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Was der Beipackzettel verrät

Eine Lese-Kompass

Verloren in der Bleiwüste? Das kann schnell passieren beim Versuch, sich in der Packungsbeilage von Medikamenten zu orientieren. Wir geben Ihnen einen kleinen Kompass an die Hand.

Zu klein gedruckt, viel zu viele Fremdwörter, unmöglich zu falten und angsteinflößend beim Blick auf die möglichen Nebenwirkungen: Die Liste mit Vorwürfen gegen die Beipackzettel von Arzneimitteln ist lang. Die Lektüre lohnt dennoch. Enthält die Packungsbeilage doch viele wichtige Hinweise, um die Medikamenteneinnahme sicherer zu machen. Das bedeutet aber nicht, sich Wort für Wort durch lange, dicht bedruckte Seiten zu quälen – wenn man weiß, in welchem Abschnitt sich welche Informationen finden (siehe Tabelle). Denn das ist bei jedem Beipackzettel gleich, egal ob es sich etwa um einen Hustensaft, ein Schmerzmittel oder ein Medikament gegen hohen Blutdruck handelt.1

Was ist drin?

Das beginnt bereits ganz oben unter 1: Dort findet sich nicht nur der Markenname des Arzneimittels, sondern auch der Name des Wirkstoffs. Es lohnt sich oft, nach dem Wirkstoffnamen zu suchen und sich diesen zu merken: Denn oft ist der gleiche Wirkstoff unter verschiedenen Markennamen verfügbar. Wer regelmäßig ein bestimmtes Medikament verordnet bekommt, kann in der Apotheke durchaus auch mal den gleichen Wirkstoff unter einem anderen Markennamen erhalten – beispielsweise dann, wenn sich die Rabattverträge der Krankenkassen geändert haben. Und bei Arzneimitteln, die ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sind, gibt es bei verschiedenen Präparaten trotz des gleichen Wirkstoffs nicht selten erhebliche Preisunterschiede.

Praktisches Wissen

Für ganz Eilige: Zu den wichtigsten Abschnitten gehören die Anwendungshinweise 3. Dort gibt es Informationen, wie häufig das Arzneimittel einzunehmen oder anzuwenden ist, zum Beispiel „eine Tablette morgens“. Außerdem wird hier auch beschrieben, ob Tabletten geteilt werden dürfen und was in Sachen Mahlzeiten zu beachten ist. So bedeutet zum Beispiel:

  • Auf nüchternen Magen: 30 bis 60 Minuten vor dem Essen oder frühestens zwei Stunden nach dem Essen
  • Zum Essen: Während des Essens oder unmittelbar nach den letzten Bissen
  • Unabhängig von einer Mahlzeit: vor, zu oder nach dem Essen2

Verträgt sich das Medikament mit Milch oder Grapefruitsaft? Da kann es durchaus Probleme geben. Aufschluss darüber gibt der Abschnitt  2 „Vor der Einnahme beachten“.

Gehört das Arzneimittel in den Kühlschrank oder ist es nach dem Öffnen nur für eine bestimmte Zeit haltbar, wie es etwa bei Augentropfen oder anderen flüssigen Präparat oft der Fall ist? Das lässt sich im Abschnitt 5 „Aufbewahrung“ nachlesen.

GPSP Was wo im Beipackzettel steht

Abschnitt Darum geht es (Auswahl)
1. Anwendungsgebiet und
Anwendergruppe
Bei welcher Krankheit oder welchen Beschwerden? Für wen
geeignet: Erwachsene, Jugendliche, Kinder?
2. Vor der Einnahme beachten Wann darf ich das Mittel nicht einnehmen? Hinweise zu
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln,
zur Anwendung in Schwangerschaft/Stillzeit oder
bei Unverträglichkeiten
3. Anwendungshinweise Wie häufig und in welcher Menge? Vor oder zum Essen? Was
tun bei versehentlich doppelter oder vergessener Einnahme?
4. Nebenwirkungen Welche unerwünschten Wirkungen sind wie häufig?
5. Aufbewahrung Kühlen oder nicht? Wie lange haltbar nach dem Öffnen?
6. Inhalt der Packung und
weitere Informationen
Welche Hilfsstoffe? Welcher Anbieter?

