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© mustafagull/ iStockphoto.com

Kurzsichtige Kinder: Bewegung im Freien oder Augentropfen?

Immer mehr Kinder sind kurzsichtig und brauchen eine Brille oder andere Sehhilfe. Ein wichtiger Grund: Sie verbringen viel Zeit mit Handys & Co. – und schauen aufs Display, das dicht vor ihren Augen ist. Lässt sich das häufige Fortschreiten der Kurzsichtigkeit aufhalten?1

Unser Auge kann auf Objekte in unterschiedlichster Entfernung scharf stellen und zwischen Ferne und Nähe auch sehr schnell wechseln. Wer kurzsichtig ist, kann ohne Hilfsmittel Gegenstände und Personen in der Ferne nicht scharf sehen. Bei Weitsichtigkeit ist es genau umgekehrt. Fachleute beobachten, dass in den letzten Jahren immer mehr Kinder und Jugendliche kurzsichtig sind. Typischerweise fällt das etwa dann auf, wenn die Schüler aus den hinteren Reihen die Schrift auf der Tafel nicht mehr lesen können.

Besonders dramatisch ist der Anstieg dieser Fehlsichtigkeit in ostasiatischen Industriestaaten. Rund 80% der 20-Jährigen benötigt dort für den scharfen Blick in die Ferne eine Sehhilfe. Studien belegen, dass auch in Europa die Kurzsichtigkeit zunimmt und etwa 50% aller 25- bis 29-Jährigen betrifft.

Woran liegt’s?

Die Ursache für Kurzsichtigkeit liegt teilweise in den Genen, aber nicht ausschließlich.2 Nach neuesten Erkenntnissen sind vor allem veränderte Lebens- beziehungsweise Sehgewohnheiten ausschlaggebend. So schauen Kinder und Jugendliche heutzutage viel länger als früher aus nächster Nähe auf Buchseiten, Computerbildschirme und Handydisplays. Umgekehrt verbringen sie weniger Zeit im Freien, wo der Blick meistens in die Ferne gerichtet ist und helleres Tageslicht herrscht. Das wirkt sich auch auf die Augen aus.

Was tun?

Wer mehr Zeit im Freien verbringt, hat eine höhere Chance, Kurzsichtigkeit zu verzögern oder ein Fortschreiten zu stoppen. Darauf weisen aktuelle, gut gemachte Studien hin, in denen man Kindern täglich 40 Minuten zusätzliche Aktivität im Freien verordnet hatte.

Als Problemlöser werden aber auch Augentropfen mit Atropin diskutiert. In Studien gab es Hinweise, dass sich das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit durch Atropin-Tropfen möglicherweise vorübergehend aufhalten lässt. Allerdings traten auch erhebliche Probleme auf: So waren die mit Atropin behandelten Kinder deutlich lichtempfindlicher und klagten über Sehstörungen im Nahbereich. Ein weiteres Problem: Als die Tropfen abgesetzt wurden, nahm die Kurzsichtigkeit noch stärker zu. Aus den bisherigen Studien lässt sich außerdem nicht ableiten, wann eine Behandlung am besten zu beginnen ist und wie lange sie dauern sollte.3 Wegen der vielen offenen Fragen zu Wirksamkeit und Sicherheit ist die (nicht zugelassene!) Therapie kurzsichtiger Kinder mit Atropin-Augentropfen nach derzeitigem Kenntnisstand also nicht empfehlenswert – mehr Zeit im Freien aber schon.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2019 / S.06