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Preiswerte Medikamente blockiert!

Markenhersteller behindern Generikafirmen

Pharmafirmen nutzen die komplizierten Regelungen des Patentrechts, um Generikafirmen zu behindern. Deshalb dauert es oft länger, bis nach Ablauf der Patente preiswerte Nachfolgeprodukte (Generika) in den Handel kommen. Für Patienten und Krankenkassen entstehen dadurch unnötige Kosten. Das ergibt eine Untersuchung der EU-Kommission,1 im Zuge derer auch die Zentralen von Arzneimittelfirmen durchsucht wurden.

Neue Arzneimittel werden durch Patente geschützt. Keine andere Firma darf sie produzieren. Deshalb können sie zu hohen Preisen verkauft werden. Doch große Pharmafirmen geben sich nicht mit diesen Vorrechten zufrieden. Sie versuchen auch nach Ablauf langjähriger Patente, die Konkurrenz durch Generikafirmen zu blockieren.

Zu den üblichen Strategien der Markenhersteller gehört zum Beispiel, für ein Arzneimittel möglichst viele Patente anzumelden, sogenannte Sekundärpatente. So kommt es, dass für ein einziges Präparat im Bereich der EU bis zu 1.300 Patente existieren. Die Folge: Für einen Generikaanbieter ist es sehr zeitaufwändig und teuer festzustellen, wann und mit welchen Produktionsmethoden er ein Originalarzneimittel kopieren darf. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Rechtstreitigkeiten, gewinnen Generikahersteller zwar zwei Drittel aller Klagen. Aber bis zur endgültigen Entscheidung vergehen durchschnittlich fast drei Jahre – für den Originalhersteller gewonnene Zeit, die viele Millionen Euro wert sein kann. Es handelt sich dabei um eine gezielte Strategie, wie ein Satz aus beschlagnahmten Firmenakten belegt: „Sekundärpatente können Generika-Konkurrenz nicht ewig verhindern, aber sie können sie für einige Jahre verzögern, im Idealfall schützen sie die Gewinne des Originalherstellers für eine ganze Weile.“

Bezahlt fürs Nichtstun

Es gibt noch andere lukrative Möglichkeiten, die Generikaproduktion zu blockieren. Der Originalhersteller klagt zunächst wegen angeblicher Patentverletzung gegen Generikaanbieter und bietet dann einen Vergleich an: Die Generikafirma erhält eine beachtliche Summe und zögert die Produktion der preiswerten Alternative einige Monate hinaus. Davon profitieren sowohl der Originalhersteller, der auf diese Weise länger den hohen Preis für sein Präparat fordern kann, als auch die Generikafirma, die fürs Nichtstun bezahlt wird. Eine Methode, für die sich mittlerweile die Bezeichnung „pay for delay“2 eingebürgert hat.

Letztlich behindert die Verzögerung der Generikaproduktion sogar Innovationen. Denn wer sein Monopol für ein älteres Markenpräparat länger aufrecht erhalten kann, braucht nicht so schnell etwas Neues zu entwickeln. Nach vorsichtigen Schätzungen kostet die gezielte Behinderung von neuen preisgünstigen Generika die Bürger in der Europäischen Union jedes Jahr drei Milliarden €.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2010 / S.10