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Patient im Visier

Caroline Walter, Alexander Kobylinski, Patient im Visier: Die neue Strategie der Pharmakon­zer­ne. Hoffmann und Campe 2010, 235 Seiten, 17 €

Das ist ein Sommerkrimi der besonderen Art. Ohne Tote, aber mit Schwerkranken, an denen sich pharmazeutische Konzerne bereichern. Mit dunklen Methoden. Denn sie erledigen sehr trickreich das, was in der EU den Firmen verboten ist: Sie werben öffentlich für Therapien mit bestimmten rezeptpflichtigen Medikamenten.1

Caroline Walter und Alexander Kobylinski, die auch für das RBB-Magazin Kontraste arbeiten, haben aufgeschrieben, wie Pharmakonzerne es anstellen, dass immer mehr Patienten ihren Arzt direkt nach neuen – teuren und wenig erprobten – Medikamenten fragen und diese oft auch erhalten. Die Autoren wollten wissen, mit welchen Strategien die Unternehmen schwerkranke, sich an jeden Strohhalm klammernde Menschen beeinflussen. Dafür sind die beiden in verschiedene Identitäten geschlüpft und haben als angeblicher Arzt, als unechter Patient oder fingierter Pharmavertreter medizinische Kongresse, Informationsveranstaltungen für Patienten, Werbeagenturen und Lobbyisten ausgehorcht. Zwischendurch haben sie ein paar kritische Mediziner besucht, die nicht auf der Gehaltsliste eines Pharmaunternehmens stehen.

Dabei herausgekommen ist ein sachlich kompaktes Buch, das sich trotzdem flott liest, weil die Autoren den Leser auf ihre Recherchetour mitnehmen. Nicht nur das Unbehagen, das Caroline Walter und Alexander Kobylinski angesichts der Rücksichtslosigkeit maßgeblicher Player auf dem Arzneimittelmarkt oft empfunden haben, zieht den Leser in seinen Bann, auch die Fassungslosigkeit, mit der sie feststellen, dass bekannte TV-Kollegen, sich von der Industrie einspannen lassen, ohne auch nur ein paar Details zu beworbenen Therapien zu kennen. Schließlich lernt der Leser einige aufmüpfige und sehr starke Schwerstkranke kennen, die sich die Desinformation der Arzneimittelhersteller nicht bieten lassen.

Das letzte Kapitel heißt „Anleitung zum Gesundwerden“, und wir wollen nicht verschweigen, dass Gute Pillen – Schlechte Pillen als zuverlässige Informationsquelle hier lobend erwähnt wird. Das schien uns kein Grund, auf diesen Buchtipp zu verzichten. Wir haben unseren Interessenkonflikt hiermit deklariert.

Für eine Zweitauflage hätten wir noch ein, zwei Wünsche: ein Stichwortverzeichnis mit den erwähnten Firmen und Medikamenten und einen Anhang mit den wesentlichen Quellen. Das wäre perfekt.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2010 / S.10