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Keine gute Idee: Screening auf Eierstock-Krebs

Eierstock-Ultraschall als Kassenleistung?

Die Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke als sogenanntes Screening – also ohne dass irgendwelche Beschwerden vorliegen – ist ein häufig verkauftes „IGeL“-Angebot. Frauen müssen es aus eigener Tasche bezahlen. Es gibt bisher jedoch keine zuverlässigen Hinweise, dass sich damit Eierstockkrebs generell früher erkennen und erfolgreicher behandeln lässt. Warum fordert eine medizinische Fachgesellschaft dann, dass Krankenkassen die Untersuchung künftig bezahlen sollen?

Krebsfrüherkennung (im Sinne eines „Screenings“) klingt intuitiv sehr sinnvoll. Und die Angst vor Krebs ist groß. Doch nur wenige Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung verhindern nachweislich Todesfälle durch die jeweilige Erkrankung. Und keine Testmethode liefert zu 100 Prozent richtige Ergebnisse. Krebs kann also übersehen werden oder der Test schlägt möglicherweise falschen Alarm, obwohl überhaupt keine Krebszellen vorhanden sind. Es kann auch zu Überdiagnosen kommen. Man erhält dann die Diagnose Krebs, obwohl dieser überhaupt nicht oder nur sehr langsam wächst. Er würde also nie Beschwerden verursachen und wäre ohne die Früherkennung nie aufgefallen. Nutzen und Schaden der jeweiligen Untersuchung muss jede und jeder für sich also immer sehr genau abwägen. Das ist oft leichter gesagt als getan.

Gesetzlich oder IGeL?

Um den Hintergrund zu verstehen: Einige Methoden der Krebsfrüherkennung sind in Früherkennungsprogrammen organisiert, bei denen eine Qualitätssicherung stattfindet und deren Kosten die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen. Diese Früherkennungsmaßnah­men sind einigermaßen gut untersucht und die Versicherten erhalten Entscheidungshilfen, in denen Erkenntnisse zu Nutzen und Schaden systematisch und verständlich aufbereitet sind. Das macht informierte Entscheidungen für oder gegen die Teilnahme möglich.1

Anders sieht es dagegen mit Angeboten zur Krebsfrüherkennung aus, die als „individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL) offeriert werden. Und das sind nicht wenige: Etwa 15 Millionen Selbstzahlerleistungen rechneten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen 2018 ab und machten damit schätzungsweise rund eine Milliarde Euro Umsatz.2 Bei vier von fünf IGeL geht es um Früherkennung und Prävention.3

Häufig untersucht und häufig falsch

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© Darunechka/ iStockphoto.com

Das meistgenutzte IGeL-Angebot bei Frauen ist der Ultraschall der Eierstöcke zur Früherkennung von Eierstockkrebs. Anders als eine jährliche gynäkologische Untersuchung mit Abtasten ist das keine Kassenleistung. Der Grund: Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen bringt die Ultraschalluntersuchung Frauen ohne besondere Risikofaktoren – etwa familiärer Veranlagung – keinen Nutzen. Denn sie führt nicht dazu, dass weniger Frauen an Eier­stockkrebs sterben.

Allerdings kann die Untersuchung schaden: Zeigen sich beim Ultraschall Auffälligkeiten, muss der Verdacht weiter abgeklärt werden. Üblicherweise wird bei Krebsverdacht aus dem betreffenden Gewebe – etwa der Brust – eine Gewebeprobe per Nadel entnommen. Bei den Eierstöcken ist das nicht möglich, weil sich Krebszellen im Bauchraum verteilen könnten. Deshalb wird der verdächtige Eierstock entfernt  – allerdings ganz unnötig, wenn sich der Krebsverdacht anschließend als Fehlalarm herausstellt.4

Es spricht also mehr gegen diese Untersuchung als dafür. Zu dieser Einschätzung kommen übrigens verschiedene Institutionen wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG),5 der IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS),4 das US-amerikanische Komitee für Präventionsfragen (United States Prevention Services Taskforce, USPSTF)6 und auch die deutsche Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Eierstockkrebs, die Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte gibt.7

Informierte Entscheidung?

