Die Medien anfüttern
Bei GPSP landen manchmal merkwürdige Ansinnen. Hersteller hoffen, dass wir aus ihren Pressemitteilungen zitieren. Andere wollen – selbstverständlich kostenlos – Beiträge für uns verfassen. Zu dumm nur, dass es sich um „Product Placement“ handelt, also um perfide in redaktionelle Artikel versteckte Werbung. Wieder andere bieten uns Geld an, damit wir die von ihren Kunden geschriebenen Beiträge in GPSP abdrucken. Alles vergebens. Sowas geht bei uns gar nicht!
Gewissermaßen das Sahnehäubchen war aber letzthin die Offerte, dass wir die Pillen eines Anbieters von Nahrungsergänzungsmitteln versuchsweise selber schlucken sollten. Nach der Wohlbefinden-Frage („ich hoffe, es geht Ihnen gut“), kommt die Mail schnell zum Kern des Anliegens: „Obwohl X im Handel vorwiegend noch unbekannt ist, wächst sein Ruf in der medizinischen Welt. Wir sind der Meinung, dass der beste Weg, um den großen Nutzen Xs auf den kommerziellen Markt zu verbreiten, darin besteht, Menschen die Möglichkeit zu bieten, es zu probieren. Daher suchen wir derzeit eine ausgewählte Anzahl von Gesundheitsjournalisten, die X testen möchten, um die Bekanntheit des Produkts und seiner Vorteile zu steigern.“
Sollten die Angeschriebenen noch Zweifel haben, gibt es ein großzügiges Angebot: „Wenn Sie es wünschen, übernehmen wir gerne die Kosten für medizinische Tests, die Ihnen helfen, die Wirkung von X vor, während und nach der Probezeit zu verstehen.“ – Oder soll einem auf diesem Wege noch einmal die Wirkung schmackhaft gemacht werden, wenn man so rein gar nichts nach dem Schlucken gemerkt hat? Denn immerhin soll „X eine Rolle bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten spielen“, von Demenz, über Diabetes bis zum Bluthochdruck. Wow, ein richtiger Tausendsassa.
Und man glaubt es kaum: „Studien haben auch gezeigt, dass X vielversprechend bei der Verringerung der Auswirkungen von Covid-19 sein kann.“ Dafür wird sogar ein Link zu einer Studie geliefert. Dummerweise handelt es sich nur um eine computergesteuerte Suche in einer Wirkstoffdatenbank nach Stoffen, die potenziell an eine bestimmte Struktur des Virus andocken könnte – und dabei wird unter anderem auch X ausgeworfen. Solch eine Suche kann ein allererster Schritt auf dem weiten Weg zu einem Medikament sein. Von „vielversprechend“ ist das noch sehr weit entfernt.
Sorry, lieber Anbieter, wir verraten nicht, was hinter X steckt, auch wenn Sie noch so heftig versuchen, uns anzufüttern.
Stand: 3. Februar 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2022 / S.18