Gefährlicher Schlankmacher
Skrupellose Geschäftemacherei
Warnungen vor arzneiähnlich aufgemachten Produkten, die angeblich rein pflanzlich sind, aber in Wirklichkeit starke synthetische Wirkstoffe enthalten, kommen meist aus der Schweiz, aus Großbritannien, den USA oder Kanada. Hierzulande wird die Qualität solcher Nahrungsergänzungsmittel, die meist im Internet angeboten und per Bestellung importiert werden, nur unzureichend untersucht.
In Großbritannien hat die zuständige Behörde seit 2005 immerhin 280 angeblich pflanzliche Produkte entdeckt, die mit stark wirkenden Arzneistoffen versetzt waren. „Solche Produkte bedeuten ein beträchtliches Risiko für die Öffentlichkeit“, kommentiert der Chef der Abteilung Kräutermedizin der britischen Behörde.1
Kontrolleure in der Schweiz haben im vergangenen Jahr 1.861 verdächtige Importe von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln überprüft. Laboruntersuchungen haben immer wieder ergeben, dass etwa jedes zweite Produkt schwerwiegende Mängel hat, beispielsweise falsche Angaben zur Wirkstoffmenge oder Beimischungen eines auf der Packung nicht genannten Wirkstoffes. Gefälschte und gepanschte Produkte kommen fast zur Hälfte aus Indien. Die schweizerische Arzneimittelbehörde Swissmedic warnt vor den Tricks der Anbieter: „Die Webseiten, von denen indische Medikamente bestellt werden, täuschen interessierten Besuchern einen Bezug zu vertrauenswürdigen europäischen Ländern vor […] Bei den Betreibern der Webseiten handelt es sich in aller Regel um Personen, die keinerlei medizinisches Fachwissen haben und den illegalen Vertrieb der oft gesundheitsschädlichen Produkte ohne jegliche Skrupel aus rein kommerziellen Gründen betreiben.“ Meist operieren die Händler aus Staaten, mit denen keine Rechtshilfeabkommen bestehen. Sie können daher nicht bestraft werden. „Nie wird offen deklariert, dass die Pakete aus Asien geliefert werden. Vielmehr wird vorgegaukelt, dass die Lieferung ohne jegliche Zollprobleme, zum Beispiel aus einem Nachbarland“ erfolgt.2
In fast jeder Ausgabe warnt GPSP vor neu entdeckten gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln. Alle Informationen und die Produktnamen finden Sie auch im Internet unter www.gutepillen-schlechtepillen.de. Dort steht Ihnen eine praktische Suchfunktion für gepanschte Produkte zur Verfügung. Inzwischen haben wir rund 530 Einträge zu illegalen Produkten gelistet, darunter 27 aktuell aufgenommene. Das gefährlichste von diesen dürfte das angeblich rein pflanzliche Produkt Slimming Factor sein. Das zum Abnehmen angepriesene Mittel enthält drei starke chemische Wirkstoffe, die es früher auch in legalen Arzneimitteln gab. Wegen der schweren unerwünschten Wirkungen sind sie allerdings längst vom Markt genommen worden.
Neu gefundene gepanschte Produkte:
Aziffa, Black Ant, Duro Extend Kapseln For Men, Erex, Extenze, Eyeful, Hard Drive, Libidinal, Maxyte, Mojo, Monster Excyte, Nite Rider Maximum Sexual Enhancer for Men, OMG, OMG45, Red Magic, Size Matters, Straight Up, Tiger King, Verect, Wow, Xaintrex, Xytamax, Zilex, Zotrex
In diesen Nahrungsergänzungsmitteln zur „sexuellen Stärkung“ wurden verschreibungspflichtige erektionsfördernde Mittel nachgewiesen: Sildenafil (Viagra®) oder dessen chemische Varianten und/oder Tadalafil (Cialis®). Die nicht deklarierte Beimischung solcher starken chemischen Wirkstoffe kann lebensgefährliche Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen, beispielsweise bei Menschen, die gleichzeitig Nitrat-haltige Arzneimittel wie Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin), Isosorbiddinitrat (ISDN) oder Isosorbidmononitrat (ISMN) zur Vorbeugung von Angina pectoris einnehmen. Ein durch eine solche Kombination ausgelöster Blutdruckabfall ist schwer zu behandeln und potenziell lebensbedrohlich.
Celerite Slimming Kapseln, Slimming Factor, Svelte 30
In diesen angeblich natürlichen Produkten zum Abnehmen wurde bei der Überprüfung der appetithemmende Wirkstoff Sibutramin (Reductil®) gefunden. Auf der Packung angegeben war er aber nicht. Sibutramin darf bereits seit Anfang 2010 wegen Herzkreislaufschädlichkeit nicht mehr verkauft werden (GPSP 6/2008, S. 11 zu Reductil®). In Slimming Factor wurde außerdem das Abführmittel Phenolphthalein entdeckt, das nicht mehr als Arzneimittel im Handel ist, weil es schwere Nebenwirkungen hat und als potenzieller Krebsauslöser gilt. Auch der Appetithemmer Fenfluramin war Slimming Factor beigemischt, obwohl Fenfluramin seit 1997 weltweit nicht mehr verkauft werden darf. Der Grund: Der Wirkstoff kann lebensbedrohlichen Lungen-Bluthochdruck auslösen und steht im Verdacht, Herzklappen zu schädigen. Slimming Factor ist ein bedenklicher Cocktail riskanter Wirkstoffe in einem angeblich rein pflanzlichen Produkt. Es ist kein Einzelfall.
Stand: 1. April 2011 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2011 / S.14