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©Elke Brüser

Rizinusöl zur Geburtseinleitung

Um eine Geburt einzuleiten, wurden früher und werden manchmal noch heute „Wehencocktails“ gegeben, die Rizinusöl enthalten. Wie bei vielen pflanzlichen Arzneimitteln gilt aber auch hier: Was eine lange Tradition hat und als „natürliche Medizin“ gilt, ist nicht grundsätzlich sicher.

Hebammen und andere Geburtshelfer müssen in bestimmten Situationen erwägen, eine Geburt künstlich zu beschleunigen oder einzuleiten. Ein Grund kann sein, dass nach einem Blasensprung die Wehen nach 12 Stunden noch nicht einsetzen, dass sie zu schwach sind beziehungsweise der errechnete Geburtstermin um mehr als 7 Tage überschritten ist.1 Oder: Die Herztöne des Babys (CTG) sind auffällig.

Je nach Zustand des Muttermundes kommen für die Einleitung durch eine Ärztin oder einen Arzt Hormone (Prostaglandine, Oxytocin) in Frage, und zwar als Gel, Tabletten oder als Wehentropf. Daneben gibt es nicht-medikamentöse, also mechanische, Maßnahmen wie das Öffnen der Fruchtblase.

Darüber hinaus sind sowohl in manchen Kliniken als auch bei Hausgeburten so genannte Wehencocktails als „natürliche Einleitungsmethode“ am Termin üblich. Hauptbestandteil dieser Cocktails ist Rizinusöl, das die meisten Menschen als starkes Abführmittel kennen. Auf Internetseiten finden sich Grundrezepte in allen möglichen Varianten, beispielsweise Mischungen von Rizinusöl mit Aprikosensaft und Alkohol. Ein Portal2 listet gleich ein knappes Dutzend Rezepte auf und verbreitet so die Idee. Zwar warnt die Seite vor Risiken, aber es entsteht der Eindruck, dass dieser Hinweis nur pro forma erfolgt.

Auch wenn es sich bei Rizinus um einen Stoff aus der Natur handelt, so ist das Öl als Wehenförderer – noch dazu gemixt mit Alkohol – keineswegs unbedenklich. Erbrechen und Darmkoliken sind wohlbekannte unerwünschte Wirkungen. Es kommen auch schwere Leberschäden vor. Ein Übertritt der Rizinolsäure in den kindlichen Blutkreislauf ist möglich und kann dazu führen, dass das Ungeborene seinen Darminhalt (Mekonium) vorzeitig entleert. Das dadurch grünlich gefärbte Fruchtwasser ist für Geburtshelfer ein Anzeichen von kindlichem Stress und ein Warnhinweis. In der Regel führt es zu zusätzlichen Kontrolluntersuchungen – auch beim neugeborenen Baby.

©Tyler Olson/Fotolia

Die Studien zu Nutzen und Risiken von Rizinusöl als wehenförderndes Mittel sind insgesamt methodisch unbefriedigend.4 In einer Studie mit nur etwa 100 schwangeren Frauen, bei denen die Geburt mit 60 ml Rizinusöl eingeleitet wurde, ergaben sich außer Übelkeit bei allen Frauen keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen. Die Wehen setzten mit Rizinus bei 30 von 52 Frauen binnen 24 Stunden ein, ohne Rizinus nur bei 2 von 48 Frauen.5 Dagegen fand die bislang größte zurückblickende Studie mit über 612 südasiatischen Frauen, die zur Wehenförderung Rizinusöl genommen hatten, keine kürzere Wartezeit bis zur Geburt im Vergleich zu Frauen ohne eine gezielte Wehenförderung.6 Negative Effekte von Rizinusöl wurden in dieser Studie nicht berichtet.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft äußert erhebliche Bedenken zur Geburtseinleitung mit Rizinusöl.7 Da die Kenntnisse aus wissenschaftlichen Studien zu Rizinusöl sehr unbefriedigend sind, äußern sich auch Hebammenwissenschaftlerinnen skeptisch. Es fehlt an guten Studien und an Evidenz.

GPSP favorisiert die besser untersuchten Arzneimittel mit Prostaglandinen oder Oxytocin, sofern die Wehen anders nicht ausreichend in Gang kommen. Diese Medikamente können im Prinzip besser gesteuert werden. Insbesondere wenn eine Frau bereits ein Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat, ist die behutsame Steuerung sehr wichtig, damit der Uterus nicht überstrapaziert wird und vielleicht sogar reißt. Grundsätzlich müssen Hebammen und andere Geburtshelfer bei allen geplanten Einleitungsmethoden vorab deren Nutzen und Schaden sehr sorgfältig abwägen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2013 / S.07