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©Thomas Kunz

Lausiger Läuseatlas

Vorbeugung kaum möglich

Die Firma Dr. Wolff präsentiert im Internet den so genannten Etopril-Läuseatlas 2008®. Man braucht lediglich eine Postleitzahl einzugeben – „egal ob von zu Hause, von der Arbeitstelle oder von den lieben Verwandten“, wie eine junge Dame auf dem Bildschirm erläutert – und erfährt sogleich, wie hoch angeblich die Läusewahrscheinlichkeit vor Ort ist.1

Wer beispielsweise eine Postleitzahl von Berlin Mitte eintippt, hört, dass Läuse bei sieben bis neun von zehn Kindern vorkommen können. Das sei etwa viermal so häufig wie der Durchschnitt, sagt die junge Bildschirmdame. In München-Schwabing sind angeblich immerhin bis zu drei von zehn Kindern betroffen, was „wenig über dem Normalwert“ liegen soll. Nach diesen lausigen Infos folgt jeweils direkte Werbung für das Läusemittel Etopril®.

Der „Atlas“ wird im Internet unter verschiedenen Adressen von Texten flankiert wie „NRW-Städte stark von Lausbefall betroffen“ oder „Deutsche Kopfläuse fühlen sich in Wuppertal und Gelsenkirchen am wohlsten“. Als Kontaktadresse lesen wir – wer hätte das gedacht – die „Dr. Wolff-Forschung“.

Große Forschung steckt allerdings nicht hinter dem Atlas. Es wurde lediglich die Zahl aller 2007 in Apotheken verkauften Läusemittel auf die Kinderzahl vor Ort bezogen. Je mehr Kinder an einem Ort leben, desto höher ist dann dort die Wahrscheinlichkeit von Kopfläusen. So einfach ist das. Und gleichzeitig so nichtssagend. Was erfährt man denn Neues, wenn mitgeteilt wird, dass man in einem Gebiet wohnt, in dem viele Kinder leben und damit häufiger Läuse vorkommen? Schließlich gibt es keine sinnvolle Vorbeugung.

Die Vorstellung, dass Eltern in „Risikogebieten“ ihre Kinder täglich nach Läusen absuchen könnten, ist absurd – weder sinnvoll noch langfristig durchzuhalten. Und nicht zuletzt: Was die errechneten Verbreitungswahrscheinlichkeiten bedeuten, bleibt unklar, da die Angabe fehlt, für welchen Zeitraum Prophezeiungen wie „Läuse bei sieben bis neun von zehn Kindern“ gelten sollen.
Läuse sind keine Krankheit und haben nichts mit mangelnder Hygiene zu tun. Wenn Kinder ihre Köpfe zusammenstecken oder Mützen tauschen, können Läuse von Kopf zu Kopf krabbeln – sie sind keine Springer, wie bisweilen geglaubt wird. Im Falle des Falles sollten Sie Ihre Kinder mit einem Mittel behandeln, das auf der so genannten Entwesungsmittelliste steht und das daher auch vom zuständigen Robert Koch-Institut empfohlen wird. In dieser Liste findet sich beispielsweise das Pyrethrum-haltige Goldgeist® forte, das ölhaltige Mosquito® Läuseshampoo, und seit kurzem auch die Dimeticon-haltigen Mittel Jacutin® Pedicul Fluid und Nyda® Pumplösung. Nicht jedoch Etopril®.

Die Firma Dr. Wolff ist uns bereits durch eine zweifelhafte Offener-Brief-Aktion aufgefallen (GPSP 2/2008, S. 10). Der so genannte Läuseatlas ist ein raffiniertes Werbeinstrument, dessen Informationsgehalt wir für nicht hilfreich halten.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2008 / S.06