Zum Inhalt springen
©Jakob Frey-Schaaber

Osteoporose

Aktiv für stabile Knochen

Mit dem Alter wächst die Sorge vor Osteoporose – auch Knochenschwund genannt. Denn wenn mit der Zeit zu viel Knochengewebe verloren geht, kann das unangenehme Folgen haben: Rückenschmerzen, Abnahme der Körpergröße durch zusammensackende Wirbel und leicht brechende Knochen. Vor allem Frauen sind betroffen. Eine Behandlung kann helfen, die Gefahr von Brüchen zu verringern. Aber lohnt es sich, auf eigene Kosten schon vorbeugend die Knochendichte messen zu lassen? Und was kann man selbst tun, um seine Knochen zu stärken?

Knochen sind durch ihr Material und ihre Struktur Wunderwerke an Stabilität. Außen haben sie eine feste Schicht. Das Innere besteht aus feinen vernetzten Knochenbälkchen und gleicht im Aussehen einem Schwamm. Zwischen den stabilisierenden Knochenbälkchen befindet sich das Knochenmark. Wie fest und tragfähig der Knochen ist, hängt wesentlich von den eingelagerten Mineralien ab, vor allem von Kalziumsalzen. Was viele sich nur schwer vorstellen können: Unser Knochengewebe wird ständig umgebaut und erneuert. Man schätzt, dass innerhalb von 8 bis 10 Jahren die gesamte Substanz unseres Skeletts durch Ab- und Aufbauvorgänge ausgetauscht wird. Trotzdem bleiben Feinarchitektur und Stabilität normalerweise erhalten. Etwa ab dem 35. bis 40. Lebensjahr nimmt die Knochenmasse jedoch kontinuierlich, aber langsam ab. Das entspricht dem normalen Alterungsprozess.

Was ist Osteoporose?

Die Grenzen zwischen altersbedingtem Knochenschwund und Osteoporose sind fließend. Bei Osteoporose wird deutlich mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut – die Knochenmasse nimmt schneller ab als es dem Alter entspricht. Auch die Feinarchitektur der Knochen mit ihren inneren Verstrebungen geht teilweise verloren. Der Knochen (Osteo-) wird porös (porose). Dadurch nimmt die Stabilität ab. Es ist so, als hätte man am Eiffelturm Teile der Eckpfeiler und einige Querverstrebungen entfernt. Im fortgeschrittenen Stadium können Knochen bereits bei alltäglichen Belastungen oder ohne erkennbaren Grund brechen und dadurch Schmerzen verursachen.

Häufig ist Osteoporose eine eigenständige Krankheit („primäre“ Osteoporose). Sie kann aber auch die Folge einer anderen Erkrankung sein („sekundäre“ Osteoporose) wie zum Beispiel einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung oder einer Tumorerkrankung. Auch Medikamente können Osteoporose auslösen, wenn zum Beispiel höher dosierte Glukokortikoide („Cortison“) oder Schilddrüsenhormone über einen langen Zeitraum notwendig sind.

Wer an Osteoporose erkrankt, bemerkt dies anfänglich nicht unbedingt, denn manchmal treten keine Schmerzen auf. Ist aber, wie so oft, die Wirbelsäule betroffen, sind Rückenschmerzen ein erstes Anzeichen – vor allem dann, wenn die Wirbel ganz normalen Belastungen nicht mehr standhalten und zusammensacken („sintern“). Knochenschmerzen können auch durch „Mikrofrakturen“ entstehen. Diese sind so winzig, dass sie im Röntgenbild nicht als Formveränderungen der Wirbelkörper sichtbar sind. Wenn die Nerven, die zwischen den Wirbeln austreten, gedrückt werden, kann das starke akute Schmerzen auslösen.

Sintern die Wirbelkörper, nimmt die Körpergröße ab und die Brustwirbelsäule kann sich zu einem Rundrücken verkrümmen. Ältere Frauen nach den Wechseljahren sind besonders häufig betroffen („Witwenbuckel“). Mit den meist schmerzhaften Schäden an der Wirbelsäule kommt ein Teufelskreis in Gang: Die Fehlhaltung löst zusätzlich schmerzende Verspannungen der Muskulatur aus. Bewegung wird vermieden, was sowohl den Knochenabbau beschleunigt als auch die Muskulatur, die das Skelett stützt, schwinden lässt.

Vorbeugung:1 Was tun für die Knochen?

Ob man die Erkrankung an Osteoporose durch eigenes Verhalten ganz vermeiden kann, ist eher unwahrscheinlich. Aber jeder kann durch seine Lebensweise – etwa körperliche Aktivität und vollwertige Ernährung – einem frühzeitigen und beschleunigten Knochenabbau entgegenwirken. Je früher, desto besser, denn wer in jungen Jahren seine optimale Knochenmasse aufbaut, profitiert später davon, wenn sie altersbedingt abnimmt. Es ist übrigens fast nie zu spät, etwas für seine Knochenstabilität zu tun.

