Zum Inhalt springen
© Tom-Merton/ iStockphoto.com

Schon verdorben?

Über die Haltbarkeit von Arzneimitteln

Verfallsdatum Juni 2017! Darf man die Kopfschmerztablette dann am 1. Juli nicht mehr einnehmen? Wie sieht es mit den angebrochenen Augentropfen aus?  Die beschränkte Haltbarkeit von Arzneimitteln wirft viele Fragen auf.

Arzneimittel sind nicht unbegrenzt verwendbar. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen sind viele Arzneistoffe chemisch nur für eine bestimmte Zeit stabil. Danach baut sich der Wirkstoff nach und nach ab. Das beeinträchtigt die Wirksamkeit. Eventuell bilden sich sogar gesundheitsschädliche Abbauprodukte. Manchmal steht dagegen die Keimbelastung im Vordergrund: Besonders bei Arzneimitteln mit einem hohen Wasseranteil wie etwa Säften oder Augentropfen können sich Krankheitserreger vermehren und dann die Gesundheit gefährden.

Rechtlicher Hintergrund

Das angegebene Verfallsdatum legt der Hersteller auf der Basis von Stabilitätsuntersuchungen fest. Die Zulassungsbehörde prüft die Plausibilität dieser Angaben. In Deutschland liegt die längste zugelassene Haltbarkeit in der Regel bei fünf Jahren. Bis zum Verfallsdatum muss der Hersteller die Garantie für die Qualität des Arzneimittels übernehmen – danach darf das Arzneimittel nicht mehr verkauft werden.

Zweierlei Datum

Bei manchen Arzneimitteln finden sich zwei Angaben zur Haltbarkeit: Das Verfallsdatum, das in den Umkarton eingeprägt ist, bezieht sich auf die Stabilität im ungeöffneten Zustand. Wie lange ein einmal geöffneter Saft oder ein Nasenspray verwendet werden kann, lässt sich meist auf dem Etikett der Flasche oder im Beipackzettel nachlesen.

Besonders kurz haltbar sind Augentropfen: Die Tropfen aus Vorratsbehältern dürfen in der Regel höchstens vier Wochen lang verwendet werden. Augentropfen in Einmalbehältern, die meist keine Konservierungsstoffe enthalten, sollte man innerhalb von 24 Stunden nach dem Öffnen verbrauchen. Der Grund: Das Auge kann sich nur schlecht gegen Krankheitskeime wehren, und eine Infektion kann schwerwiegende Folgen haben.

Ein Tipp: Bei Arzneimitteln mit begrenzten Aufbrauchfristen das Datum des Anbruchs auf die Packung schreiben. Dann lässt sich auf einen Blick erkennen, ob Sie das Mittel noch benutzen können.

Richtig aufbewahren

Alle Verfallsdaten gelten jedoch nur, wenn man gleichzeitig auch die Lagerungsbedingungen beachtet, die sich im Beipackzettel finden: So müssen einige Arzneimittel wie etwa Insulin im Kühlschrank aufbewahrt werden, damit sie nicht vorzeitig verderben. Gleichzeitig muss man aber darauf achten, dass sie nicht einfrieren, weil das den Wirkstoff ebenfalls zerstören würde. Auch einige Arzneimittelsäfte müssen kühl aufbewahrt werden.
Was man häufig vergisst: In Bad und Küche ist die Luftfeuchtigkeit durch Wasserdampf und Kochdünste meist sehr hoch. Deshalb sind diese Räume für die Aufbewahrung von Arzneimitteln nicht ideal. Besser ist etwa das Schlafzimmer geeignet, in dem es  in der Regel wesentlich kühler ist. Sehr hohe Temperaturen oder direkte Sonneneinstrahlung können den Verfall ebenfalls beschleunigen. Deshalb sollten Sie Arzneimittel speziell im Sommer auch nicht im Auto liegen lassen, besonders nicht im Handschuhfach.

Sinnvoll ist es zudem, Flaschen und Durchdrückpackungen in der Schachtel aufzuheben: Das hilft Ihnen nicht nur, das Mittel mit dem zugehörigen Beipackzettel bei Bedarf rasch zu finden, sondern schützt auch lichtempfindliche Arzneistoffe.

Sonderfälle

Handelsübliche Arzneimittel, die industriell gefertigt werden, müssen über einen längeren Zeitraum stabil sein, um den Transport, die Lagerung in der Apotheke und die Aufbrauchzeit beim Patienten abzudecken. Allerdings lässt sich das aus technischen Gründen gar nicht für alle Arzneimittel in der Form garantieren, in der sie angewendet werden müssen.

Das ist etwa bei einigen Antibiotika-Säften für Kinder der Fall: Da enthält die Flasche ein Granulat, das relativ stabil ist. Vor dem Gebrauch müssen die Eltern dieses Granulat noch mit Wasser auflösen, damit der fertige Saft entsteht. Und der ist dann nur für eine kurze Zeit, meist wenige Tage oder Wochen haltbar. Auch bei einigen Arzneimitteln, die man spritzen muss, enthält das Fläschchen nur ein Pulver – hier wird die Injektionslösung erst kurz vor der Anwendung mit Wasser von hoher Reinheit hergestellt.

Stabilität ist auch bei Cremes und Salben mit bestimmten Wirkstoff-Kombinationen ein Problem. Deshalb gibt es solche Präparate nicht als fertiges Arzneimittel, sondern sie werden erst bei Bedarf in der Apotheke angefertigt. Auch hier ist ein Verfallsdatum auf dem Etikett angegeben, es liegt meist bei wenigen Wochen.

Gut oder schlecht?

Untersuchungen zeigen, dass Arzneimittel in Einzelfällen länger haltbar sind, als auf der Verpackung angegeben.1 Das ist allerdings je nach Wirkstoff und Präparat sehr unterschiedlich und hängt auch von den jeweiligen Lagerungsbedingungen ab – deshalb sind keine zuverlässigen Vorhersagen möglich. Der qualitative Zustand eines Arzneimittels lässt sich für Patienten und Patientinnen in der Regel nicht erkennen. Dafür würde man aufwendige Laboranalysen brauchen – da ist eine neue Packung Kopfschmerztabletten allemal billiger.

Die Frage, ob man ein verfallenes Arzneimittel weiter verwenden kann, lässt sich meistens durch eine vernünftige Vorratshaltung umgehen: Wirklich nur die Medikamente auf Vorrat kaufen, die man tatsächlich braucht, und auch nur in der benötigten Menge.

Achtung veränderter Zustand!

Umgekehrt gilt aber: Wenn sich ein Arzneimittel sichtbar verändert hat, sollte man es nicht mehr verwenden – auch wenn das Verfallsdatum noch nicht erreicht ist. Dazu gehören etwa Verfärbungen oder Risse bei Tabletten, Ausflockungen in Säften oder wenn sich eine Creme oder Salbe in ihre Bestandteile zerlegt hat. Auch Geruchsveränderungen oder Aufquellen bei Brausetabletten sind ein Warnhinweis. Was schließlich mit abgelaufenen, verfärbten oder zerbröselten Medikamenten geschehen soll, haben wir bereits in GPSP 3/2016, S.8 beschrieben. Im Kasten finden Sie noch einen aktuellen Hinweis.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2017 / S.25