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Kurskorrektur bei der EFSA?

Europäische Lebensmittelbehörde unter Druck

Lange wurde toleriert, dass in der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) an wichtigen Schaltstellen Personen mitentscheiden, die eng mit der Lebensmittelindustrie, der Agrochemiebranche oder mit Gentechnikfirmen verbandelt sind. Vertreter von Verbraucher- oder Umweltverbänden spielen dort kaum ein Rolle.

Dabei geht es in der Behörde um so wichtige Fragen wie der, mit welchen Gesundheitsversprechungen Lebensmittelfirmen werben dürfen,1 welche Pestizide für Obst und Gemüse erlaubt sind, und ob oder bis zu welcher Grenze Gentechnik in Futtermitteln oder unseren Lebensmitteln stecken darf.

Wenn sich an der Besetzung wichtiger EFSA-Posten nun etwas ändert, ist das kritischen Organisationen wie Testbiotech e.V. aus Deutschland zu verdanken, insbesondere ihren aufmerksamen Experten wie Christoph Then. Der Gründer von Testbiotech hat hierzulande viel dazu beigetragen, dass die Interessenkonflikte der Ungarin Diána Bánáti publik wurden: Sie war im Jahr 2010 Vorsitzende des mächtigen Verwaltungsrats der EFSA, obwohl sie gleichzeitig Mitglied des Vorstands des International Life Science Institute (ILSI) war. Und das wird von der Lebensmittelindustrie finanziert, zum Beispiel von Coca Cola, McDonalds, Kraft & Co., von dem Pestizidhersteller Syngenta und von Monsanto, dem „Schöpfer“ von Gentechnikpflanzen.2

Als die Interessenkonflikte von Frau Bánáti unübersehbar wurden – arbeitet sie für die Industrie oder für die Bürger der EU? –, zog sie sich Ende 2010 von ihrem Posten bei ILSI zurück.3 Aber nun hat sie Anfang Mai 2012 die EFSA verlassen4 und ist zum ILSI zurückgekehrt. Als Geschäftsführerin und wissenschaftliche Direktorin. Das nennt man „Drehtüreffekt“.

Der Zeitpunkt des Rückzugs von Frau Bánáti dürfte kein Zufall sein. Ihr Wechsel wurde exakt einen Tag vor jener wichtigen Abstimmung im Europäischen Parlament bekannt, die den Haushalt 2010 der EFSA absegnen sollte. Aber das Kalkül ging nicht auf. Der Abschied von Frau Bánáti hat die EU-Parlamentarier nicht besänftigt. Die Entscheidungen über den Haushalt der Lebensmittelaufsichtsbehörde haben sie vertagt, um so Interessenkonflikte von EFSA-Mitarbeitern und „Drehtüreffekte“ wie bei Frau Bánáti abzustrafen. Die europäische Lebensmittelaufsichtsbehörde versucht, ihre Probleme nun auch selbst in den Griff zu bekommen und hat „jüngst die eigenen Standards für die Wahrung ihrer Unabhängigkeit angehoben. Seitdem ist die Mitarbeit von ILSIExperten auf verschiedenen Arbeitsebenen der EFSA ausgeschlossen“.5

Denn nicht nur das EU-Parlament, auch der Ministerrat der Europäischen Union hatten mittlerweile Front gegen die EFSA gemacht: Die Bewerbung einer Ex-Monsanto- Mitarbeiterin für den EFSAVerwaltungsrat wurde abgelehnt, nachdem Mitte Mai Testbiotech und die Brüsseler Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) in einem Schreiben an den Ministerrat auf Interessenkonflikte hingewiesen hatten: Die Bewerberin war mehrere Jahre als Cheflobbyistin für Monsanto, dem wichtigsten Hersteller gentechnisch veränderter Organismen, tätig und hat zuletzt für einen Verband der Lebensmittelindustrie gearbeitet.6 Auch die beiden christdemokratischen Europaabgeordneten Peter Liese und Richard Seeber fanden, dass eine solche Kandidatin die Glaubwürdigkeit des EFSA-Verwaltungsrats herabsetzt und haben sich ihrerseits an die zuständigen Minister der 27 Mitgliedsstaaten gewandt.7 Die anschließende Ablehnung der Ex-Monsanto-Mitarbeiterin ist ein Schritt in die richtige Richtung.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2012 / S.04