  • Bewegung stärkt die Muskeln und fördert durch mechanische Belastung den Knochenaufbau. Der Knochenverlust wird gebremst.
  • Verbesserung der „Geschicklichkeit“ ist ein positiver Nebeneffekt sportlicher Aktivitäten. Wer sich sicherer bewegt, ist weniger Sturz- und damit auch weniger Knochenbruch-gefährdet.1
  • Vollwertige Ernährung mit ausreichend Kalzium und Vitamin D gilt neben körperlicher Betätigung als Grundlage für möglichst stabile Knochen. Viel Kalzium enthalten Milch und Milchprodukte und manche Gemüse (Fenchel, Grünkohl, Brokkoli). Ein halber Liter Milch enthält z.B. 600 mg, 20 Gramm Emmentaler Käse 220 mg und 100 Gramm Fenchel oder Brokkoli 110 mg Kalzium. Auch Getränke, wie kalziumreiches Mineralwasser, sind geeignet. 1.000 mg Kalzium gelten als gute Tagesration. Größere Mengen scheinen das Risiko von Knochenbrüchen nicht weiter zu reduzieren.2 Vor allem ältere Menschen, die nicht genug essen, oder Personen mit Magen-Darm-Erkrankungen oder die sich einseitig ernähren, nehmen zu wenig Kalzium auf. In solchen Situationen sowie bei bekannten Risiken für Osteoporose (siehe Kasten S. 4) können Kalzium- und Vitamin D3 – Präparate angebracht sein.
  • Sturzgefahr mindern, sicher laufen und gut sehen. Was oft vergessen wird: Machen Sie Ihre Wohnung stolpersicher (GPSP 3/2007, S. 11) und tragen Sie rutschfeste Schuhe. Ihre Augen sollten Sie regelmäßig kontrollieren und die Brille anpassen lassen. Vorsicht mit Gleitsichtbrillen im Alter (GPSP 3/2011, S. 9).
  • Verzicht auf Rauchen kommt auch Ihren Knochen zu Gute. Dies gilt vor allem für Frauen.
  • Arzneimittel, die als Nebenwirkung den Knochenaufbau ungünstig beeinflussen, lassen sich oft nicht umgehen. Hier ist Ihr Arzt gefordert, denn eine optimale (niedrige) Dosierung kann vielfach diese Gefährdung beträchtlich verringern. Besondere Vorsicht und Zurückhaltung ist bei Arzneimitteln angebracht, die die Sturzgefahr erhöhen (z.B. Beruhigungs- und Schlafmittel).3

Wie wird Osteoporose festgestellt?

Die meisten Patienten, bei denen schließlich eine Osteoporose festgestellt wird, gehen zum Arzt, weil sie Rückenschmerzen plagen. Da die Grenzen zwischen altersbedingtem Knochenschwund und Osteoporose fließend sind, ist die Diagnose nicht einfach. Um andere Ursachen der Schmerzen auszuschließen, erfragen Arzt oder Ärztin die Art der Beschwerden, die Vorgeschichte (Anamnese) und untersucht Sie gründlich. Blutuntersuchungen helfen, andere Erkrankungen, die sich ungünstig auf den Knochen auswirken, zu entdecken (um sie gezielt zu behandeln) oder auszuschließen. Lassen sich andere Erkrankungen als Ursache der Schmerzen weitgehend ausschließen und bestehen mehrere Risikofaktoren (siehe Kasten), wird die Diagnose Osteoporose wahrscheinlicher. In diesem Fall kann eine Messung der Knochendichte hilfreich sein. Im fortgeschrittenen Stadium mit Wirbelsäulenschäden (Wirbelsinterungen, Keilwirbel) können Röntgenaufnahmen oder Computertomografie (CT) die Diagnose sichern.

Knochendichtemessung

Die Knochendichte wird meist mit einer niedrigen Dosis Röntgenstrahlen an der Wirbelsäule oder am Oberschenkelhals gemessen (DEXA-Methode). Je poröser ein Knochen ist, desto durchlässiger ist er für die Strahlen. Der so genannte T-Wert gibt darüber Auskunft. Die Methode kann sinnvoll sein, wenn bereits einiges für eine Osteoporose spricht und besondere Risikofaktoren für Knochenbrüche bestehen (siehe Kasten auf S. 4). Unter dieser Bedingung werden die Kosten von den Kassen erstattet. Ansonsten ist die Messung eine selbst zu zahlende IGeL-Leistung, die keinen Nutzen bringt. Es fehlen nämlich für die (altersabhängige) Knochendichte gesicherte Grenzwerte, ab denen eine bestimmte Therapie erfolgen sollte.

Behandlung mit Medikamenten

Ist eine Osteoporose festgestellt, wird versucht, die Krankheit mit Arzneimitteln aufzuhalten. Vor allem sollen (weitere) Wirbelschäden und Brüche anderer Knochen verhindert werden.

