtschutzmittel erleichtern vor allem Menschen mit empfindlicher heller Haut Aktivitäten unter freiem Himmel.
Die auf den Packungen von Sonnenschutzprodukten angegebenen Lichtschutzfaktoren werden allerdings in der Praxis nicht erreicht, weil der Faktor auf der Basis unrealistischer Bedingungen ermittelt wird. Wer sich eincremt, verteilt meist viel weniger Sonnencreme auf seiner Haut, als in Tests von Lichtschutzfaktoren verwendet werden. Um einen guten Schutz zu erreichen, sind UV-Filter-haltige Präparate daher gleichmäßig und dick aufzutragen. Zum Erhalt des Schutzeffektes ist es ratsam, die Lichtschutzmittel in Abständen mehrmals aufzutragen. Aber Achtung: Die Schutzdauer verlängert sich dadurch nicht. Entsprechende Hinweise fehlen auf den Packungen. Die früher übliche Gebrauchsanweisung, die Präparate bereits 20 Minuten vor dem Sonnenbad zu benutzen, sind übrigens hinfällig. Für eine solche Regel gibt es keine wissenschaftlichen Belege.1
Vor allem in südlichen Regionen kann man auch im Wasser einen Sonnenbrand bekommen. Daher empfehlen sich wasserfeste Präparate. Doch bei der behaupteten Wasserfestigkeit sind Abstriche zu machen: Durch Spielen im Wasser, Wellen und Abtrocknen geht ihre Wirkung eher verloren. Ist man geschwommen und hat sich abgetrocknet, ist es sinnvoll, auch wasserfeste Präparate neu aufzutragen.
Die Bezeichnung „Lichtschutzfaktor” ist außerdem irreführend. Genau genommen müsste der Faktor „Sonnenbrandschutzfaktor” heißen, denn er wird nur im Hinblick auf eine Hautrötung ermittelt und sagt nichts über den Schutz vor UV-bedingter Hautalterung oder der Entwicklung von Tumoren aus.2 Oft verwendete Bezeichnungen wie Sunblocker sind daher falsch.
Die Schattenseiten der Lichtschutzmittel
Der Nutzen von Sonnenschutzmitteln schwindet oder kann sich sogar in das Gegenteil verkehren, wenn sie dazu benutzt werden, sich möglichst lange zu sonnen. In einer Untersuchung ist aufgefallen,3 dass Kinder in Mittel- und Südeuropa, die häufig Sonnencreme benutzt haben, tendenziell mehr dunkle Pigmentflecken entwickelten. Diese gelten als Risikofaktor für schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom). Bei Kindern, die häufig Hemd und lange Hose in der Sonne trugen, war die Zahl der Pigmentflecken geringer.
Ein besonders hohes Schädigungsrisiko hat, wer sich selten eincremt und häufig „verbrennt”. Überraschenderweise haben in der Studie aber auch Kinder, die sehr häufig Lichtschutzmittel benutzten und nie einen Sonnenbrand hatten, oft Pigmentflecken. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Sonnencreme dazu verleitet, länger in der Sonne zu bleiben, da Warnzeichen wie Sonnenbrand fehlen.
Nicht jeder verträgt Lichtschutzmittel. Wer sich um die Augen herum eincremt, muss damit rechnen, dass die Augen brennen – wenn durch Schwitzen, Wasserspritzer oder Augenreiben das Präparat in die Augen gelangt. Dies ist zwar lästig, aber im Prinzip ohne weitere Folgen. Unangenehmer sind Kontaktekzeme, die sich als Reaktion auf die chemischen UV-Filter entwickeln können. Die Haut ist dann gerötet und mit Bläschen, Knötchen oder Schuppen übersät. Beschränkt sich die Hautreaktion auf Hautareale, die dem Licht ausgesetzt waren, handelt es sich um ein fotoallergisches Kontaktekzem, das durch Lichtschutzmittel plus UV-Licht verursacht wird. Der Hautarzt kann den oder die verursachenden Stoffe durch Hauttests ermitteln und mit oder ohne zusätzliche Belichtung austesten. Danach trägt er den oder die verursachenden Stoffe in einen Allergieausweis ein. Da in der EU die Bestandteile der Präparate auf der Basis von INCI-Namen (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients) auf der Verpackung angegeben werden müssen, kann man sich vor unverträglichen Stoffen schützen.
Lichtschutzpräparate werden inzwischen so häufig verwendet, dass sie sich im Wasser von viel besuchten Schwimmbädern und Badestellen nachweisen lassen.4 Da sich chemische UV-Filter auch in der Muttermilch und in Tieren wiederfinden, wurden Laborversuche durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben Hinweise auf östrogenähnliche Effekte bei einigen häufig verwendeten Lichtschutz-Filtern. Eine gesundheitliche Gefährdung soll sich aus den Befunden allerdings nicht ableiten lassen.1
Immer häufiger werden in Sonnencremes Nanopartikel verwendet. Welche besonderen Risiken hierdurch entstehen, lässt sich bisher noch nicht genau abschätzen. Dazu ist weitere Forschung notwendig.
Sonnencreme auf Babyhaut?
Bei Säuglingen und Kleinkindern empfiehlt es sich, Präparate mit UV-Filtern besonders zurückhaltend anzuwenden. Die dünne und empfindliche Haut lässt die UV-Filter leichter in den Körper eindringen. Dabei ist die Leber noch relativ unreif und kann Fremdstoffe noch nicht so gut abbauen und ausscheiden. Säuglinge und Kleinkinder sollen daher vor praller Sonne durch entsprechende Kleidung geschützt werden. Ein Sonnenhut oder eine Kappe mit Schirm und Nackenschutz sind ein Muss bei sommerlichem Wetter und ganz besonders beim Spielen am Wasser, das UV-Strahlen reflektiert. Werden Sonnenschutzmittel gebraucht, empfehlen sich Präparate, die ausschließlich auf Grund von Pigmenten wirken, wasserfest sind und kein Parfüm enthalten.2
Auf die richtige Mischung kommt es also an: Wer sich in der sonnenintensiven Mittagszeit – wenn der Schatten kürzer ist als die Körpergröße – im Schatten aufhält sowie in der übrigen Zeit lichtdichte Kleidung und einen Sonnenhut trägt und auf den freien Hautregionen UV-A- und UV-B-wirksame Lichtschutz-
mittel verwendet, beugt lichtbedingten Hautkrankheiten vor.
Stand: 1. August 2006 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2006 / S.08