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©courtneyk/iStock

Chronischer Juckreiz

Über Juckreiz sprechen die meisten nicht gerne. Viele Menschen verbinden ihn irrtümlich mit mangelnder Körperpflege. Wer hat nicht schon einmal anhaltendes, lästiges Jucken am eigenen Körper erlebt? Ältere plagt es öfter als Jüngere.1 GPSP zeigt, wie mühselig es manchmal ist, die Ursachen aufzuspüren und welche Behandlung erfolgreich sein kann.

Eigentlich ist Juckreiz eine tolle Erfindung der Evolution: Er informiert uns zum Beispiel über Insektenstiche, ungebetene Gäste wie Wanzen, Flöhe, Läuse, Milben oder schädliche Stoffe auf der Haut und ist gewissermaßen ein Schutzmechanismus.2 All diese Auslöser können „akuten“ Juckreiz bewirken. Er verschwindet je nach Ursache relativ schnell und ist einfach zu behandeln.

Juckreiz bei trockener Haut

Die Haut kann auch jucken, nur weil sie trocken ist. Dann fehlen ihr Feuchtigkeit und hauteigene Fette (Lipide). Das passiert beispielsweise, wenn die Bräune vom Sonnenurlaub abblättert oder im Winter während der Heizperiode. Auch zu häufiges warmes Duschen strapaziert unsere Haut. Ältere Menschen haben oft eine trockene Haut, denn sie wird mit den Jahren immer dünner und produziert nicht mehr ausreichend Hautfett. Regelmäßige Pflege mit rückfettenden Cremes hilft. Aber auch bei Ölen, Cremes und Lotionen kann es zu Problemen kommen: Selbst Produkte, die mit dem Slogan „für sensible Haut“ werben, können durch Konservierungsmittel oder Duftstoffe für Hautreizungen sorgen.

Und chronisch?

Von „chronischem“ Juckreiz spricht man, wenn er seit mindestens sechs Wochen besteht.3 Seine Ursachen zu ergründen, um dann gezielter behandeln zu können, ist meist ein langwieriger Prozess. Es gibt viele mögliche Auslöser, sodass Betroffene oft hilflos von Arzt zu Arzt pendeln. Oder sie haben das Glück, dass von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin gezielt andere Fachärzte hinzugezogen werden, um herauszufinden, warum es juckt und wie die optimale Therapie aussieht.

Juckreiz entsteht, wenn spezialisierte Nervenenden in der Haut auf bestimmte Botenstoffe reagieren, die ihrerseits aus der Haut oder dem Blut stammen. Daran beteiligt sind zum Beispiel bei der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung Neurodermitis besondere weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten), die unter anderem Interleukin 31 freisetzen. Wenn dieser Botenstoff sich an Hautnerven bindet, löst er Juckreiz aus.4 In den letzten Jahren wurden viele Mechanismen entdeckt, die Juckreiz hervorrufen und die möglicherweise zu neuen Behandlungen führen.5

Detektivarbeit nötig

Hinter chronischem Juckreiz können verschiedene Krankheiten stecken, zum Beispiel Erkrankungen der Haut (dermatologisch und allergologisch), der inneren Organe (internistisch), der Nerven (neurologisch) oder der Psyche (psychiatrisch).4 Um das jeweils genau herauszufinden braucht es Zeit. Ärzte müssen da in Kooperation mit ihren Patienten oft echte Detektivarbeit leisten. Vor allem in Ballungsräumen gibt es „Juckreizambu­lanz­en“, die sich ausschließlich mit chronischem Juckreiz befassen.

Ist die Haut entzündet, ist meist das Organ „Haut“ selbst erkrankt. Entzündete Haut ist gerötet, dicker, wärmer und weniger glatt als gesunde Haut. Solche Symptome sind oft ein Hinweis, dass eine Hauterkrankung wie etwa Neurodermitis den Juckreiz verursacht.4 Wer dann kratzt, kann sich zusätzlich kleine Verletzungen einhandeln, die so genannten Kratzläsionen. Diese entstehen sowohl bei Hauterkrankungen als auch bei Juckreiz anderer Ursache und verschlimmern häufig die Beschwerden.

