Umstrittene Tabakerhitzer
WHO kritisiert erlaubte Werbeaussagen
Neues Lieblingskind der Tabakindustrie: Tabakerhitzer. In den USA darf ein Anbieter damit werben, dass weniger schädliche Stoffe entstehen als bei herkömmlichen Zigaretten. Die Weltgesundheitsorganisation kritisiert das – denn bisher fehlen sichere Belege, dass Tabakdampf weniger riskant als Tabakrauch ist.
Die Werbung ist allgegenwärtig: Auf Leuchtreklamen an Ampeln, im Bahnhof oder an Kreuzungen erfahren Passant:innen von der „Zigarettenalternative für echten Tabakgenuss“. Für Produkte, die ein angeblich weniger gesundheitsschädliches Rauchen ermöglichen sollen, wird derzeit massiv auf dem deutschen Markt geworben. Neben den E-Zigaretten, in denen ein Liquid verdampft wird, sind das auch die sogenannten Tabakerhitzer.1
Dampf statt Rauch
Bei diesem System wird der Tabak auf bis zu etwa 350 Grad Celsius erwärmt, also nicht verbrannt wie bei herkömmlichen Zigaretten. Worauf Anbieter gerne hinweisen: Der Tabakdampf enthält dadurch weniger Teer als Zigarettenrauch, und der Gehalt an Kohlenmonoxid sowie einigen krebserregenden Substanzen soll wesentlich geringer sein. Was in der Werbung nicht vorkommt: Der Tabakdampf enthält dafür aber andere gesundheitsschädliche Stoffe, die im Tabakrauch fehlen. Dass das Einatmen von erhitztem Tabak weniger schädlich ist als Zigarettenrauchen, ist bisher nicht eindeutig belegt.2
Unabhängige Auswertungen der Herstellerdaten weisen darauf hin, dass auch Tabakdampf die Lunge schädigen könnte.3
Eingeschränkte Werbung in den USA
In den USA hat die Arzneimittelbehörde FDA den Vertrieb des ersten Tabakerhitzers IQOS im Juli 2020 zwar gestattet, aber die erlaubten Werbeaussagen eingeschränkt: Der Anbieter darf nicht damit werben, dass der Tabakerhitzer weniger Krankheitsrisiken mit sich bringt als normales Rauchen. Genehmigt hat die FDA allerdings die Aussage, dass im Dampfer bestimmte Stoffe weniger entstehen als beim Zigarettenrauchen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO kritisiert diese Entscheidung, denn der subtile Unterschied ist für Verbraucher:innen kaum verständlich – und es ist auch nicht die ganze Wahrheit.4
Auftakt für Kampagne
Der IQOS-Hersteller Philip Morris scheute sich dennoch nicht, die Zulassung in den USA als einen „Meilenstein für die öffentliche Gesundheit“ zu feiern und weiter für seinen Tabakerhitzer zu werben. Das Unternehmen startete zudem umgehend eine internationale Kampagne, die sich an gesundheitspolitische Entscheider in der Politik richtete und dazu aufrief, ihre Märkte zu öffnen oder Regelungen zu lockern. Und das, obwohl es bislang nicht belegt ist, dass der Wechsel vom Rauchen zu Tabakerhitzern wesentliche Verbesserungen mit sich bringt.5
Deutsche Werberegelungen
In Deutschland steigt nach Auskunft von Philip Morris die Zahl der IQOS-Nutzer:innen. Auch hierzulande wirbt der Konzern auf seiner Website mit der Aussage: „Bei IQOS entstehen 95% weniger Schadstoffe als bei Zigaretten.“ Erst in der kleingedruckten Fußnote lässt sich erfahren: Das bedeutet nicht, dass auch das Risiko um 95 Prozent sinkt. Im Tabakerzeugnis-Gesetz heißt es zum Thema „Verbote zum Schutz vor Täuschung“ unter anderem: „Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn der Eindruck erweckt wird, dass ein Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei oder auf die Reduzierung schädlicher Bestandteile des Rauchs abziele.“ Ob die Werbeaussage im juristischen Sinn zulässig ist, können wir nicht beurteilen. Zumindest scheint sich die zuständige Aufsichtsbehörde nicht daran zu stören. Wie Verbraucher:innen die Aussage werten, steht dagegen auf einem ganz anderen Blatt.
Und weiter
Der Konzern wird übrigens noch sehr lange für seinen Tabakerhitzer werben dürfen: Umfangreichere Werbebeschränkungen für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten sowie Nachfüllbehälter treten nur stufenweise in Kraft: für herkömmliche Tabakerzeugnisse ab dem 1. Januar 2022, für Tabakerhitzer ab dem 1. Januar 2023 und für E-Zigaretten und Nachfüllbehälter ab dem 1. Januar 2024.6 Damit bleibt Deutschland ein Schlusslicht bei den Werbeverboten.
Stand: 5. Januar 2021 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2021 / S.23