Ob Frauen über fehlenden Nutzen und potentiellen Schaden des Eierstock-Ultraschalls ausreichend informiert werden, ist unklar. Nach einer Erhebung des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO), hat nur etwa die Hälfte der Befragten angegeben, dass Arzt oder Ärztin mit ihnen über die Zuverlässigkeit der Untersuchung gesprochen haben.2

Auch deutet eine Analyse des IGeL-Monitors darauf hin, dass medizinische Notwendigkeit nicht immer das entscheidende Kriterium ist, IGeL anzubieten: Jede dritte Ultraschall-Untersuchung der Eierstöcke wird bei 20- bis 39-Jährigen durchgeführt. Auf diese Altersgruppe entfällt aber nur jede 17. Erkrankung.3 Das lässt darauf schließen, dass auch finanzielle Anreize eine wichtige Rolle spielen: Für die IGeL-Untersuchung stellen Ärztinnen und Ärzte bis zu 55 Euro in Rechnung.4

Fachgesellschaft will Kassenleistung

Vor diesem Hintergrund erscheint eine Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM)8 doch sehr verwunderlich: Darin wird gefordert: „[…] das Ultraschallverfahren zur Früherkennung von Eierstockkrebs sollte künftig eine Leistung der Krankenkassen werden – auch wenn kein akuter Verdacht auf Eierstockkrebs besteht.“ Mit diesem Verfahren sei „eine frühe Diagnose der Erkrankung gut möglich, wodurch die Überlebensrate der Patientinnen deutlich verbessert werden“ könne. Wohlgemerkt war die DEGUM an der Leitlinie Eierstockkrebs beteiligt und hat die Aussagen gegen das Screening mitgetragen. Gibt es etwa neue Erkenntnisse, die die bisherigen vollkommen infrage stellen?

Keine überzeugenden Daten

Auf Nachfrage von GPSP beruft sich die DEGUM auf vier Untersuchungen, von denen drei noch nicht einmal in Ansätzen geeignet sind, einen Nutzen des Ultraschall-Screenings zu belegen – denn sie haben nicht die richtige Fragestellung.

Lediglich eine Studie, die 2018 veröffentlicht wurde, verglich die jährliche Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an einer Ultraschalluntersuchung.9 Allerdings waren die Frauen nicht nach dem Zufallsprinzip auf die beiden Vergleichsgruppen aufgeteilt. Deshalb ist es unsicher, ob die Ausgangsbedingungen in der Studie tatsächlich gleich waren. Das kann die Ergebnisse deutlich verzerren.

Problematisch ist auch, wie der vermeintliche Nutzen des Screenings gemessen wurde, nämlich mit der Überlebenszeit nach der Diagnosestellung, nicht mit der Überlebenszeit insgesamt (siehe Kasten links). Diese Studie ist also nicht geeignet, einen Nutzen des Ultraschallscreenings für gesunde Frauen ohne Risikofaktoren oder Symptome zu belegen. Vielmehr zeigt sich ein deutlicher Schaden: So wurden zur Abklärung des Ultraschallbefundes bei rund 700 Frauen die Eierstöcke entfernt – aber bei fast 600 davon fanden sich keine bösartigen Tumore.

Zweifel an fairer Aufklärung

Laut DEGUM soll ein Screening mit hochwertigen Ultraschallgeräten und speziell qualifizierten Fachärzten sinnvoll sein – aber den Nachweis dafür kann die Fachgesellschaft mit den zitierten Studien nicht führen. Außerdem ignoriert die Pressemitteilung den Schaden, den die oben genannte Studie deutlich macht.

Was die DEGUM dazu motiviert hat, trotz der wackligen Studienlage weitreichende Forderungen aufzustellen, darüber lässt sich nur spekulieren. Klar ist jedoch: Zu einer ausgewogenen Information von Frauen tragen die unbelegten Aussagen nicht bei – und sie lassen auch Zweifel aufkommen, ob Nutzen und Risiken beim Verkauf der IGeL-Leistung in der Arztpraxis tatsächlich immer korrekt und vollständig dargestellt werden.

 

Tücken des Screenings
GPSP 3/2017, S. 19

IGeL
GPSP 6/2011, S. 3

Zufällige Zuteilung
GPSP 2/2019, S. 24

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2019 / S.04