Ist die Haut nicht erkennbar entzündet, dann sind eher innere Erkrankungen oder auch das Nervensystem beziehungsweise die Psyche die Verursacher. Bei Diabetespatienten sind zum Beispiel kleinste Gefäße und oft auch die Nerven erkrankt, welche die Berührungsempfindung der Haut vermitteln. Bei Multipler Sklerose entzünden sich die Nerven, sie nehmen Schaden, und das kann sich durch Juckreiz bemerkbar machen. Psychisch Kranke können unter quälendem Juckreiz leiden, beispielsweise bei einer Psychose mit Sinnestäuschungen, die die Haut betreffen (taktile Halluzinationen).4

Chronischer Juckreiz ist körperlich und seelisch oft quälend.

Medikamente können ebenfalls Juckreiz hervorrufen. Da ältere Menschen oft mehrere Arzneimittel einnehmen, fragen Ärzte nach einer Übersicht aller eingenommenen Mittel, wenn sie nach den möglichen Ursachen des chronischen Juckreizes forschen. Dazu zählen manchmal auch Arzneimittel, die man nicht mehr einnimmt, aber lange eingenommen hat oder die beispielsweise im Krankenhaus als Infusion gegeben wurden.

Cremes, Kortison und Antihistaminika

Dauerhaft juckende Haut lässt sich oft erfolgreich mit Cremes behandeln, die direkt auf die betroffenen Stellen aufgetragen werden (topische Behandlung) oder mit Arzneimitteln, die im ganzen Körper wirken (systemische Behandlung).

Zunächst ist es wichtig, eine mögliche Grunderkrankung zu behandeln. Zusätzlich helfen fettende Salben. Reicht das nicht, können Cremes oder Lotionen mit Harnstoff (Urea) verwendet werden. Häufig kommen für kurze Zeit auch Präparate mit Kortison (ein körpereigenes Hormon, das Entzündungen hemmt und den dadurch verursachten Juckreiz lindert) oder eine örtlich betäubende Creme (Lokalanästhetikum) in Frage.

Bei einer Allergie eignen sich Antihistaminika, um die Überreaktionen des Immunsystems auf Allergene abzuschwächen und so den Juckreiz zu mindern. Die Mittel blockieren die Wirkung von Histamin, also dem Botenstoff, der den Juckreiz auslöst.

Auch Antidepressiva können manchen Betroffenen bei sehr quälendem Juckreiz und starker Beeinträchtigung helfen, den Teufelskreis des ständigen Juckens und Kratzens zu durchbrechen. Wegen der unerwünschten Effekte dieser Arzneimittel ist es besonders wichtig, die Ursachen des Juckreizes zu kennen. Antidepressiva kommen nur in Betracht, wenn andere Behandlungen nicht zum Ziel geführt haben.

Sensitive Pflegemittel auch hautschädlich? GPSP 5/2014, S. 14

Unser Rat: Bei über Wochen anhaltendem Juckreiz sollten Sie sich an Ihren Hausarzt oder eine Hautarztpraxis wenden. Um dem Arzt oder der Ärztin die Suche nach den Ursachen zu erleichtern, hilft ein Juckreiz-Tagebuch und eine Liste aller eingenommenen Medikamente, pflanzlichen Heilmittel und Nahrungsergänzungsmittel. Wenn Ihr Hausarzt oder Ihre Fachärztin die Ursache nicht finden kann, ist eine Überweisung in ein Pruritus-Expertenzentrum angebracht. Solche Juckreizambulanzen gibt es z. B. in Berlin, Hamburg, Heidelberg, München oder Münster.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2015 / S.22