Kontrolle ist besser
Vergleichen für mehr Durchblick
„Dazu gibt es keine aussagekräftigen Studien“ – diese Bilanz ziehen wir in unseren Beiträgen häufig. Aber was macht denn eigentlich eine gute Studie aus? Das erklären wir in einer Artikelserie, die in diesem Heft beginnt.
Gerade bei Anhängern von Bachblüten, Globuli und Co. hört man häufig den Satz: „Wer heilt, hat recht.“ Gemeint ist damit: Wenn ich ein Mittel einnehme und es geht mir danach besser, ist das doch ein überzeugender Wirkungsbeleg – auch wenn es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die das unterstützen. Aber stimmt das tatsächlich?
Unspezifische Effekte
Die medizinische Wissenschaft weiß schon seit Langem, dass bei einer Behandlung nicht nur die Auswirkungen eines Arzneimittels zum Tragen kommen. Nehmen wir etwa eine Erkältung: Was passiert, wenn man nichts tut? Die Erkältung verschwindet in der Regel von selbst nach etwa einer Woche. Nehme ich ein Erkältungsmittel, wenn die Beschwerden am schlimmsten sind, und geht es mir nach ein paar Tagen besser, kann ich nicht unterscheiden, ob das jetzt an dem Medikament lag oder an dem natürlichen Verlauf der Erkrankung. Hinzu kommt: Oft fühlt man sich schon besser, wenn man überhaupt etwas einnimmt und von der Familie, dem netten Apotheker oder der fürsorglichen Hausärztin Zuwendung bekommt. Dieses Phänomen ist auch als „Placebo-Effekt“ bekannt.
Anders formuliert: Durch den natürlichen Krankheitsverlauf und unterstützt vom Placebo-Effekt kann sich nach der Einnahme eines Mittels der Krankheitszustand verbessern, auch wenn das Mittel selbst keine eigentliche Wirksamkeit hat. Fachleute sprechen von „unspezifischen Therapieeffekten“, die unabhängig von dem Wirkstoff oder der eigentlichen Maßnahme auftreten.
Kontrolle muss sein
Wie bekommt man jetzt heraus, ob zum Beispiel ein Arzneimittel einen wirklichen („spezifischen“) Effekt hat, der über die beschriebenen Phänomene hinausgeht? Die Antwort liegt auf der Hand: Es braucht Studien, in denen das fragliche Mittel mit einem erwiesenermaßen wirksamen Medikament oder einem Scheinpräparat (Placebo) verglichen wird. Dazu werden die Studienteilnehmer in der Regel in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine bekommt das zu testende Mittel, die andere das Vergleichspräparat. Nur in solchen vergleichenden („kontrollierten“) Studien lässt sich herausfinden, wie viel von dem beobachteten Effekt tatsächlich durch das Arzneimittel entsteht und nicht durch den natürlichen Verlauf der Erkrankung oder Placebo-Wirkungen bedingt ist.
Nicht aussagekräftig
Aus diesem Grund akzeptieren wir Studien ohne Vergleichsgruppe nicht als aussagekräftig. Dazu gehören beispielsweise Anwendungsbeobachtungen, die Pharmahersteller nach der Zulassung von Medikamenten durchführen.
Dabei bezahlen die Hersteller Ärzte dafür, dass sie das betreffende Medikament ihren Patientinnen oder Patienten verschreiben und dann die Erfahrungen mit dieser Behandlung dokumentieren. Ein Problem (neben vielen anderen): Weil es keine Vergleichsgruppe gibt, die zur Kontrolle ein anderes Medikament oder ein Placebo bekommt, lässt sich nicht sicher sagen, ob die beobachteten Effekte wirklich durch das Arzneimittel zustande kommen. Im Hinblick auf die Wirksamkeit können solche Anwendungsbeobachtungen also keinen Erkenntnisgewinn liefern.
Fair bleiben
Kontrollierte Studien sind also notwendig. Aber natürlich muss es beim Vergleichen auch gerecht zugehen: So darf die Kontrollgruppe nicht etwa eine zu geringe Dosis des Vergleichspräparates erhalten. Auch darf die Gruppe mit dem neuen Medikament keine weitere Behandlung erhalten, die Patienten in der Kontrollgruppe nicht bekommen. Am Beispiel einer Erkältung: Wenn eine Gruppe zusätzlich Bettruhe einhält, die andere jedoch voll arbeiten geht, kann das das Studienergebnis verzerren. Und natürlich müssen die Ausgangsbedingungen – etwa in Bezug auf die Dauer oder die Stärke der Beschwerden – in den beiden Gruppen gleich sein. Wie das gelingen kann, erklären wir im nächsten Teil der Serie in Heft 2/2019.
Anwendungsbeobachtungen
GPSP 2/2018, S. 22
GPSP 4/2015, S. 13
Stand: 27. Dezember 2018 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2019 / S.19