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Schuppenflechte: Patienten im Visier der Industrie

Rundum befragt - rundum betreut

Schuppenflechte (Psoriasis) ist eine unangenehme Hauterkrankung und ihre Behandlung nicht immer erfolgreich. Das trifft auch auf neue Medikamente zu, die teuren, oft schlecht verträglichen Biologika.1 Arzneimittelfirmen scheint das geradezu zu animieren, sich neue Strategien der Vermarktung auszudenken.

Neuerdings hören wir von Psoriasis- Selbsthilfegruppen, dass sie häufiger Anrufe von Marktforschungsfirmen erhalten, die gerne Gespräche mit Patienten führen möchten. Für ausführliche Interviews oder Patienten- Tagebücher werden 250 € bis 400 € gezahlt. Solche Informationen „aus erster Hand“ dienen aber nicht nur dem Marketing, das Werbung mit Patientenschicksalen anreichert (Werbung – Aufgepasst! GPSP 3/2009). Sie können auch für die persönliche Ansprache der Kranken durch Pharmahersteller missbraucht werden.

© Thomas Kunz

Die Firma Abbott, Hersteller des Psoriasis-Mittels Adalimumab (Humira ®), bietet Patienten gleich einen umfassenden Service an, der „viele nützliche Hilfestellungen für den Alltag zur Verfügung“ stellt. Mit dabei ist aber nur, wer sich registrieren lässt und damit persönliche Daten preisgibt. Erst danach steht ihm Betreuung durch ein Call-Center und eine Krankenschwester zur Verfügung. 2,3 Als Abbott nun auch noch Patienten einen 15 €-Gutschein versprach, wenn sie Humira® über eine niederländische Versandapotheke bestellen, platzte etlichen Apothekern der Kragen. Sie drohten – nicht ganz uneigennützig – mit einem Boykott von Abbott-Produkten.3

Die Firma behauptete zwar, sie „verdiene nichts an der Kooperation, es handele sich nur um einen „Service für Patienten“.4 Das sehen Apotheker jedoch anders und werfen Abbott vor, „über einen Pseudoservice Adressen von Patienten zu sammeln“.4 Bei einem Preis von 1.903 € oder 5.228 € (je nach Packungsgröße) fallen mickrige 15 € als Geschenk an die Patienten kaum ins Gewicht. Den Vertrag mit der Versandapotheke beendete Abbott nach der harschen Kritik und teilte mit: „Man führe Gespräche mit den Apothekenverbänden über Kooperationsmöglichkeiten“.

Selbsthilfegruppen befürchten, dass sich Arzneimittelfirmen künftig stärker in die Behandlung einmischen.5 Seit Januar 2011 ist das sogar ganz legal möglich. Im Rahmen der sogenannten „integrierten Versorgung“ können Krankenkassen Verträge mit kommerziellen Anbietern abschließen, die dann die Kassenpatienten bei bestimmten Erkrankungen rundum versorgen.

Wenn nun Pharmahersteller Servicefirmen gründen, die die Versorgung übernehmen, könnten diese durchaus versucht sein, Patienten auch dann zu den firmeneigenen Medikamenten zu überreden, wenn diese gar nicht die beste Behandlungsmöglichkeit sind. Eine Umfrage zeigt, dass Pharmafirmen längst in den Startlöchern stehen und Krankenkassen ihnen teilweise die Tore öffnen.6

Bereits angelaufen ist eine erste Vereinbarung für Schizophrenie-Patienten, und zwar zwischen der AOK Niedersachsen und der I3G GmbH. Diese Firma ist eine 100%ige Tochter von Janssen-Cilag – einem führenden Hersteller von Medikamenten gegen Schizophrenie.7 Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2011 / S.05