Ein prüfender Blick

Auch wenn in den meisten Fällen bereits Arzt oder Ärztin die wesentlichen Dinge überprüft haben oder bei Mitteln ohne Rezept die Apotheke nachgefragt hat, ist es bei neuen Arzneimitteln oft sinnvoll, selbst mit aufzupassen. Dabei geht es um Fragen wie:

  • Habe ich noch andere Erkrankungen, bei denen das neue Medikament möglicherweise Probleme verursacht?
  • Nehme ich noch andere Arzneimittel ein, die sich mit dem neuen Medikament vielleicht nicht vertragen?
  • Enthält das Mittel Stoffe, auf die ich überempfindlich reagiere, zum Beispiel Laktose oder Sorbit?

Solche Hinweise finden sich im Abschnitt 2 „Vor der Einnahme beachten“.

Die Sache mit den Nebenwirkungen

Der Abschnitt zu unerwünschten Wirkungen 4 gehört vermutlich zu denen, die im Beipackzettel am meisten gefürchtet sind. Dabei kann es beruhigen zu wissen: Die Liste bedeutet nicht, dass alle diese Effekte tatsächlich auftreten werden. Allerdings wurden sie in den Zulassungsstudien beobachtet oder fielen später bei der Arzneimittelüberwachung auf. Nicht immer ist dabei geklärt, ob tatsächlich das Arzneimittel für die beobachteten Probleme verantwortlich war.

Wie häufig die Nebenwirkungen in der Vergangenheit aufgetreten sind, wird ebenfalls im Beipackzettel beschrieben. Dabei lohnt es sich, auf das Kleingedruckte zu achten: Denn beispielsweise die Formulierung „sehr häufig“ bedeutet nicht „fast alle“, wie man es vielleicht umgangssprachlich verstehen könnte. Gemeint ist im Kontext des Beipackzettels: Eine „sehr häufige“ Nebenwirkung ist bei mehr als zehn Prozent der Behandelten aufgetreten. Umgekehrt kann das zum Beispiel bedeuten: Mehr als acht von zehn Menschen, die das Mittel einnehmen, bleiben von der unerwünschten Wirkung verschont.

Besser informieren

Den Abschnitt zu den Nebenwirkungen einfach zu ignorieren, könnte vielleicht einen „Nocebo-Effekt“ verhindern,– also wenn negative Erwartungen dazu führen, dass ein unerwünschter Effekt tatsächlich eintritt. Aber „Augen zu und durch“ ist in diesem Fall nicht hilfreich.

Denn manchmal enthält der entsprechende Abschnitt des Beipackzettels auch nützliche Tipps, um bestimmte unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Etwa nach der Anwendung des Asthma-Sprays mit Cortison besser den Mund mit Wasser auszuspülen, um Pilzinfektionen unwahrscheinlicher zu machen. Es kann auch helfen zu wissen, dass das Grummeln im Bauch nach der Einnahme eines Antibiotikums vielleicht doch mit dem Arzneimittel zusammenhängt und nicht mit den kürzlich verzehrten Meeresfrüchten.

Fazit: Der Beipackzettel enthält viele wichtige und nützliche Informationen. Nicht immer ist es nötig, ihn von vorne bis hinten zu lesen. Wer den Aufbau kennt, kann schnell alles Notwendige herausfiltern und ist so bestens für die Behandlung mit dem Medikament gewappnet.

Beipackzettel
GPSP 6/2010, S. 11

Generika
GPSP 6/2012, S. 22

Erkenntnisse zu Neben­wirkungen
GPSP 5/2016, S. 19

Nocebo
GPSP 1/2018, S. 13

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2021 / S.06