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Erdnussallergie

Ist die Strategie, Erdnüsse zu vermeiden, ein Irrweg?

Erdnussallergien plagen mittlerweile viele Menschen. Meist entwickelt sich diese überschießende Reaktion des Immunsystems im Kindesalter und bleibt oft lebenslang bestehen. Bisher ging man davon aus, dass es nützt, Nahrungsmittelallergene wie Erdnüsse während der Schwangerschaft, Stillzeit und frühen Kindheit zu vermeiden, um Kinder mit hohem angeborenen Allergierisiko zu schützen. Entsprechende Empfehlungen erscheinen zwar auf den ersten Blick plausibel, konnten jedoch in Studien nicht bestätigt werden. Kein Wunder: Die Strategie scheint falsch zu sein.

Britische Wissenschaftler sind das Problem anders als üblich angegangen. Sie haben Kinder mit hohem Risiko für eine Erdnussallergie schon früh erdnussbutterhaltige Mahlzeiten verzehren lassen, und zwar mit der Frage, ob das ihr Allergierisiko senkt. In die Studie wurden 640 Kinder im Alter von 4 bis 11 Monaten einbezogen, die unter einem schweren Ekzem beziehungsweise einer Hühnereiweißallergie litten. Bei solchen Kindern ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass sie auch eine Erdnussallergie entwickeln. Nicht einbezogen wurden allerdings Kinder, die in einem Hauttest bereits stark auf Erdnussallergene reagierten – für diese Allergene also bereits sensibilisiert waren. Nur Kinder, die keine Quaddeln auf der Haut bekamen oder nur eine leichte Sensibilisierung erkennen ließen (geringer Quaddeldurchmesser von bis zu vier Millimetern) nahmen an der Untersuchung teil.1

Was bei der Studie herauskam, ist erstaunlich, denn es stellt bisherige Empfehlungen auf den Kopf: Aus der Gruppe der Kinder ohne bereits bestehende Sensibilisierung hatten nur knapp 2 von 100 (1,9%) im Alter von fünf Jahren eine Erdnussallergie. Sie erhielten zuvor regelmäßig bis zum Alter von fünf Jahren mindestens 6 g Erdnussprotein pro Woche als Erdnussbutter, verteilt auf drei oder mehr Mahlzeiten. Unter den Kindern, bei denen Erdnüsse gemieden wurden, waren es siebenmal so viel: knapp 14 von 100 (13,7%).

Ähnlich sieht es bei den Kindern aus, die bei Studienbeginn mit einer leichten Sensibilisierung gegen Erdnüsse reagierten: Knapp 11 von 100 Kindern (10,6%), die regelmäßig Erdnussprotein konsumierten, haben eine Erdnussallergie. Mehr als dreimal so viel sind es in der Gruppe der Kinder mit Erdnusskarenz, nämlich 35 von 100 (35,3%).1

Fragen bleiben

Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Kinder mit einem erhöhten Allergierisiko Erdnüsse nicht unbedingt meiden müssen und der frühe und regelmäßige Konsum sie möglicherweise sogar vor einer Erdnussallergie schützt. Die Untersuchung hinterlässt allerdings offene Fragen:2 Beispielsweise bleibt unklar, ob der erwünschte Effekt anhält, wenn die Kinder nicht mehr regelmäßig erdnusshaltige Lebensmittel verzehren. Noch wichtiger ist die Frage, ob sich die Ergebnisse auf andere Nahrungsmittelallergene übertragen lassen. Auch bleibt zu klären, ob auch die Kinder profitiert hätten, die wegen der stärkeren Reaktion im Hauttest an der Studie gar nicht erst teilnahmen.1,2

Jedenfalls scheinen frühere Empfehlungen, die bei hohem Allergierisiko zum Verzicht auf Nahrungsmittelallergene wie Erdnüsse während der Schwangerschaft und frühen Kindheit geraten haben, hinfällig zu sein. Sie konnten ohnehin in Studien nicht bestätigt werden.2 Weitere Untersuchungen mit anderen Nahrungsallergenen sind angelaufen. Erst wenn diese die Erkenntnisse der britischen Forscher bestätigen und die wichtigen offenen Fragen beantworten, lassen sich allgemein gültige neue Empfehlungen geben. Und auch dies ist wichtig: Bevor Eltern auf die Idee kommen, „Risikokindern“ mit anderen Allergien regelmäßig geringe Mengen von Erdnusszubereitungen zu geben, sollte ein Arzt oder eine Ärztin unbedingt eine möglicherweise bereits bestehende Erdnuss-Allergie ausschließen.2

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2015 / S.04