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© Jakob Frey-Schaaber

Dapagliflozin: Aus bei Typ-1-Diabetes

Anbieter verzichtet auf diese Zulassung des Medikaments

So schnell kann es manchmal gehen: Der Pharmakonzern AstraZeneca verzichtete Ende ­Oktober 2021 bei seinem Mittel Dapagliflozin auf die Zulassung für Typ-1-Diabetes. Erst zwei Jahre zuvor hatte die europäische Behörde dieses Anwendungsgebiet genehmigt. Was heißt das jetzt für Patient:innen?

Neue Medikamente sind nicht automatisch besser als bisherige Behandlungsoptionen. Besonders dann, wenn es zusätzliche Risiken gibt. Jüngstes Beispiel: Dapagliflozin bei Typ-1-Diabetes.

Bei dieser Form der Zuckerkrankheit produziert die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr. Deshalb wird die Erkrankung in der Regel bereits im Kindes- oder Jugendalter entdeckt. Betroffene müssen dann das fehlende Insulin dauerhaft per Spritze oder Pumpe ersetzen. Tabletten mit Dapagliflozin sollen zusätzlich den Blutzuckerspiegel senken, indem sie die Ausscheidung von Glucose (Traubenzucker) über den Urin erhöhen.

Das Arzneimittel war für Patient:innen mit Typ-1-Diabetes seit März 2019 zugelassen, allerdings nur bei Übergewicht und wenn der Blutzuckerspiegel trotz optimaler Insulintherapie zu hoch ist. Unsere Mutterzeitschrift arznei-telegramm® hatte wegen des unklaren Nutzens und möglicher Risiken von der Anwendung abgeraten.

Kampf ums schwarze Dreieck

Das ist aber inzwischen Geschichte. Denn der Anbieter AstraZeneca hat zum 25. Oktober 2021 auf die Zulassung bei Typ-1-Diabetes verzichtet, wie er in einem Rote-Hand-Brief an die Heilberufe informierte.1 Der genaue Hintergrund wird nicht genannt, lässt sich aber aus Protokollen von Ausschusssitzungen der europäischen Zulassungsbehörde EMA rekonstruieren:

Bei der Zulassung für Typ-1-Diabetes hatte die EMA dem Anbieter die Auflage gemacht, eine Sicherheitsstudie zum Risiko für diabetische Ketoazidose (siehe Lexikon) durchzuführen. Währenddessen hätte der Anbieter den Beipackzettel dann mit einem schwarzen Dreieck als Hinweis auf eine laufende Sicherheitsüberwachung kennzeichnen müssen. Das war AstraZeneca aber wohl zu viel Transparenz: Bereits seit Mitte 2020 hatte die Firma versucht, die Einstufung der Studie so zu verändern, dass das schwarze Dreieck nicht nötig gewesen wäre. Aber ohne Erfolg, denn die zuständigen Ausschüsse ließen sich nicht überzeugen.

Am Ende entschied sich AstraZeneca dafür, lieber auf die Zulassung für Typ-1-Diabetes zu verzichten als sich der Pflicht zur Kennzeichnung zu beugen.2

Was nun?

Wer mit Typ-1-Diabetes derzeit Dapagliflozin einnimmt, sollte sich zeitnah ärztlich beraten lassen. Wird Dapagliflozin abgesetzt, kann der Blutzuckerspiegel ansteigen. Dann ist mehr Insulin nötig. Um die richtige Dosis zu finden, können häufigere Blutzuckermessungen sinnvoll sein.

Unverändert für andere Zwecke

Andere Anwendungsgebiete von Dapagliflozin sind von dem Zu­las­sungsverzicht übrigens nicht betroffen, hier kann der Wirk­stoff als unverändert zur Be­handlung eingesetzt werden: Dazu gehören bereits seit 2012 Typ-2-Diabetes für Erwachsene, seit 2021 auch für Kinder und Jugend­liche ab 10 Jahren. Unabhängig von einem Diabetes bleibt die Anwendung von Dapagliflozin auch bei Herzschwäche sowie chro­nischer Nierenerkrankung bei Erwachsenen möglich.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2022 / S.23