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©Esther Hildebrandt / Fotolia

Aufruhr im Darm

Verhütung und Behandlung von Durchfall

Durchfall (Diarrhö) kann einem die ganze Reise vermiesen – diese Erfahrung macht so mancher Urlauber. Auch zu Hause ist man vor Durchfallerkrankungen nicht gefeit. Selbst in der Winterzeit erwischt es Viele. Wir beschreiben, wie Sie am besten vorbeugen können. Und falls es Sie doch trifft, sagen wir Ihnen, welche Maßnahmen und Medikamente bei Durchfall sinnvoll oder überflüssig sind und wann ärztlicher Rat angebracht ist.

Ursachen der Erkrankung

Häufig sind Speisen, die man nicht gut verträgt, der Auslöser von Durchfall. Auch Medikamente, Angst und Stress können Schuld sein. Oft handelt es sich um eine Infektion mit Viren, Bakterien oder Parasiten. Die Ansteckung erfolgt in der Regel durch Spuren von infiziertem Stuhl oder Kot. Diese Spuren gelangen auf Umwegen in den Mund – z.B. durch ungenügend gewaschene Hände oder Gemüse, das mit Fäkalien gedüngt wurde. Über den Mund kommen die Erreger dann in den Magen-Darm-Trakt (fäkal-orale Ansteckung).

Welche Beschwerden sind möglich?

Wenn sich eine bedeutsame Anzahl von Erregern im Darm festsetzt, wird häufig die Funktion der Dünndarmzellen gestört. Dadurch können große Mengen Flüssigkeit aus dem Gewebe in den Darm strömen. Das führt dann zu wässrigen Durchfällen (Diarrhöen, dia = durch; rrhoe = Fluss). Meist fühlt man sich erschöpft und matt.

Vor allem Bakterien setzen sich gerne im Dickdarm fest und verursachen dort blutige Darmwandentzündungen. In diesen Fällen leidet man meist zusätzlich unter Bauchschmerzen und stellt eitrigen Schleim und Blut auf dem breiigen Stuhl fest. Gelegentlich tritt auch Fieber auf. Manchmal ist einem auch zusätzlich übel und man muss sich übergeben. In der Regel klingt ein Durchfall innerhalb von vier Tagen ab, Erbrechen meist nach 24 Stunden.

Die Art der Beschwerden, die letzten Speisen und der Zeitpunkt vom Essen bis zum Auftreten der ersten Gesundheitsstörungen ermöglichen Ihrem Arzt Rückschlüsse auf die möglichen Ursachen. Machen Sie sich dazu Notizen, bevor Sie sich an Ihren Arzt wenden.

Worauf sollten Sie achten?

Die größte Gefahr bei Durchfall ist die Austrocknung des Körpers durch Flüssigkeitsverlust. Vor allem kleine Kinder und ältere Menschen sind gefährdet, speziell wenn sie zusätzlich an Erbrechen leiden. Denn die getrunkene Flüssigkeit bleibt nicht im Magen. Durst ist das wichtigste Zeichen, das auf Wassermangel hinweist. Trockenheit von Mundschleimhaut und Zunge sind unzuverlässige Symptome vor allem beim Atmen durch den offenen Mund. Wenn aber viele Stunden kein Urin („trockene Windeln“) oder nur konzentrierter dunkler Urin ausgeschieden wird, fehlt dem Körper sicher Flüssigkeit. Ferner können fehlende Anteilsnahme (Lethargie) oder Verwirrtheit auf ein bedrohliches großes Flüssigkeitsdefizit hindeuten. In diesem Fall muss man unbedingt einen Arzt hinzuziehen und für irgendeine Art der Flüssigkeitsaufnahme sorgen.

Auch wenn eins der folgenden Merkmale zutrifft, sollten Sie zum Arzt gehen:

  • stärkere Bauchschmerzen, vor allem beim Stuhlgang
  • Fieber über 38,5 °C oder Schüttelfrost
  • blutiger oder eitriger Stuhl
  • Einnahme von Antibiotika in den Tagen zuvor
  • Krankenhausaufenthalt in den Tagen zuvor
  • Genuss von Muscheln oder rohem Fleisch
  • Rückkehr von einer Reise aus Afrika, Lateinamerika oder Asien
  • Dauer des Durchfalls länger als vier Tage
  • Eine Abwehrschwäche: z.B. HIV-Infektion, Knochenmarkerkrankung, Leukämie, Lymphom, immun­suppressive Behandlung im Rahmen von Rheuma, Or­gantransplantation, Chemotherapie bei Tumor­erkrankung, Behandlung mit Kortison.

