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Ingwer: Scharfer Wurzelstock

Ingwer ist ein bekanntes Küchengewürz. In Indien und China wird der Wurzelstock seit über 5000 Jahren auch bei Erkrankungen verwendet. Immer mehr Menschen probieren ihn auch hierzulande als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel aus. Exotik oder medizinisch sinnvoll?

Ingwer (Zingiber officinale) braucht tropisches Klima. Die Staudenpflanze wird bis zu zwei Meter hoch. Genutzt wird vor allem der unterirdisch wachsende Wurzelstock (Rhizom). Die Herkunft dieser alten Kulturpflanze ist ungewiss, möglicherweise wurde sie in Indien kultiviert.

Um Ingwer kreisen so manche Mythen. Darauf bauen einige Anbieter. So wird ein Produkt als „Yoga von Innen“ vermarktet.1 Daneben gibt es für Ingwer zahlreiche traditionelle Anwendungsgebiete und noch mehr behauptete Eigenschaften. Das ist typisch für viele Heilpflanzen. Aber die wissenschaftlichen Grundlagen für den medizinischen Nutzen sind dürftig, zumal die meisten Untersuchungen nicht wissenschaftlichen Standards entsprechen und damit praktisch ohne Aussagekraft sind.

Über 100 Inhaltsstoffe hat man inzwischen in Ingwer gefunden, mit deutlichen Unterschieden bei Pflanzen aus verschiedenen Herkunftgebieten. Scharfstoffe wie Gingerol sorgen für den würzigen Geschmack, ätherische Öle für den charakteristischen Geruch. Die Scharfstoffe vermitteln im Mund ein Wärmegefühl, regen die Bildung von Speichel und Körperschweiß an. Manche Menschen schwören etwa bei Schnupfen auf frischen Ingwer, klein geschnitten und mit kochendem Wasser über brüht. Ein solcher Ingwertee kann gut tun (GPSP 6/2010, S. 12). Dass sich damit allerdings Erkältungen vorbeugen oder verkürzen lassen, ist nicht erwiesen.

Gegen Übelkeit: In asiatischen Ländern ist Ingwer ein traditionelles Hausmittel gegen Übelkeit. Inzwischen werden Ingwer-haltige Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel auch bei uns empfohlen, beispielsweise gegen Reiseübelkeit. Auf den ersten Blick scheint Ingwer hierfür sogar relativ gut untersucht zu sein. Sogar die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hält zur Vorbeugung von Reiseübelkeit 1000 mg Ingwerpulver eine Stunde vor Reisebeginn für nützlich.2 Der Haken: Die Studien, die einen Nutzen fanden, wurden mit Ingwerzubereitungen durchgeführt, die nicht unbedingt den Präparaten aus Drogerie, Apotheke oder Internet entsprechen. Die Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit lassen sich deshalb nicht einfach übertragen.3,4

Ob schwangere Frauen, die unter Übelkeit oder Erbrechen leiden, Ingwerpräparate ohne Risiken einnehmen können, ist nicht klar. Die bisher durchgeführten Studien haben keine zusätzlichen Fehlgeburten oder Frühgeburten entdeckt,5 aber die Zahl der Teilnehmerinnen war für eine zuverlässige Empfehlung zu gering.3,4 Die Europäische Arzneimittelbehörde rät deshalb Schwangeren, sicherheitshalber keine Ingwerprodukte gegen Übelkeit ein überzunehmen.2 Zugelassen sind sie dafür ohnehin nicht.

Gelenkschmerzen: Ingwer soll auch gegen Gelenkschmerzen helfen. Die systematischen Untersuchungen hierzu sind aber zu klein und methodisch schlecht, um den tatsächlichen Nutzen beurteilen zu können.2,6

Unerwünschte Wirkungen: Ingwer wird überwiegend gut vertragen. Sodbrennen kann jedoch vorkommen. Wer bereits Arzneimittel einnimmt und zusätzlich ein Ingwerpräparat verwenden will, sollte wissen, dass die Wirkung anderer Medikamente im Körper beeinträchtigt werden kann.7 So ist nicht auszuschließen, dass Ingwer-Bestandteile die Blutgerinnung beeinflussen. Die Untersuchungsergebnisse hierzu sind nicht eindeutig.2 Menschen, die Blutgerinnungshemmer einnehmen, sollten vorsichtshalber auf Ingwerpräparate verzichten.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2013 / S.26