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© Gustavo Muñoz Soriano/iStock

Homöopathie-Studien: Nur Positives veröffentlicht?

Neue Analyse erhöht Zweifel am Nutzen von Globuli

Hat die Homöopathie doch einen Nutzen? Schließlich gibt es auch einige positive Studien. Dafür könnte es nach einer aktuellen Auswertung einen ganz einfachen Grund geben.

In Deutschland tobt ein Streit um die Homöopathie. Gerade hat der Deutsche Ärztetag die Homöopathie aus der ärztlichen Weiterbildungsordnung gestrichen und den Schritt auch mit dem Fehlen wissenschaftlicher Nachweise für die Wirksamkeit der Homöopathie begründet. Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte kontert, dass es durchaus Studien gebe, die einen Nutzen für die Homöopathie zeigten. Was stimmt nun?

Eine mögliche Antwort liefert eine Analyse von Forscher:innen aus Österreich und den USA: Sie legt nahe, dass auf die Gesamtheit der homöopathischen Forschung und daraus abgeleiteten Analysen wenig Verlass ist. Denn vermutlich wurden hauptsächlich die positiven Studien veröffentlicht, die negativen blieben überwiegend in der Schublade.

Nur zufällig positiv?

Um den Nutzen von Medikamenten zu untersuchen, vergleichen medizinische Studien Patient:innen, die nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Gruppen zugeteilt wurden (randomisierte kontrollierte Studien). Eine Gruppe bekommt beispielsweise die zu untersuchende Substanz (bei diesem Fall ein homöopathisches Mittel), eine andere Gruppe bekommt als Vergleich ein Scheinmedikament (Placebo). Dann wird geprüft, ob die Gruppe mit dem homöopathischen Mittel besser abschneidet als die Kontrollgruppe.

Selbst wenn ein Mittel nicht besser wirkt als Placebo, kann es dennoch passieren, dass es durch zufällige Effekte in einer Studie besser abschneidet, gerade wenn es eine eher kleine Studie ist. Wird dieselbe Fragestellung (mehrfach) mit ausreichend vielen Teilnehmenden untersucht, spiegelt das Gesamtergebnis dieser Studien deutlich zuverlässiger den „wahren“ Effekt wider. Deshalb ist es so wichtig, nicht nur eine einzelne Untersuchung, sondern alle zur gleichen Fragestellung zusammen anzuschauen. Das passiert in systematischen Übersichtsarbeiten.

Das Wissen zum Nutzen wird jedoch verfälscht, wenn nicht alle Studienergebnisse veröffentlicht werden. Wird nur die eine positive Studie veröffentlicht, aber nicht die anderen, bei denen sich kein Effekt zeigte, entsteht der falsche Eindruck, das Mittel sei wirksam. Das nennen Fachleute Publikationsbias, also Verzerrung der Studienlage durch fehlende Veröffentlichung.

Was gegen Schummeln hilft

Dieses Problem wird in der medizinischen Forschung häufig thematisiert. Denn es gibt tatsächlich vielfache Anreize dafür, nur solche Studien zu veröffentlichen, die einen positiven Effekt zeigen. Negativstudien werden aus vielerlei Gründen deutlich seltener veröffentlicht.
Solche Schummeleien brauchen Gegenmaßnahmen. Darum wurde die Verpflichtung zur Registrierung aller Studien eingeführt: Medizinische Studien sollen schon vor deren Durchführung in zentralen Registern angemeldet werden. Damit wird die Existenz der Studien öffentlich, bevor ermittelt wird, ob sich ein positiver Effekt zeigt oder nicht. Außerdem muss der Versuchsaufbau dargestellt werden. So können nachträgliche Anpassungen der Ziele erkannt werden. Wissenschaftliche Fachzeitschriften sind angehalten, nur noch Studien zu veröffentlichen, die vorher auch registriert wurden.

Oft nicht registriert

Das österreichisch-amerikanische Team konnte nachweisen, dass dieser Mechanismus bei der Homöopathie-Forschung nicht hinreichend funktioniert.1,2 Die Wissenschaftler:innen suchten in medizinischen Literaturdatenbanken nach randomisierten kontrollierten Studien mit Homöopathika, die zwischen 2002 bis 2021 erschienen sind. Sie fanden 193 derartige Studien. Doch davon waren 53 Prozent, also die Mehrheit, anscheinend nicht registriert worden.

Viele nicht veröffentlicht

Andererseits ist aber auch bei den registrierten Studien die Welt nicht in Ordnung. Die Wissenschaftler:innen fanden 91 registrierte Homöopathie-Studien. Dabei machten sie schon 2019 einen Schnitt, um den Autor:innen genügend Zeit für eine Publikation zu lassen. Dann suchten sie in medizinischen Datenbanken nach Veröffentlichungen der Studienergebnisse. Bei 34 Studien – also gut bei einem Drittel – konnten sie keine Artikel finden. Auch Nachfragen bei den Autor:innen halfen nicht weiter.

Nachträglich geändert?

Bei mehr als der Hälfte erfolgte die Registrierung erst, während die Studie lief. Ob der dargestellte Versuchsaufbau der ursprünglichen Planung entspricht, ist so nicht nachvollziehbar. Das ist aber wichtig, denn sonst wäre es so, als ob bei einem Schützenwettbewerb die Zielscheibe nachträglich um die Treffer gemalt würde.

Bei einem Viertel der Studien war die Hauptfragestellung der Untersuchung zwischen Registrierung und Veröffentlichung geändert worden. Auch diese Praktiken widersprechen Standards für gute Wissenschaft, da sie zusätzliche Möglichkeiten der Manipulation bieten.

Was wird verschwiegen?

Die Wissenschaftler:innen fanden also, dass von den registrierten Homöopathie-Studien ein großer Teil nicht veröffentlicht wurde und dass von den veröffentlichten Studien die Mehrheit nicht registriert ist. Damit bestätigen sie eine ältere Analyse zum gleichen Thema. Insgesamt lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass es viele Homöopathie-Studien gibt, von denen die Öffentlichkeit nichts erfährt.
Es muss davon ausgegangen werden, dass dies mehrheitlich Studien sind, die eben keinen Nutzen für die Homöopathie zeigen konnten. Zusammen mit der letztlich nicht nachvollziehbaren Wirkungsweise der Homöopathie legt die Untersuchung nahe, dass es sich bei den vermeintlich erfolgreichen Homöopathie-Studien letztlich um Zufallsprodukte handelt.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2022 / S.25