Ihr Arzt kann dann die Diagnose klären, z.B. indem eine Stuhlprobe auf Durchfallerreger untersucht wird.

Welche Maßnahmen sind sinnvoll?

Flüssigkeit und Ernährung

Wer Durchfall hat, muss viel trinken, um den Verlust an Wasser und Salzen auszugleichen. Dafür eignen sich am besten leicht zuckerhaltige Getränke, z.B. gezuckerter Tee oder mit sauberem (!)Wasser verdünnte Limonade, dazu Salzgebäck wie Cracker und Salzstangen oder auch salzige Brühe. In Apotheken gibt es Fertigpräparate (z.B. Saltadol®), mit denen Sie die verlorenen Salze und Flüssigkeit ausgleichen können. So genannte Elektrolytlösungen (Rehydratationslösungen) stellen Sie selbst her, indem Sie das Elektrolytpulver in sauberem Wasser auflösen. Dazu müssen Sie das Wasser in typischen „Durchfall-Ländern” abkochen oder Wasser aus industriell abgefüllten originalverschlossenen Flaschen verwenden. Die Präparate  können leicht auf die Reise mitgenommen werden.

Eine Ernährungspause muss man nicht einlegen. Vor allem für Kinder ist sie eher schädlich. Bewährt hat sich die sogenannte BRAT-Diät mit Bananen, Reis, Apfelmus und Toast (auch wenn es keine wissenschaftlichen Belege für diese Diät gibt). Es ist besser, Milchprodukte zu meiden, da bei Durchfall das Enzym, das Milchzucker im Körper spaltet, weniger wirksam sein kann, was zur vorübergehenden Milchunverträglichkeit führen kann.

Medikamente

Loperamid (z.B. Loperamid Al Akut®) ist in kleineren Packungen zur Behandlung von akutem Durchfall bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren rezeptfrei erhältlich.

Es hemmt die vorantreibenden Darmbewegungen, der Darm­inhalt wird daher langsamer weiterbewegt und die enthaltene Flüssigkeit kann zumindest zum Teil wieder vom Körper aufgenommen werden. Das Mittel bekämpft nicht die Erreger des Durchfalls.

Bei Fieber oder blutigem Durchfall darf Loperamid nicht verwendet werden. Beides können Anzeichen einer Darminfektion sein. In dieser Situation kann Loperamid bewirken, dass die Erreger langsamer ausgeschieden werden und die Infektion sich verlängern oder sogar verschlechtern kann. Kinder unter zwei Jahren dürfen kein Loperamid erhalten, bei älteren Kindern müssen genaue Dosierungsvorschriften beachtet werden, da diese das Mittel schlechter vertragen als Erwachsene.

Antibiotika können den Krankheitsverlauf abmildern und verkürzen. Sie sollten eingesetzt werden, wenn der Durchfall auf einer schweren bakteriellen Infektion beruht und mit ausgeprägtem Krankheitsgefühl, hohem Fieber oder Blutbeimengungen zum Stuhl einhergeht. Antibiotika muss ein Arzt oder eine Ärztin verordnen, weil sie erhebliche Nebenwirkungen haben können, z.B. allergische Reaktionen, Störungen der Darmflora und schlimmstenfalls lebensgefährliche Dickdarmentzündungen (membranöse Colitis).

Umstrittene Präparate

In einigen Studien hat sich Wismut als nützlich erwiesen. Es linderte Beschwerden und verkürzte den Krankheitsverlauf um einige Stunden. Durch die Behandlung färben sich jedoch Zunge und Stuhl vorübergehend schwarz. Wismutsubsalicylat (Pepto-Bismol®) ist zur Behandlung auch von Reisedurchfall zugelassen, aber verschreibungspflichtig und in Deutschland vom Hersteller aus dem Handel genommen. Apotheken können es aus dem Ausland besorgen.

Beworben, aber von zweifelhaftem Nutzen sind Tanninverbindungen, die als Tannalbin® oder zusammen mit einem problematischen (weil potenziell Allergie-auslösenden) Farbstoff als Tannacomp® im Handel sind. Verwendet werden auch Tormentillwurzelstockextrakte, die wegen ihrer roten Farbe Blutwurz genannt werden (Blutwurz-Ratiopharm®), sowie Uzara-Wurzelextrakt (Uzara®). Diese Pflanze stammt aus dem südlichen Afrika und wurde früher zur Herstellung von Pfeilgift verwendet. Die vom Anbieter empfohlene Anwendung bei Kindern ab zwei Jahren halten wir angesichts der unzureichenden Datenlage für nicht zu gerechtfertigt.

