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© Jakob Frey-Schaaber

Herzrhythmusstörungen durch Medikamente

Risiko in Produktinformationen nicht immer genannt

Manche Arzneimittel können das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen. Eine aktuelle Analyse zeigt: In einigen Fällen steht dazu nichts Konkretes in den Produktinformationen.

Dass einige Medikamente die elektrische Leitung im Herzmuskel beeinflussen können, ist seit vielen Jahren bekannt (siehe Kasten). Das betrifft sowohl die Ausbreitung des elektrischen Impulses im Herzen als auch dessen Rückbildung. Wenn Letzteres beeinträchtigt wird, sprechen Fachleute nach dem Bild, das sich im EKG ergibt, von einer Verlängerung der QT-Zeit. Damit steigt das Risiko für bestimmte Formen von potenziell lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (Torsade-de-pointes-Arrhythmien), die zu Kammerflimmern und Herzstillstand führen können.

Fachinformation versus Datenbank

Leider finden sich in den Produktinformationen von in Deutschland häufig verordneten Medikamenten nicht bei allen Präparaten entsprechende Hinweise. Darauf weist eine aktuelle Analyse hin.2

In der Untersuchung hatten die Autor:innen die Angaben in den deutschen Produktinformationen mit denen in der internationalen Datenbank CredibleMeds verglichen. Die Datenbank teilt Medikamente, die die QT-Zeit verlängern, in drei mögliche Risikogruppen ein:

  1. Œ Bekanntes Risiko: Torsade-de-pointes-Arrhythmien sind eine bekannte Nebenwirkung des Wirkstoffs.
  2.  Mögliches Risiko: Es verlängert sich nur die QT-Zeit, das tatsächliche Risiko für die Herzrhythmusstörung ist aber unklar.
  3. Ž Bedingtes Risiko: Die Herzrhythmusstörung tritt nur unter bestimmten Bedingungen auf.
    Die Analyse zeigte: Es fehlten in den Produktinformationen bei etwa acht Prozent der Wirkstoffe mit bekanntem Risiko und bei rund einem Viertel der Wirkstoffe mit bedingtem oder möglichem Risiko entsprechende Hinweise.

Neue Erkenntnisse

In der Zwischenzeit haben sich die Produktinformationen für zwei Wirkstoffe mit bekannten Risiken geändert, zuletzt bei dem Alzheimer-Mittel Donepezil: Die Anbieter von Medikamenten mit diesem Wirkstoff veröffentlichten im Dezember 2021 einen Rote-Hand-Brief. Darin informieren sie über das Risiko für QT-Zeit-Verlängerungen. Künftig werden sich in den Produktinformationen der betroffenen Präparate entsprechende Hinweise finden.3

Ältere Präparate: Unzureichend erforscht

Für die Zulassung von Arzneimitteln in der EU und den USA müssen Anbieter erst seit 2005 systematische Untersuchungen zu einer möglichen QT-Zeit-Verlängerung vorlegen. Bei älteren Medikamenten sind Fachleute und Patient:innen daher auf schwieriger zu interpretierende Auswertungen von Beobachtungsdaten, Verdachtsmeldungen von Nebenwirkungen und nachträgliche Sicherheitsstudien angewiesen. Bis sich dann etwas bewegt, kann aber dauern. 2007 musste zum Beispiel der Hustenblocker Clobutinol wegen des Risikos für QT-Zeit-Verlängerung vom Markt genommen werden – 46 Jahre nach seiner Zulassung.4 Eine übersichtliche Liste für Patient:innen zu Medikamenten mit solchen Nebenwirkungen gibt es leider nicht.

Was tun?

Wer weiß, dass bei ihm oder ihr bestimmte Risikofaktoren vorliegen (siehe rechts), sollte in der Arztpraxis bei der Verordnung neuer Medikamente sicherheitshalber darauf hinweisen. In einigen Fällen sind bei der Behandlung mit bestimmten Arzneimitteln vorab ein EKG-Check und regelmäßige Kontrollen vorgesehen. Wer mit einem neuen Medikament unerwartet Herzrasen verspürt, sollte das ärztlich abklären lassen. Apotheken können darüber Auskunft geben, ob für ein bestimmtes Medikament bekannt ist, dass es die QT-Zeit verlängert oder ob mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bestehen.

https://gutepillen-schlechtepillen.de/ein-rest-unsicherheit-bleibt/

 

Beobachtungsstudien: Was ist das?

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2022 / S.22