Brustkrebs: Mehr Auswahl – und mehr Fragen
Kassen erstatten weitere Biomarker-Tests bei Brustkrebs
Brauche ich nach der OP bei frühem Brustkrebs auch noch eine Chemotherapie? Bei dieser Entscheidung sollen künftig noch weitere Biomarker-Tests den betroffenen Frauen und ihren Ärzt:innen helfen. Es gibt jedoch viele offene Fragen.
Im Oktober 2020 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, dass zukünftig drei weitere Biomarker-Tests für Behandlungsentscheidungen bei Brustkrebs von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.
Neben dem bereits seit 2019 erstattungsfähigen Oncotype DX, kommen die Tests EndoPredict, MammaPrint und Prosigna dazu. Sie analysieren alle die Aktivität von verschiedenen Genen in den Krebszellen und sagen auf dieser Basis das Risiko voraus, dass der Tumor wiederkommt. Das soll die Entscheidung erleichtern, ob eine Chemotherapie wirklich nötig ist. Zur Verfügung stehen die Tests jedoch nur für bestimmte Formen von Brustkrebs im frühen Stadium, nämlich dann, wenn der Tumor zwar Rezeptoren („Antennen“) für Hormone, aber nicht für Wachstumsfaktoren besitzt, sich der Krebs aber noch nicht auf die Lymphknoten ausgebreitet hat. Die Tests sollen nur eingesetzt werden, wenn die bisher üblichen Einschätzungen kein eindeutiges Bild für oder gegen Chemotherapie ergeben. Die vier nun erstattungsfähigen Tests beruhen auf unterschiedlichen Prinzipien – und das ist ein Problem.
Unterschiedliche Bewertungen
Der G-BA-Beschluss war umstritten. Es gab zwei Beschlussvorlagen1 mit gegenteiligen Einschätzungen, die sich beide auf das gleiche Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stützen. Das war zu dem Schluss gekommen, dass sich auf der Grundlage der vorhandenen Studien der nachgewiesene Nutzen von Oncotype DX nicht automatisch auf die anderen Tests übertragen lässt – besonders, weil die Tests zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen kommen können, welche Frauen auf eine Chemotherapie verzichten können und welche nicht.
Entscheidung nicht leichter
Was ist die Kritik an den Tests? Es gebe bisher zu keinem anderen Biomarker-Test ähnlich aussagekräftige Studien wie zum bereits genehmigten Oncotype DX. Die fehlende Übereinstimmung der Tests erleichtere darüber hinaus auch nicht die Entscheidung für oder gegen Chemotherapie, sondern könne im Zweifelsfall eher mehr Verwirrung stiften – nämlich dann, wenn mehr als ein Test durchgeführt wird und diese zu widersprüchlichen Einschätzungen kommen.
Vergleichbares Ergebnis?
Die andere Position, die sich im G-BA schließlich durchgesetzt hat, spricht sich für eine Kostenübernahme aus. Sie begründet das mit einer Untersuchung, die im IQWiG-Gutachten analysiert wird. In dieser Untersuchung wurde die Sterblichkeit von Frauen verglichen, die aufgrund einer niedrigen Risikoeinstufung durch einen der vier untersuchten Biomarker-Tests auf eine Chemotherapie verzichtet hatten. Dabei lag die Sterblichkeit mit allen vier Biomarker-Tests in einer ähnlichen Größenordnung.
Das IQWiG hatte in seinem Gutachten jedoch darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft dieser und ähnlicher Untersuchungen eher begrenzt ist und sie darüber hinaus auch keine Schlussfolgerungen für Frauen mit mittlerer Risikoeinstufung erlauben, von denen möglicherweise ebenfalls einige auf eine Chemotherapie verzichten könnten.
Eher weniger Sicherheit
Zu befürchten ist, dass mit diesem Beschluss mehr Unsicherheit kommt. Die Entscheidung, welcher Biomarker-Test eingesetzt wird, treffen in der Regel die behandelnden Ärzt:innen, je nachdem wie es in der Klinik üblich ist. Die vier Tests unterscheiden sich jedoch darin, wie gut ihr Nutzen tatsächlich belegt ist. Ob die betroffenen Frauen dann wirklich erfahren, welcher Test bei ihnen eingesetzt wird und wie gut die Aussagekraft untersucht ist, bleibt offen. Unserer Einschätzung nach ein unbefriedigender Zustand.
Oncotype DX
GPSP 6/2019, S. 23
Biomarkertests
GPSP 5/2020, S. 13
Stand: 5. Januar 2021 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2021 / S.25