Für den Notfall eingepflanzt
Wie funktioniert ein Defibrillator?
Ein implantierter Defibrillator, kurz ICD oder „Defi“, ist lebensrettend, wenn das Herz viel zu schnell schlägt oder nur noch flimmert und damit zu wenig oder gar kein Blut mehr pumpt. Er gibt dann elektrische Impulse an das Herz ab. Danach kann es wieder im gewöhnlichen Rhythmus schlagen. Wer schwer herzkrank ist, sei es etwa durch Herzschwäche oder nach einem Herzinfarkt, und ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod durch Rhythmusstörungen hat, kann von einen ICD profitieren.
Ein implantierter Defibrillator (ICD) ist ein besonderer Herzschrittmacher. Er überwacht kontinuierlich den Herzrhythmus. Kommt es zu einer lebensbedrohlichen Situation durch zu schnelle oder zu langsame Herzaktion, wird er aktiv. Durch einen stärkeren Stromstoß (Elektroschock) oder eine kurze Serie von Elektroimpulsen wird die Rhythmusstörung beendet und damit auch die unmittelbare Lebensgefahr.
Wem nützt ein Defi?
ICDs sollen in erster Linie den plötzlichen Herztod durch Kammerflimmern verhindern. Eine Empfehlung von Arzt oder Ärztin für einen Defi bekommen vor allem zwei Gruppen von Menschen:
- Nachsorge nach einer lebensbedrohlichen Herzattacke (Sekundärprävention): Wer schon bedrohliche Kammertachykardien (eine Herzfrequenz von über 200 Schlägen pro Minute) oder Kammerflimmern (über 300 Schläge pro Minute) hatte und dem plötzlichen Herztod durch erfolgreiche Reanimation entgangen ist.
- Vorsichtsmaßnahme, damit es nicht zu einer lebensbedrohlichen Situation kommt (Primärprävention): Wer weder Kammertachykardien noch Kammerflimmern hatte, aber ein hohes Risiko dafür hat.
Ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod haben vor allem Menschen mit stark verringerter Pumpleistung der linken Herzkammer. Ursache kann ein großer Herzinfarkt sein oder bestimmte angeborene oder erworbene Herzmuskelerkrankungen (genetisch bedingte Kardiomyopathien oder Stoffwechselerkrankungen mit Ablagerung spezieller Eiweiße in der Herzmuskulatur). Auch eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) kann die Pumpleistung vermindern. In solchen Fällen führen Arzt oder Ärztin meist mehrere Untersuchungen durch, um abzuklären, ob tatsächlich ein hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod besteht.
Wie funktioniert es?
Ein ICD ist ein Hochleistungscomputer, etwa in der Größe einer flachen Streichholzschachtel und wiegt rund 80 Gramm. Meist wird er unterhalb des linken Schlüsselbeins unter die Haut oder unter den Brustmuskel implantiert. Vom ICD-Aggregat führen ein oder mehrere Kabel (Elektroden) meist über das Venensystem in die rechte Herzhälfte (siehe Abbildung).
Über diese Elektroden wird nicht nur der Herzrhythmus kontinuierlich überwacht. Bei Bedarf können sie auch Strom abgeben: entweder mit niedriger Stärke zur Einzelstimulation bei zu langsamem Herzschlag (Schrittmacherfunktion), als schnelle Stimulationsfrequenz bei Kammertachykardien (Überstimulation) – oder als hochenergetischer Schock bei Kammerflimmern (Defibrillation).
Leben mit einem ICD
Das ICD-Implantat schränkt das Alltagsleben kaum ein. Je nach Herzgrunderkrankung oder dann, wenn der ICD in Aktion getreten ist (siehe S. 6), muss jedoch einiges unbedingt beachtet werden.
Sport ist möglich, es gibt sogar Leistungssportler, die einen ICD tragen. Von Kampfsportarten und Flaschentauchen über fünf Meter Tiefe wird jedoch abgeraten.
Es ist nicht gefährlich, Menschen mit einem implantierten ICD zu berühren. Selbst dann nicht, wenn das Aggregat gerade aktiv ist und Stromimpulse abgibt. Enges Umarmen oder Sex ist somit für den Partner nicht riskant. Bei einem Notfall mit Wiederbelebung ist auch die Herzdruckmassage möglich, selbst wenn der ICD gleichzeitig auslöst. In solchen Fällen kann der Retter einen leichten Stromstoß spüren.
Aufgepasst bei Magnetfeldern
Wie bei allen Schrittmachern müssen ICD-Träger stärkere Magnetfelder meiden, weil sie die Funktion stören können. Das betrifft vor allem elektrische Werkzeuge, Therapiegeräte (TENS) oder auch Wärmedecken. Metalldetektoren, zum Beispiel an Flughäfen, dürfen nicht durchschritten werden. Um lange Diskussionen mit dem Sicherheitspersonal zu vermeiden, ist es gut, einen ICD-Ausweis dabei zu haben. Dann werden Sie von Hand abgetastet. Auch eine Untersuchung mit einem MRT ist mit den meisten ICDs nicht möglich.
