Zum Inhalt springen

Hormone – ihr Einfluss auf mein Leben

Wie kleine Moleküle Liebe, Gewicht, Stimmung und mehr steuern

Harald J. Schneider, Nicola Jacobi, Joscha Thyen (2020) Hormone – ihr Einfluss auf mein Leben. Berlin: Springer, 309 S., 19,99 €, E-Book 14,99 €

Hormone – und dann noch 309 Druckseiten. Was für ein Schinken ist das denn? Es ist ein Sachbuch, kein medizinisches Fachbuch. Autor Prof. Harald J. Schneider ist Facharzt für Endokrinologie, also ein Hormonspezialist. Die Autorin Nicola Jacobi ist Journalistin und aus persönlichen Gründen lange mit dem Thema vertraut. Ihr gemeinsames Vorwort erzählt, warum dieses Buch entstanden ist, und es macht neugierig. Wer dann umblättert, findet zuerst eine drei Seiten lange Tabelle, die sich als Rüstzeug für die weitere Lektüre entpuppt. Sie zeigt die wichtigsten Hormone samt Abkürzungen, ihren Ursprungsort im Körper, ihre Hauptwirkung und ihren Wirkort.

Von Hypophyse bis Hoden
Die Texte in den vier Hauptabschnitten sind in handliche Unterkapitel geteilt: Abschnitt I führt nach Ostafrika zu den ersten Frühmenschen vor 1,8 Millionen Jahren, als unser Hormonsystem begann, sich weiterzuentwickeln – das hat Folgen bis heute. Hormone und Wirkweisen des Hormonsystems werden anschaulich vorgestellt. Die Hypophyse ist bildlich gesehen die Dirigentin des „Hormonorchesters“, die Schilddrüse steuert die Geschwindigkeit des Stoffwechsels, die Nebenniere ist die „Wiege unserer Kampf- und Fluchthormone“, Eierstöcke und Hoden regeln das Geschlechtsleben.

Abschnitt II stellt unsere wichtigsten Lebensphasen und ihre Hormone vor: von Schwangerschaft und Kindesentwicklung über Pickel-Pubertät und Liebesleben bis zum Altwerden. Abschnitt III geht auf Hormon­störungen und ihre Behandlungsmöglichkeiten ein, Abschnitt IV behandelt schließlich Fragen, die der ärztliche Autor oft von Patient:innen in seiner Praxis gestellt bekommt. Natürlich ersetzt die Lektüre keinen Arztbesuch, darauf weisen Autor und Autorin hier und im Vorwort ausdrücklich hin.

Gut: Verständlicher Überblick
Wer sich darüber informieren will, wie Hormone unsere Körper­funktionen steuern und wie sie miteinander zusammenspielen, findet in diesem Buch leicht verständliche und streckenweise sogar vergnügliche Lektüre. Hübsche Illustrationen der Organe und Wirkweisen der Hormone muten wie händische Skizzen an. Sie stammen von Joscha Thyen.

Augen auf bei Therapie­­ratschlägen
Uneingeschränkt empfehlen können wir das Buch jedoch nicht: Das betrifft besonders die Abschnitte, in denen es um Fragen der Behandlung geht. Hier macht es streckenweise den Eindruck, als ob das Autorenteam nicht gründlich und kritisch recherchiert hat. Darauf deutet auch das angesichts der komplexen Materie dürre Literaturverzeichnis hin, mit seiner teils etwas obskuren Mischung aus Fachbüchern, wissenschaftlichen Artikeln, Pos­ter-Beiträgen wissenschaftlicher Kongresse oder Apotheken Umschau-Onlineartikeln.

Inhaltlich irritiert etwa ein Abschnitt zu medikamentösen Optionen zur Gewichtsreduktion. Hier werden bloß Wirkungsmechanismen von Arzneimitteln aufgezählt. Detailliertere Angaben zu Nutzen und Risiken oder auch nur einen Verweis auf andere Quellen mit diesen Informationen sucht man vergebens. Im Abschnitt „Prämenstruelles Syndrom“ schlägt das Quacksalber-Radar bei der Überschrift „Sanfte Heilmethoden“ Alarm, wo etwa Mönchspfeffer angepriesen wird, ohne Studienergebnisse zu thematisieren. Notwendig ist bei der Lektüre also ein kritisches Auge und am besten auch der eine oder andere ergänzende Blick in GPSP oder zu anderen Anbietern verlässlicher Gesundheitsinformationen.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2021 / S.21