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© ananaline/iStock

Psychopharmaka: Mehr Körpergewicht

In reichen Industrieländern wird jeder zweite psychisch kranke Mensch mit Psychopharmaka behandelt. Heute kommen bei uns 40 Prozent mehr Antidepressiva aufs Rezept als vor zehn Jahren. Bei den Antipsychotika – etwa bei Schizophrenie oder gegen Ängste verordnet – stieg die Rate um 15 Prozent. Zu den unerwünschten Wirkungen dieser Arzneien zählt Gewichtszunahme, wobei die Zusammenhänge komplex sind:4

So kann eine Depression sowohl das Gewicht erhöhen – etwa durch Inaktivität – als auch Folge eines deprimierend hohen Leibesumfangs sein. Und zusätzlich greifen psychiatrische Arzneimittel in Stoffwechselvorgänge und die Kontrolle von Appetit und Nahrungsaufnahme durch das Gehirn ein. Dabei beeinflussen Antipsychotika die Körperfülle bekanntermaßen stärker als Antidepressiva.

Möglich ist eine Gewichtszunahme bei allen Antipsychotika und bei Antidepressiva wie Mirtazapin, Mianserin, trizyklischen Antidepressiva und Lithium. Das Problem ist nicht allein die unerwünschte Körperfülle, sondern ein erhöhter Blutzucker­spiegel – mit der Gefahr von Diabetes mellitus – und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Um solche Folgen der Arzneitherapie früh zu erkennen, wird in Großbritannien von wichtigen Institutionen empfohlen, vor der Behandlung mit Antidepressiva das Gewicht zu bestimmen und es nach 3 und 6 Monaten, sowie später jährlich, zu kontrollieren.5

Auch Antipsychotika können nicht nur das Gewicht steigern, sondern Stoffwechselstörungen verursachen, die sich als Diabetes mellitus oder als „Metabolisches Syndrom“ äußern. Das erklärt teilweise die verringerte Lebenserwartung dieser Patientengruppe. In Großbritannien wird daher Ärzten empfohlen, zu Beginn einer Antipsychotika-Therapie den Bodymaßindex, Blutzucker, Lipidprofil und Blutdruck zu erfassen, um auf ungünstige Veränderungen rechtzeitig reagieren zu können.

Gemeint sei damit ein Wechsel des Psychopharmakons und nicht die Verordnung eines Mittels zur Gewichtsabnahme wie Metformin, betont DER ARZNEIMITTELBRIEF. Welche Rolle etwa Diäten und Verhaltenstherapien zur Gewichtskontrolle bei den Patientinnen und Patienten spielen, ist bisher unzureichend untersucht.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2020 / S.15