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© LittleBee80/ iStockphoto.com

Übelkeit in der Schwangerschaft

Damit muss Frau sich nicht abfinden

Bei Kinderwunsch ist die Freude über eine Schwangerschaft groß – wäre da nur nicht die Übelkeit in den ersten Wochen. Leider ist kaum erforscht, was bei den Beschwerden tatsächlich hilft. Seit 2019 ist in Deutschland immerhin ein Medikament zugelassen. Allerdings sind die Belege für den Nutzen bislang eher dünn.

Vor allem in den ersten Monaten einer Schwangerschaft haben viele Frauen mit Übelkeit und Erbrechen zu kämpfen.1 Besonders häufig passiert das morgens, das Unwohlsein kann aber auch den ganzen Tag anhalten.

Normalerweise beginnt die Übelkeit zwischen der sechsten und achten Schwangerschaftswoche und hört zum Ende des vierten Monats auf. Manche Frauen haben länger damit zu tun. Warum ihnen so oft übel wird, ist unklar – möglicherweise liegt es an der hormonellen Umstellung.2,3

Wann zum Arzt?

Übelkeit ist vor allem lästig und kann den Alltag beeinträchtigen. Im Normalfall ist sie aber ungefährlich. Problematisch kann sie werden, wenn sich deshalb Schwangere über längere Zeit nicht mehr ausreichend und ausgewogen ernähren können und/oder zu viel Flüssigkeit verlieren. Starke Übelkeit kann auch eine Folge anderer Erkrankungen sein. Bei ungewöhnlich starken Beschwerden ist es daher auf jeden Fall sinnvoll, ärztlichen Rat einzuholen.

Bei etwa einer von hundert Schwangeren kommt es zu einem schweren Verlauf (Hyperemesis gravidarum): Sie müssen häufig und heftig erbrechen, verlieren dadurch Flüssigkeit und auch Gewicht. Eine Behandlung im Krankenhaus kann erforderlich werden, wo die Schwangere Flüssigkeit und Nährstoffe als Infusionen erhält.2

Was Schwangere selbst tun können

Es kursieren zahlreiche Tipps, wie Schwangere durch Änderungen ihrer Ernährung und/oder ihres Lebensstils die Übelkeit lindern können. Dazu gehört, genug zu trinken, die Ernährung auf kleinere fettarme Mahlzeiten umzustellen und schon vor dem Aufstehen eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen, zum Beispiel einen Zwieback. Auch wird empfohlen, Auslöser für die Übelkeit zu erkennen – etwa bestimmte Gerüche, Nahrungsmittel oder stressige Situationen – und diese dann zu meiden, soweit möglich. All diese Tipps sind bisher unzureichend in Studien untersucht.2 Es spricht jedoch nichts dagegen, dass jede Frau einfach ausprobiert, was davon ihr gut tut.

Oft zu wenig untersucht

Was aber, wenn das nicht ausreicht? Aus gutem Grund wird in der Schwangerschaft sorgfältig abgewogen, ob eine Behandlung mit Medikamenten tatsächlich notwendig ist. Denn manchmal wissen wir nicht genügend darüber, ob sich das Mittel möglicherweise schädlich auf das Ungeborene auswirkt. Das zeigte sich in den 1960er Jahren bei dem Beruhigungsmittel Contergan, das schwere Fehlbildungen verursachte.

Eine Konsequenz daraus ist allerdings auch, dass nur wenig zu Nutzen und Sicherheit von Medikamenten in der Schwangerschaft geforscht wird, und zu vielen Arzneimitteln entsprechend wenige Daten vorliegen. So ist es auch bei Mitteln zur Behandlung der Übelkeit in der Schwangerschaft.

Neues Präparat in Deutschland verfügbar

Das ist vermutlich einer der Gründe, warum es in Deutschland bisher keine zugelassenen Medikamente für diesen Zweck gab. Seit Juli 2019 ist allerdings ein Medikament zur Behandlung von Schwangerschaftserbrechen bei erwachsenen Schwangeren zugelassen. Es enthält die seit vielen Jahren bekannten Wirkstoffe Doxylamin und Vitamin B6 (Pyridoxin).

Diese Wirkstoffkombination ist seit Jahrzehnten in Kanada und seit 2013 in den USA gegen Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft zugelassen. Allerdings schätzen die dortigen Behörden ihren Nutzen als unklar beziehungsweise gering ein. Der Grund: Die Kombination besserte die Beschwerden im Vergleich zu Placebo nur wenig und die betreffende Studie lässt viele Fragen offen. Da es nach Einschätzung der kanadischen Arzneimittelbehörde aber keine bessere sichere Alternative gibt, ist das Mittel dort weiterhin im Einsatz.1

Auch das Berliner Institut für Embryonaltoxikologie (Embryotox) nennt die Kombination von Doxylamin und Vitamin B6 bei Schwangerschaftserbrechen als ein Medikament der Wahl.3 Es ist allerdings unklar, ob die Kombination der beiden Wirkstoffe besser hilft als jeder Wirkstoff allein. Nicht untersucht ist bislang, ob das Medikament auch bei Hyperemesis gravidarum helfen oder sie sogar verhindern kann.1

Unerwünschte Wirkungen möglich

Allerdings kann die Doxylamin-Vitamin   B6-Kombination unerwünschte Effekte haben, wie Schläfrigkeit oder Schmerzen in Rücken und Gliedmaßen. Auch Blutungen aus der Scheide, Mundtrockenheit und Verstopfung können auftreten. Die Behörden in den USA und Kanada sehen jedoch kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen.1

Andere Mittel

Bisher wurden gegen Schwangerschaftsübelkeit weitere Medikamente eingesetzt. Sie sind jedoch in Deutschland dafür nicht zugelassen, und es liegen keine besseren Daten zur Wirksamkeit vor. Dazu gehören Diphenhydramin, Dimenhydrinat, Vitamin B6 allein und Metoclopramid.

Früher wurde auch Ondansentron verwendet. Inzwischen ist aber bekannt, dass es das Risiko für Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten leicht erhöht. Deshalb sollte der Wirkstoff im ersten Schwangerschaftsdrittel nicht verwendet werden.1

Ingwer als Tee oder Sirup wird manchmal als Hausmittel bei Schwangerschaftsübelkeit empfohlen. Ob das tatsächlich hilft, ist aber unzureichend untersucht. Laut Embryotox gibt es bisher keine Anhaltspunkte für schädliche Wirkungen auf das Ungeborene.4 Bei Präparaten mit gemahlener Ingwerwurzel – die für Schwangerschaftserbrechen auch gar nicht zugelassen sind – rät die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) wegen unzureichender Daten von der Anwendung in der Schwangerschaft ab.1

Fazit

Wenn bei Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft andere Maßnahmen nicht ausreichend helfen, ist das nun verfügbare Präparat mit den Wirkstoffen Doxylamin und Vitamin B6 eine Option. Allerdings wären bessere Informationen zu Nutzen und Risiken wünschenswert. Und: Glücklicherweise verschwinden die Beschwerden normalerweise nach einiger Zeit von selbst.

Arzneimittel und Schwangerschaft
GPSP 3/2015, S. 19

Contergan
GPSP 4/2019, S. 8

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2020 / S.22