Ganz besonders älteren Menschen mit weiteren Risikofaktoren für Knochenbrüche wird sicherheitshalber die Einnahme von täglich 1.000 mg Kalzium empfohlen. Üblicherweise wird Kalzium (z.B. 1.000 mg) mit Vitamin D3 (z.B. 800-1.000 I.E.) kombiniert (s. auch GPSP 1/2009, S. 10). Vitamin D3 fördert die Kalziumaufnahme und soll sich positiv auf den Muskelstoffwechsel und die Gangsicherheit auswirken. Aber Vitamin D3 allein hilft nicht.4 Und: Höhere Dosierungen können zu Nierensteinen führen. In Studien mit Frauen nach den Wechseljahren haben Kalziumpräparate den Knochenverlust gebremst, besonders an Oberschenkeln und Unterarmen, weniger an der Wirbelsäule. Ob Kalziumpräparate Frauen im höheren Lebensalter vor Knochenbrüchen schützen, lässt sich aus den Studien nicht eindeutig ablesen.

Ist eine Osteoporose schon weiter fortgeschritten und mit Schmerzen verbunden, verordnet der Arzt meist ein so genanntes Bisphosphonat. Diese Stoffe lagern sich in die Knochen ein und hemmen den Abbau, indirekt aber auch die Neubildung von Knochengewebe – und damit den kontinuierlich stattfindenden Umbau. Die Knochendichte nimmt in den ersten Einnahmejahren um durchschnittlich 5% bis 10% zu.

Bisphosphonate senken die Häufigkeit von Knochenbrüchen (z.B. von Wirbelbrüchen) von 3,5% pro Jahr bei Personen, die kein Bisphosphonat einnehmen, auf 1,6% pro Jahr. Das bedeutet konkret: Etwa 60 Patienten müssen ein Jahr lang das Medikament einnehmen, um einer Person einen Knochenbruch zu ersparen. Das ist keine besonders eindrucksvolle Wirkung, aber immerhin ein nachgewiesener positiver Effekt.

Die einzelnen Bisphosphonate (siehe untenstehende Tabelle) unterscheiden sich nicht grundsätzlich in ihrer Wirkung und in der Häufigkeit unerwünschter Wirkungen. Wichtige Unterschiede gibt es bei der Anwendung und Dosierung: Tabletten müssen täglich, wöchentlich oder monatlich eingenommen werden, bei Injektionen genügen vier, bei Infusionen eine pro Jahr.

Die optimale Anwendungsdauer von Bisphosphonaten ist noch unklar. Der Nutzen scheint nach wenigen Jahren abzunehmen. Bestimmte unerwünschte Wirkungen nehmen hingegen mit der Zeit zu. Daher wird empfohlen, den Gebrauch von Bisphosphonaten auf fünf, vielleicht sogar auf nur drei Jahre zu begrenzen. Wahrscheinlich als Folge des beeinträchtigten Knochenumbaus kann es selten zu Knochen- und Gelenkschmerzen und Knochenschäden im Kiefer kommen.

Sofern eine Behandlung nützlich erscheint, sollten Sie vorher Ihre Zähne durch einen Zahnarzt kontrollieren und gegebenenfalls behandeln lassen. Während der Therapie ist sorgfältige Mundhygiene wichtig.5 Geschwüre in der Speiseröhre sind eine seltene, aber typische unerwünschte Folge von Bisphosphonat-Tabletten.

Diese müssen Sie daher mit reichlich Wasser bei aufrechtem Oberkörper einnehmen, damit sie schnell die Speiseröhre passieren.6 Auch Ihre Nierenfunktion muss regelmäßig überprüft werden.

Andere Medikamente

Gute Alternativen zu Bisphosphonaten fehlen leider. Die Möglichkeiten einer Anschlusstherapie werden dadurch eingeschränkt, dass sich andere Medikamente zur Behandlung der Osteoporose wegen ihres geringen Nutzens, unerwünschter Wirkungen oder wegen der schwierigen Anwendung nicht bewährt haben.7 Dazu gehören Östrogene und so genannte Hormonmodulatoren wie Bazedoxifen (Conbriza®), Nebenschilddrüsenhormone wie Teriparatid (Forsteo®) sowie Strontiumranelat (Protelos®) und spezielle Antikörper wie das vor einem Jahr in den Handel gebrachte Denosumab (Prolia®). Etliche dieser Medikamente können erheblichen Schaden anrichten.

Insgesamt kann jeder durch Ernährung und körperliche Aktivität eine Menge für die Gesunderhaltung seiner Knochen tun. Ist dennoch eine Osteoporose aufgetreten, stehen Medikamente zur Verfügung, die den weiteren Knochenschwund bremsen können. Eine Heilung in dem Sinne, dass durch neuen Knochenaufbau und Wiederherstellung der anatomischen Feinstruktur eine normale Stabilität erreicht wird, ist bisher jedoch nicht möglich.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2011 / S.04