Rabattverträge zwischen Pharmaherstellern und Krankenkassen
Kann das gut gehen?
Durch Festbeträge und den Wegfall von Zuzahlungen für besonders preiswerte Medikamente hat der Staat bislang recht erfolgreich den Kostenanstieg für Arzneimittel begrenzt. Neuerdings kann jede Krankenkasse zusätzlich mit Medikamentenherstellern niedrigere Preise aushandeln. Doch das bringt wenig und hat so manche Schattenseiten.
Haben Sie sich vielleicht auch schon gewundert, warum Sie in der Apotheke plötzlich ein anderes Medikament erhalten, als der Arzt verschrieben hat? Der Grund kann ein so genannter Rabattvertrag sein, den Ihre Krankenkasse mit einem Pharmahersteller abgeschlossen hat und der den Apotheker verpflichtet, das Mittel einer bestimmten Firma abzugeben. Auch wenn dieser Wechsel mitunter irritieren kann, das andere Mittel hat denselben Wirkstoff und hilft genauso gut (siehe Generika, GPSP 5/2006, S.10).
Geheimverträge
Bedenklich ist aber, was hinter den Kulissen läuft: Da handeln Krankenkassen und Arzneimittelhersteller geheime Verträge aus, beispielsweise über Rabatte für einzelne Präparate oder für ganze Firmensortimente. Die Kassen sind mit Auskünften äußerst zurückhaltend. Auf Nachfrage erfährt man höchstens, welche Summe die Kasse eingespart hat oder will, aber nicht, wie viel Rabatt vereinabart wurde. Im Vergleich zu bisherigen Maßnahmen ist die Einsparung allerdings äußerst bescheiden und dürfte auf Dauer nur wenig über ein Prozent an den Gesamtausgaben für Arzneimittel liegen.
Kassen auf Schnäppchenjagd
Rabattverträge beinhalten keineswegs nur Preisnachlässe, sondern auch andere Vergünstigungen von Seiten der Hersteller. Problematisch können beispielsweise die so genannten Mehrwertverträge sein, bei denen Firmen den Krankenkassen anstelle von – oder zusätzlich zu – einem Rabatt gleich noch Schulungen, Raucherentwöhnungskurse oder Ähnliches für die Versicherten anbieten. Wird hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Dass Firmen primär ein Interesse daran haben, ihre Produkte zu verkaufen und keine unabhängigen Informationen verbreiten, dürfte auch den Krankenkassen bekannt sein – und ist ständiges Thema in GPSP!
Einige Firmen bieten so genannte Cost-Sharing-Modelle an. Hersteller versprechen den Krankenkassen, bei teuren Arzneimitteln für die Mehrkosten aufzukommen, wenn die Ausgaben für das Mittel eine bestimmte Summe überschreiten. So großzügig solche Angebote erscheinen mögen, sie rechnen sich vor allem für die Hersteller: Wenn der Vertrag ausläuft, ist das Mittel auf dem Markt etabliert. Ärzte und Patienten wollen oder können dann nicht mehr darauf verzichten: „Anfixen“ nennt man eine solche Strategie bei Drogendealern.
Manche Firmen wollen sich jetzt auch mit so genannten Risk-Sharing-Verträgen an finanziellen Risiken beteiligen. Voraussetzung ist, dass sich die Kassen dann für die Verordnung spezieller und teurer Arzneimittel stark machen, so zum Beispiel die DAK für das Osteoporosemittel Aclasta® (Zoledronat) von Novartis. Versagt das Medikament, kommt es also innerhalb eines Jahres zu einem Knochenbruch, zahlt die Firma die Medikamentenkosten für den betroffenen Patienten an die Kasse zurück. Was den finanziellen Vorteil für die Kassen angeht, scheint dabei das Prinzip Hoffnung zu regieren: „Genaue Zahlen sind zwar nicht vorhersagbar, sparen wollen wir in jedem Fall“, so die DAK.1 Das Gegenteil wird der Fall sein: Da Knochenbrüche relativ selten vorkommen und unter der Behandlung noch seltener, müsste die Firma pro tausend Frauen, die das Medikament erhalten, pro Jahr etwa 16.000 € erstatten. Tausend Frauen mit Aclasta® zu behandeln kostet aber rund 560.000 €. Der gleiche Behandlungserfolg ließe sich mit ebenso wirksamen und besser erprobten Mitteln erzielen. Das würde gut ein Drittel weniger kosten, und zwar ganz ohne „Risk-Sharing“.2
Abmachungen, die nur wenige Arzneimittelhersteller einbeziehen, können letztlich zu monopolartigen Marktstrukturen und damit zu Preiswillkür führen. Am schlimmsten aber ist, dass die geheimen Abmachungen zwischen Pharmaindustrie und Krankenkassen ein hohes Risiko für Korruption bedeuten – vergleichbar beispielsweise mit der Situation in der Bauwirtschaft.
Stand: 1. Februar 2008 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2008 / S.10