Arzneimittel loswerden? Schwierig
Insbesondere ältere Menschen nehmen zu viele verschiedene Arzneimittel, die ihnen teilweise von unterschiedlichen Ärzten verordnet werden. Wissenschaftler erwarten positive Effekte, wenn die Medikamente auf das Notwendige und Nützliche reduziert werden. Im Fach-Denglisch spricht man vom „Deprescribing“ und meint die sinnvolle Verringerung der Zahl der verordneten Medikamente durch Ärzte – also nicht in Eigeninitiative. Zu den Effekten dieses „Weniger ist mehr“ hat das British Medical Journal (BMJ) eine Studie veröffentlicht,6 die viele Fragen aufwirft und weitere Untersuchungen erfordert.7
Einerseits bekamen Patienten von Hausarztpraxen, die sich internetbasiert beim Deprescribing von einem Expertenprogramm beraten ließen, nach zwei Jahren etwas weniger Arzneimittel verordnet als in den Kontroll-Arztpraxen ohne Beratung. Der Unterschied lag durchschnittlich jedoch nur bei einem halben Medikament pro Patient.
Andererseits unterschieden sich die beiden Gruppen kaum im Hinblick auf die anvisierten Ziele – also in den Studienendpunkten. Die Ergebnisse bei Krankenhausaufenthalten und Tod, aber auch Stürzen, Knochenbrüchen und Lebensqualität waren in beiden Gruppen etwa gleich.
Warum gesundheitliche Vorteile des Deprescribing ausblieben, ist unklar. Haben die Ärzte mit Beratung spezielle Warnmeldungen des Expertenprogramms zu wenig berücksichtigt? Oder haben Ärzte in der Kontrollgruppe ihre Patienten besser überwacht, weil sie ja Teil der Studie waren? Als Positives bleibt: Die Patienten in der Studiengruppe mit weniger Arzneimitteln waren nicht unterversorgt. Weniger Medikamente nehmen zu müssen, ohne davon einen Schaden zu haben, ist doch auch eine gute Sache.
Vorbereitung Arztbesuch
GPSP4/2016, S. 8
Deprescribing
GPSP 3/2018, S. 19
6 Rieckert A u.a. (2020) BMJ 369, S m1822
7 DER ARZNEIMITTELBRIEF (2020) 54, S. 68DB01
Stand: 2. November 2020 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2020 / S.15