Rezeptfreie Risiken für Ältere
Aufgepasst bei Doxylamin, Diphenhydramin und Dimenhydrinat
Rezeptfreie Arzneimittel sind nicht per se unproblematisch. Das gilt besonders für ältere Personen, wenn es um einige Schlafmittel oder um Medikamente gegen Übelkeit oder Schwindel geht. Möglicherweise werden sie deshalb demnächst verschreibungspflichtig.
Bei Älteren können bestimmte Arzneimittel riskant werden, denn mit den Jahren verändert sich der Körper, etwa das Verhältnis von Muskulatur und Fett. Außerdem arbeiten die Nieren schwächer. Medikamente können dann stärker und länger wirken. Deshalb reagiert man empfindlicher auf manche Nebenwirkungen, etwa wenn Arzneimittel schwindlig machen. Solche Situationen können auch bei Medikamenten entstehen, die ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sind. Darauf weisen aktuell Expert:innen des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hin.1
Schlaf, Schwindel, Erkältung
Konkret geht es um die Wirkstoffe Doxylamin, Diphenhydramin und Dimenhydrinat, die für verschiedene Zwecke eingesetzt werden: Doxylamin und Diphenhydramin meist bei Schlafstörungen, Dimenhydrinat vor allem bei Reiseübelkeit. Doxylamin ist aber auch in Kombi-Grippemitteln wie Wick Medinait® enthalten, von denen GPSP in der Vergangenheit bereits mehrfach abgeraten hat.
Problematisch ist vor allem, dass diese Arzneistoffe ins Gehirn gelangen und dort Nebenwirkungen verursachen können: Fachleute vermuten, dass die Mittel bei Älteren häufiger als bei Jüngeren zu Gleichgewichtsstörungen, Stürzen, Verwirrtheit und Störungen des Denkens führen. Allerdings sind die Daten nicht ganz eindeutig.
Künftig nur auf Rezept?
Ob solche Medikamente wegen dieser Risiken – trotz der offenen Fragen – bei Menschen ab 65 Jahren nicht besser verschreibungspflichtig sein müssten, wird schon seit einiger Zeit diskutiert.
Aktuell hat der Sachverständigenausschuss für die Verschreibungspflicht aus Vorsichtsgründen empfohlen, dass Doxylamin und Diphenhydramin zur Behandlung von Schlafstörungen künftig nicht mehr ohne Rezept an ältere Menschen verkauft werden sollen. Für Kombi-Grippemittel hielt der Ausschuss eine Verschreibungspflicht nicht für nötig, da in ihnen die Menge an Doxylamin im Vergleich zu den Schlafmitteln sehr gering ist. Bei Dimenhydrinat schätzten die Fachleute das Risiko als eher gering ein, da solche Mittel oft nur bei Reiseübelkeit und dann nur kurzfristig angewendet werden.
Letztendlich muss nun das Bundesministerium für Gesundheit entscheiden, ob entsprechende Regelungen in die Verschreibungsverordnung aufgenommen werden. Doxylamin zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen ist schon seit einiger Zeit rezeptpflichtig.
Regeln für Ältere
Das BfArM empfiehlt älteren Menschen schon jetzt, wenn sie die genannten Mittel tatsächlich für notwendig halten, auf zwei Punkte zu achten: Die Dosis so niedrig wie möglich zu halten. Nur kurz, also nicht länger als zwei Wochen anzuwenden.
GPSP empfiehlt ohnehin, vor dem Griff zu Medikamenten erst einmal andere Maßnahmen zu probieren, etwa bei Schlafstörungen auf eine verbesserte Schlafhygiene zu achten.
Arzneimittel im Alter
GPSP 5/2011, S. 12
Schlafmittel bei Kindern
GPSP 1/2018, S. 10
Schlafhygiene
GPSP 5/2008, S. 3
Wick Medinait®
GPSP 1/2017, S. 4
Stand: 31. August 2021 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2021 / S.23