Eine Interaktion mit Mobiltelefonen oder anderen elektronischen Kleingeräten ist theoretisch denkbar, praktisch aber kein echtes Problem, sofern ein kleiner Sicherheitsabstand eingehalten wird. Ungefährlich sind bei technisch einwandfreien ICDs Mikrowellen, Mobiltelefone, Induktionskochfelder, Infrarotsender, Elektroautos etc. Zwei Fachgesellschaften haben 2019 eine Liste von bedenklichen und unbedenklichen Geräten veröffentlicht.1
Autofahren und OP
Patienten mit ICD dürfen privat einen Pkw lenken, als Berufskraftfahrer dürfen sie aber in aller Regel nicht mehr arbeiten. Ist der ICD frisch implantiert, gilt ein Fahrverbot für ein bis zwei Wochen, nach einer Defibrillation für drei Monate. Man geht allerdings davon aus, dass sich ein Drittel der Patienten nicht an diese Vorgaben hält.2
Wenn bei Operationen ein Elektro-Kauter zur Blutstillung verwendet wird, muss der ICD für die Dauer des Eingriffs ausgeschaltet sein.
Die Inaktivierung eines ICDs erfolgt durch Fachpersonal von außen mithilfe eines Programmiergerätes. Gleiches gilt für die Programmierung der Therapieregeln, die etwa festlegen, wann mit welcher Energie geschockt werden soll.
Und am Lebensende
Das bedeutet auch, dass das Gerät am Ende des Lebens auf Wunsch der Patientin oder des Patienten ausgeschaltet werden kann. Am besten ist es, dies frühzeitig mit den Angehörigen zu besprechen und in einer Patientenverfügung festzulegen. Ansonsten könnte der ICD den Sterbeprozess unerwünscht verlängern, weil er das Herz, das zu schlagen aufhört, weiter stimuliert.
Was passiert, wenn …?
Wurde der ICD als Defibrillator aktiv, ist das Leben danach oft anders. Der Stromimpuls fühlt sich an wie ein starker Schlag auf die Brust. Er kann unverhofft kommen, doch meist geht der Auslösung des Defibrillators Herzrasen oder ein Gefühl von Ohnmacht voraus. Wer ohnmächtig wird, nimmt den Stromschlag meist gar nicht wahr. Auch wenn klar ist, dass er lebensrettend war, bleibt beim Betroffenen oft das Gefühl, dem Gerät hilflos ausgeliefert zu sein. Wer schon häufiger einen Elektroschock erlebt hat, kann traumatisiert sein und sogar eine Angststörung entwickeln. Eine psychologische Vor- und Nachbereitung durch speziell geschultes Personal sollte daher heute selbstverständlich sein.
Mögliche Komplikationen
Neben der psychischen Belastung kann eine ICD-Behandlung weitere Schwierigkeiten bereiten. Schon während und unmittelbar nach der Implantation treten bei etwa 3 von 100 Patienten Probleme auf. Dazu gehören Verletzungen der Lunge (Pneumothorax) beim Punktieren der Venen, Herzwandperforationen, Wandern der Elektrodenspitzen und größere Blutergüsse.
Später können vor allem die Elektroden Komplikationen verursachen, weil sie etwa wandern. Oder die Schrittmachertasche unter der Haut infiziert sich. Immer wieder rufen auch die Hersteller Elektroden oder Aggregate wegen Fehlfunktionen zurück. Insgesamt ist die Notwendigkeit eines erneuten Eingriffs am ICD (Revisionsrate) mit über 18% deutlich höher als bei anderen Schrittmachersystemen.6 Zunehmend werden daher auch die ICD-Elektroden nicht mehr in die Herzhöhlen gelegt, von wo sie auch nur schwer entfernt werden können, sondern nur unter die Haut. Dieser sogenannte subkutane ICD ist weniger fehleranfällig, kann aber nur defibrillieren. Benötigt ein Patient auch regelmäßig eine Stimulation wegen zu langsamen Herzschlags, sind weiterhin Elektroden in den Herzkammern erforderlich.
Verringert hat sich dagegen die Häufigkeit der fälschlichen Auslösung von Schocks. Das passiert, wenn der ICD eine harmlosere Rhythmusstörung falsch interpretiert: etwa eine Vorhoftachykardie als Kammertachykardie „deutet“ – und einen unnötigen Schock auslöst. Aber auch technische Mängel an der Elektrode oder ein schlecht programmiertes Gerät können zu Fehlauslösungen führen. Während die fälschlicherweise ausgelösten Schocks in den ersten Jahren noch ein großes Problem waren, erleben heute – dank vieler Verbesserungen – nur noch 20 von 100 Patienten innerhalb von fünf Jahren ein solches Ereignis.3
Stand: 30. Oktober 2019 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2019 / S.04