Adsorbentien: Diese Stoffe sollen Gifte, Bakterien und Viren binden und den Stuhl verfestigen können. Diese Wirkung ist aber nicht zuverlässig belegt.1 Pektin (z.B. in Diarrhoesan®) und Aktivkohle sind zwar beliebte Hausmittel, es ließ sich jedoch kein größerer Nutzen gegenüber Scheinmedikamenten nachweisen.

Probiotika enthalten lebensfähige Bakterien, die sich im Darm ansiedeln und dort möglicherweise die Mikroflora günstig beeinflussen.2 Für Probiotika wie Lactobacillus rhamnosus GG oder Hefepräparate mit Saccharomyces boulardii haben sich in Studien aber lediglich unwesentliche Unterschiede zu Scheinmedikamenten ergeben.3

Reisediarrhö
Foto: Jörg Schaaber

Reisediarrhö

Durchfälle gehören zu den häufigsten Krankheitszeichen während und nach Reisen in subtropische und tropische Länder. Sie betreffen etwa zwei von fünf Fernreisenden. Das Essen ist auf solchen Reisen meist ungewohnt, eine mögliche Erregerbelastung lässt sich nicht abschätzen. Die Zubereitung der Mahlzeiten ist nicht kontrollierbar, schließlich kocht man nicht selbst. Im Krankheitsfall wünscht man sich angesichts der wenigen Urlaubstage eine wirksame, schnelle Behandlung. Ein Arzt ist bisweilen nicht rasch erreichbar. Deshalb kann nach Absprache mit dem Hausarzt in besonderen Situationen die Mitnahme von Antibiotika für den „Ernstfall“ sinnvoll sein.

Vorbeugung

Das bei weitem Wichtigste ist eine penible Nahrungsmittelhygiene. Es gilt der alte Tropenspruch: Cook it, boil it, peel it, or forget it. Also: Koche, brühe oder schäle dein Essen – sonst verzichte drauf! Wasser sollte nie aus dem Wasserhahn getrunken werden, sondern nur aus originalverschlossenen Flaschen. Auch beim Zähneputzen sollte man diesen Ratschlag berücksichtigen. Eiswürfel sind ebenso tabu (Getränk also grundsätzlich „ohne” bestellen) wie auch Mayonnaise oder nicht durchgebratenes oder durchgegartes Fleisch.

Patienten, die Säureblocker gegen Magengeschwüre einnehmen, haben ein höheres Risiko, an einem Darminfekt zu erkranken. Denn Magensäure ist eine natürliche Barriere gegen Krankheitserreger, und dieser Schutz wird durch Säure­blocker geschwächt. Wer solche Mittel benötigt, sollte also schon vor Reiseantritt klären, ob die Behandlung während der Reise notwendig ist.

Die Empfehlung, bereits fünf Tage vor Beginn einer Reise vorbeugend Probiotika wie z.B. Perenterol® zu nehmen, ist wissenschaftlich nicht abgesichert.

Eine vorbeugende medikamentöse Behandlung ist nur für wenige Menschen mit bestimmten Erkrankungen empfehlenswert. Dazu zählen HIV-Infizierte, Patienten mit immunsuppressiver Behandlung oder schweren Erkrankungen des Herzens oder der Lunge sowie Diabetiker. Sie können vor Reisebeginn in die Subtropen und Tropen den möglichen Nutzen von Wismutsubsalicylat mit ihrem Arzt besprechen. Als Alternative kommt in diesen seltenen Fällen eine Antibiotikaprophylaxe (z.B. Ciprofloxacin oder Azithromycin) in Frage. Einzelheiten müssen mit dem Hausarzt vor der Reise geklärt werden.

Bei akutem Durchfall kann die Behandlung mit Loperamid die Zahl der Darmentleerungen senken. Bei Fieber oder blutigem Durchfall sowie bei Kindern unter zwei Jahren darf Loperamid nicht verwendet werden. Als weiteres Medikament kommt Wismutsubsalicylat in Frage. Aktivkohle und andere Adsorbentien werden zwar häufig gebraucht, ihre Wirksamkeit ist in wissenschaftlichen Studien allerdings nicht nachgewiesen.

Bei Fieber, Schüttelfrost und bei blutigem oder eitrigem Stuhl sollten Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen. Auch wenn der Durchfall länger als vier Tage dauert, müssen Sie zum Arzt. Er wird ihnen gegebenenfalls ein geeignetes Antibiotikum verschreiben. Falls ein Arztbesuch nicht möglich ist, sollten Sie das Antibiotikum aus Ihrer Reiseapotheke nehmen, das Ihnen Ihr Hausarzt vor der Reise für den Notfall (Fieber, blutiger Stuhl, kein Arzt erreichbar) empfohlen und verordnet hat.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2006 / S.01