Der Arzt als Werbeträger
Noch dürfen Arzneimittelfirmen nicht in aller Öffentlichkeit für ein Medikament werben, das verschreibungspflichtig ist. Dabei wollen sie doch eigentlich nur für gute Information sorgen – sagen sie jedenfalls. Das probieren sie zumindest seit eh und je auf medizinischen Fachkongressen, unterstützt von Kugelschreibern, Notizblöcken, Naschwaren oder Leinentaschen, auf denen die Konzerne sich und ihre Präparate bekannt machen. Genau dieser Usus brachte einen Arzt kürzlich in die Bredouille. In der Hand die Leinentasche, vollgestopft mit Informationsblättchen und kleinen Mitbringseln für die ganze Familie aus dem Werbeklimbim der Pharmafirmen, verließ er die Fachtagung, trat auf die Straße – und wurde des Aufdrucks auf seinem praktischen Transportmittel gewahr. Die Firma AstraZeneca machte auf seiner Leinentasche Reklame für ihr neues Medikament gegen Schizophrenie – das natürlich verschreibungspflichtig ist.
Soll ich mich so in die öffentlichen Verkehrsmittel begeben, fragte sich der Arzt in akuter Bedrängnis. Eventuell lange auf die S-Bahn warten, die in Berlin bekanntlich trödelt, und unterdessen den Werbeträger machen? Kann ich es riskieren, die nichtöffentliche Werbung öffentlich zu machen? Oder ist das Taxi die bessere Wahl? Der Arzt, der hier nicht genannt werden möchte, löste das Problem auf kluge Weise: Er leerte die bedruckte Leinentasche, entsorgte Überflüssiges und kehrte den Aufdruck von außen nach innen. Anschließend stieg er – innerlich beruhigt – in die S-Bahn. Umweltbewusst, wie er ist.
Stand: 1. Februar 2010 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2010 / S.10