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©Jörg Schaaber

Antibiotikum Nitrofurantoin

Vorteile bei unkomplizierten Blasenentzündungen

Viel mehr Frauen als Männer erkranken an Blasenentzündungen. Frauen können sich oft mit Hausmitteln helfen, aber manchmal ist ein Antibiotikum angebracht. Zu den Wirkstoffen, die dann in Frage kommen, gehört Nitrofurantoin. Es ist bereits seit 60 Jahren im Handel.

Dass sich Bakterien in der Harnröhre und der Harnblase festsetzen und stark vermehren, kommt bei Frauen in jedem Lebensalter viel häufiger vor als bei Männern. Und manche Frauen erkranken sogar mehrfach in einem Jahr. Viele Faktoren spielen eine Rolle (siehe Kasten). Die Erreger stammen meist aus dem Darm (Escherichia coli = E. coli). Von dort gelangen sie leicht in die Blase, weil bei Frauen Darmausgang und Harnröhrenausgang nah beieinander liegen und die Harnröhre sehr kurz ist.

Das Gefühl, ständig zur Toilette zu müssen (Harndrang), aber auch Schmerzen beim und nach dem Wasserlassen sowie Schmerzen oberhalb der Scham sind für eine Blasenentzündung (Zystitis) typisch. Jedoch sind diese lästigen Beschwerden meist nicht bedrohlich.

Man muss jedoch unterscheiden zwischen einer unkomplizierten Blasenentzündung bei einer ansonsten gesunden Frau und einer komplizierten Blasenentzündung. Davon sprechen Ärzte bei anatomischen Besonderheiten, bei einer Krankheit der Nieren, der ableitenden Harnwege oder bei anderen Risiken – wie etwa Diabetes mellitus. In solchen Situationen können Bakterien leichter von der Blase über Harnleiter und Nierenbecken in die Nieren aufsteigen und zu schwereren Erkrankungen führen.

Blaseninfektionen während einer Schwangerschaft sollten Frauen immer ernst nehmen. Und generell ist alarmierend, wenn Fieber über 38ºC steigt und/oder klopfende Schmerzen in den Flanken spürbar sind. Dann ist nicht mehr von einer Infektion auszugehen, die nur auf die Blase beschränkt ist.

Bei Männern, vor allem bei jungen, ist eine Harnröhren- oder Blasenentzündung eher ungewöhnlich. Sie sollten zum Arzt gehen.

Oft hilft abwarten

Was Frauen bei einer unkomplizierten Blasenentzündung am besten hilft, ist nicht gut genug untersucht und unsicher. Es gibt zahlreiche Studien und mehrere Leitlinien für Ärzte, die sich hinsichtlich der Therapie etwas unterscheiden.  Das Vorgehen sollte immer individuell gut überlegt und abgestimmt werden.

Die unkomplizierte Blasenentzündung verläuft meist harmlos und heilt oft allein durch die körpereigene Abwehr bei vielen Frauen nach einigen Tagen aus. Deshalb sieht die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin auch eine Behandlungsoption darin, zunächst abzuwarten, d.h. nicht sofort ein Antibiotikum zu verordnen.1 Allerdings können die Beschwerden doch so beeinträchtigen, dass ein Schmerzmittel nötig ist.

Oder doch ein Antibiotikum?

Auch wenn Ärzte zunächst abwarten, wie die Infektion verläuft, stellt sich fast immer die Frage, ob ein – und wenn ja welches – Antibiotikum den Heilungsprozess unterstützen soll. Es kann die Erkrankung verkürzen und muss generell nicht länger als fünf Tage eingenommen werden – meist sogar kürzer. Der Heilungserfolg nach einer Woche liegt bei 90%.

Entschließt sich eine Frau mit unkomplizierter Blasenentzündung nach ärztlicher Beratung für ein Antibiotikum, wird folgendes empfohlen:2 Bei eindeutigen Symptomen ist eine Urinuntersuchung (auf weiße und rote Blutkörperchen, Nitrit) nicht unbedingt erforderlich. Und der spezielle Erreger muss auch nicht im Urin identifiziert werden. Denn bei 8 von 10 Erkrankungen handelt es sich um E. Coli-Bakterien, gegen die übliche Antibiotika wirksam sind.

Es kommen vier Antibiotika in Frage: Trimethoprim, Nitrofurantoin, Fosfomycin und Ciprofloxacin. Sie haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Zu den Nachteilen zählen die unerwünschten systemischen Wirkungen, die von Verdauungsproblemen bis hin zu al­lergischen Reaktionen reichen. Dazu gehört auch eine Resistenzbildung seitens der Bakterien. Denn E. Coli-Bakterien werden früher oder später bei wiederholter Anwendung von Antibiotika widerstandsfähig, also resistent. Der Anteil resistenter E. Coli-Bakterien ist jedoch von Region zu Region unterschiedlich, was Ärztinnen und Ärzte berücksichtigen müssen.

Blasenentzündung durch Sex

Manche Frauen bekommen nach dem Geschlechtsverkehr besonders leicht eine Blasenentzündung. Ist Sex als Auslöser zweifelsfrei erkannt, kann es helfen, sofort nach dem Verkehr die Blase zu entleeren, damit eingedrungene Bakterien rasch ausgeschwemmt werden und sich nicht weiter vermehren können. Sollte das nicht wie gewünscht nützen, können Frauen nach dem Geschlechtsverkehr ein Antibiotikum einnehmen. Das muss aber spätestens zwei Stunden danach passieren. Als geeignet gilt auch hier Nitrofurantoin, und zwar in der Dosis von einmalig 50-100 mg.2

Rückblick

Nitrofurantoin kam in den 1950er Jahren auf den Markt und ist ein „altes“, in seinen nützlichen und schädlichen Wirkungen gut bekanntes Antibiotikum. Zu seinen Vorteilen gehört, dass es kaum in das umliegende Gewebe eindringt. Diese geringe systemische Wirkung sorgt dafür, dass der Wirkstoff bei schweren Infektionen nicht in Frage kommt. Dass es in hoher Konzentration mit dem Urin ausgeschieden wird und somit in der Blase wirksam werden kann, ist ebenfalls ein Vorteil. Der macht es besonders geeignet für die Therapie der unkomplizierten Blasenentzündung.

Früher wurden Harnwegsinfektionen sehr häufig mit Nitrofurantoin behandelt. Leider aber meist viel zu lange, nämlich Wochen bis Monate statt nur wenige Tage wie heute üblich.

Fälschlicherweise glaubte man damals, nur so könne verhindert werden, dass eine Infektion auf die Nieren übergeht und chronisch wird. Die monatelange Einnahme hatte schädliche Wirkungen in der Lunge und auf Nerven, wenn auch sehr selten. Das war ein Grund dafür, Nitrofurantoin jahrelang nicht mehr als Mittel der ersten Wahl zu empfehlen. Bei der heute üblichen Kurzzeitanwendung meist unter fünf Tagen kommen solche Schadwirkungen kaum noch vor.

Deshalb steht Nitrofurantoin wieder in den Empfehlungen verschiedener ärztlicher Leitlinien. Es gilt als Alternative zu dem viel verordneten Antibiotikum Trimethoprim. Gute neue Studien zur Kurzzeittherapie mit Nitrofurantoin sind allerdings wünschenswert. Die therapeutische Dosierung ist zweimal 100 mg am Tag über einen Zeitraum von 3 (maximal 5) Tagen. Weil dieses Antibiotikum jahrelang nur selten verordnet wurde, ist es bis heute noch immer sehr gut wirksam. Nur etwa 5% der E-Coli-Bakterien sind resistent.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2015 / S.12