Europäischer Gerichtshof verbietet irreführende Werbung für pflanzliches Nahrungsergänzungsmittel
Werbeaussagen zu pflanzlichen Mitteln müssen stimmen
Wieder einmal hat der Europäische Gerichtshof irreführende Health Claims für ein pflanzliches Nahrungsergänzungsmittel (Botanicals) verboten. Das klingt positiv, ist aber leider kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
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Bessere Stimmung dank Safran, weniger Stress dank Melonensaft-Extrakt: Solch eine Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM) ist laut einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) unzulässig.1 Damit hat das höchste europäische Gericht einmal mehr klargestellt, dass für gesundheitsbezogene Angaben (Health Claims) immer dasselbe gilt – ganz gleich, ob sie sich auf Vitamine, Mineralstoffe oder pflanzliche Stoffe (Botanicals) wie Safran oder Melonensaft-Extrakt beziehen: Health Claims müssen wissenschaftlich geprüft und zugelassen sein und dürfen Verbraucher:innen nicht täuschen.
Was simpel klingt, hat jedoch in der Praxis weiterhin Tücken. Denn das Zulassungsverfahren für Werbebotschaften zu Botanicals ist noch immer nicht abgeschlossen. Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln berufen sich daher auf gesetzliche Übergangsregeln und nutzen unzulässige Claims zu Pflanzen munter weiter. Daran wird auch das aktuelle EuGH-Urteil nur wenig ändern können.
Kaum zugelassene Botanicals
Eigentlich ergibt sich aus einer EU-weit geltenden Liste, welche Health Claims für Nahrungsergänzungsmittel erlaubt sind.2 Die Voraussetzungen dafür: Sie müssen vom Hersteller beantragt werden, eine wissenschaftliche Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erfolgreich durchlaufen und von der EU-Kommission zugelassen werden. Doch bis heute ist diese Liste unvollständig. Sie enthält vor allem Health Claims über Vitamine und Mineralstoffe. Die meisten der insgesamt über 2.500 Anträge für Werbeaussagen über die Wirkung pflanzlicher Stoffe bestanden die EFSA-Prüfung hingegen nicht – oder sie sind noch gar nicht abschließend bewertet. Denn nachdem die EFSA rund 530 Botanicals-Anträge als wissenschaftlich nicht erwiesen bewertet hatte, setzte die EU-Kommission das Zulassungsverfahren vorerst aus. Sie begründete das unter andern mit der lückenhaften Datenlage. Das war 2010.3 Bis heute wurde die Prüfung nicht wieder aufgenommen.
Undurchsichtige Übergangsregeln für Health Claims
Seither berufen sich viele Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln bei der Gesundheitswerbung für Pflanzenstoffe auf Übergangsregeln der Health Claims-Verordnung (HCVO). Ihre Interpretation der Rechtslage lautet: Solange die EFSA die Prüfung der Botanicals nicht abgeschlossen hat, gilt auch die Zulassungspflicht für eine entsprechende Werbung nicht. Das aber stimmt nur bedingt. Denn laut HCVO darf nur dann mit solchen nicht zugelassenen Pflanzen-Claims geworben werden, wenn Hersteller zuvor einen Antrag auf Zulassung bei der EFSA gestellt haben. Genau das war aber im Fall des vermeintlich stimmungsaufhellenden Safrans und des stressabbauenden Melonensaft-Extraktes nicht erfolgt. Deshalb hat der EuGH die Werbung verboten.
Auswirkungen des Urteils in der Praxis gering
Was aber ist dann mit Health Claims, die sich auf einen der rund 2.000 Botanicals-Anträge beziehen, die der EFSA noch immer zur Prüfung vorliegen, etwa zur Gesundheitswirkung von Melissenextrakt, Zimt oder Knoblauch? Mit diesen dürfen Anbieter tatsächlich weiterhin werben – allerdings nur, wenn sie ihre Werbung auch mit allgemein anerkannten wissenschaftlichen Studien belegen können. Genau das kann ihnen aber eigentlich gar nicht gelingen, nachdem selbst die EFSA keine abschließende Bewertung der Anträge vornehmen konnte. Verbindliche Kriterien dafür, was zum Nachweis der Claims nötig wäre, gibt es jedenfalls nicht. Bis auf Weiteres wird sich daher die irreführende Werbung für Botanicals nur über oft langwierige gerichtliche Verfahren unterbinden lassen.
Stand: 30. Juni 2025 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2025 / S.18