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Maulkorb für Verbraucherschützer

Firma Schwabe lässt Kritiker zensieren

Der Pharmahersteller Schwabe hat per Gericht verhindert, dass sich eine australische Verbrauchergruppe kritisch zu dem Ginkgo-Präparat Tebonin® äußern kann. Ein schwarzer Tag für den Verbraucherschutz.

Ginkgoblätter-Extrakt ist in Deutschland seit vielen Jahren auf dem Markt. Seine Wirkung gegen Tinnitus (Ohrgeräusche) und andere Erkrankungen ist zweifelhaft. Das hielt die Firma Schwabe nicht davon ab, ihr Ginkgo-Präparat Tebonin® im Mai 2006 in Australien als „komplementärmedizinisches Produkt“ gegen Tinnitus mit einer massiven Werbekampagne auf den Markt zu bringen. Der Hersteller versprach den Apotheken, mit zahlreichen Anzeigen für das Produkt zu werben und redaktionelle Beiträge in Tageszeitungen, Senioren- und Frauenmagazinen unterzubringen.1

AusPharm Consumer Health Watch, einer Gruppe von unabhängigen Fachleuten, stieß die Werbekampagne übel auf. Sie bereiteten die vorhandene Literatur zu Ginkgo bei Tinnitus für eine Verbraucherinformation auf und sandten ihr Manuskript vorab an den Hersteller mit der Bitte um Kommentar. Der ging statt dessen vor Gericht und ließ per einstweiliger Anordnung die Veröffentlichung untersagen.2 Dabei ging es offensichtlich weniger darum, ob die Aussagen von AusPharm richtig sind, als um den wirtschaftlichen Schaden, den die Veröffentlichung bedeutet hätte. Denn eine Sichtung der vorhandenen Studien zeigt schnell, dass mit den vorhandenen Untersuchungen eine Wirksamkeit von Ginkgo gegen Tinnitus nicht wissenschaftlich belegt werden kann.3,4

Schwabe berief sich auf eine Regelung gegen unlauteren Wettbewerb. Dazu musste AusPharm als potenzieller Konkurrent dargestellt werden. Da keiner der australischen Fachleute Geld für seine Tätigkeit bekommt, wurden abenteuerliche Hilfskonstruktionen aufgebaut. Einige Beteiligte sind hauptberuflich für kommerzielle Webseiten verantwortlich. Vielleicht, so der Richter, würden sie ja in Zukunft mit ihrem Bericht über Tebonin® oder mit der AusPharm Webseite Geld verdienen. Völlig daneben lag der Richter mit seiner Annahme, die zuständige australische Behörde könne ja die Öffentlichkeit informieren, also finde keine Zensur statt: Dazu müsste die Behörde aber erst einmal ermitteln und das ist ihr während eines schwebenden Gerichtsverfahrens gegen einen Hersteller gesetzlich untersagt.

Die AusPharm Mitarbeiter entschieden sich wegen der Kosten des Gerichtsverfahrens in Höhe von rund 9.000 €, die einstweilige Anordnung zu akzeptieren und damit den Weg für eine Untersuchung durch die Behörde freizumachen.

  1. Bulletin. Fax vom 24.4.2006 an australische Apotheken
  2. Bob Burton. Drug company’s hearing too sensitive for criticism. newmatilda 11 August 2006
  3. Smith PF, Zheng Y, Darlington CL. Ginkgo biloba extracts for tinnitus: More hype than hope? Journal of Ethnopharmacology 2005 Aug 22;100(1-2):95-9
  4. Bewertung: Ginkgo-biloba-Extrakt. atd arznei-telegramm Arzneimitteldatenbank Stand 1.9. 2006

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2006 / S.12