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© Francesca Schellhaas/photocase.de

Arzneimittelnamen mit Botschaft

Was Markennamen versprechen und bedeuten

Welches Präparat wirkt wohl besser gegen Kopfschmerzen und welches besser gegen Regelschmerzen? Zur Auswahl stehen Spalt® Kopfschmerzkapseln und Mensoton® Regelschmerztabletten. Wenn wir schon so fragen, ist die Antwort womöglich nicht so eindeutig, wie es scheint. Es gibt nämlich keinen Unterschied! Beide Präparate enthalten denselben Wirkstoff in der gleichen Dosierung: jeweils 200 mg Ibuprofen pro Pille.

Das Beispiel veranschaulicht, dass ein Handelsname mehr ist, als die eindeutige Bezeichnung für das Produkt eines Herstellers, sondern auch Assoziationen wecken und in die Irre führen kann. Dies sah kürzlich auch ein Gericht in Australien so und verdonnerte den multinationalen Gesundheits- und Hygienekonzern Reckitt Benckiser, eine Reihe seiner Ibuprofen-Schmerzmittel aus den Regalen zu nehmen. Bislang verkaufte die Firma ihr Produkt in verschiedenfarbigen Schachteln für unterschiedliche Anwendungsgebiete: etwa Nurofen® Spannungskopfschmerzen, Nurofen® Menstruationsschmerzen, Nurofen® Migräne oder Nurofen® Rückenschmerzen.

Das australische Bundesgericht untersagte diese Aufsplitterung, weil alle vier Präparate das Schmerzmittel Ibuprofen enthalten – in identischer Dosierung. Logischerweise eignet sich keines besser – oder schlechter – zur Behandlung der auf der Packung genannten Schmerzen als die anderen. Das Gericht monierte, dass Verbraucher und Verbraucherinnen fälschlicherweise glauben, die Produkte seien bei den jeweils benannten Schmerzzuständen besonders wirksam.1 Zudem waren sie fast doppelt so teuer wie Nurofen® ohne Namenszusatz.2

Trick: Erinnerungswerbung

Dass auch hierzulande die Namen von rezeptfreien Arzneimitteln durch das Anhängen von konkreten Anwendungsgebieten aufgebläht werden, wird durch unsere Gesetzgebung geradezu gefördert: Das Heilmittelwerbegesetz erlaubt die sogenannte Erinnerungswerbung. Das ist Werbung, die ausschließlich den Namen des beworbenen Präparates nennt, gegebenenfalls ergänzt um den Namen des Anbieters. Sonst nichts. Für Arzneifirmen ist diese Möglichkeit, etwa in Fernsehzeitschriften, an den Handelsnamen zu erinnern (beispielsweise Aspirin®) ein Geschenk: Sie können – ja müssen sogar – auf die lästigen Pflichtangaben verzichten, die auf unerwünschte Wirkungen, Gegenanzeigen u.a. hinweisen. Werbung, die lediglich an den Namen eines Arzneimittels erinnern soll, darf noch nicht einmal das Anwendungsgebiet nennen – es sei denn, und dies ist der Trick, das Anwendungsgebiet ist Bestandteil des Namens.3

Manche Firmen nutzen das weidlich für Marketingzwecke aus. Als pure Werbung erachten wir beispielsweise die Bezeichnung des Ginkgo-Präparates Tebonin® bei Ohrgeräuschen. Dies sei – so der Anbieter Schwabe – das einzige Produkt speziell mit diesem Anwendungsgebiet. Die Firma argumentiert, die Namensgebung erhöhe Einnahmetreue und Behandlungserfolg, da sich der Patient mit seinen konkreten Beschwerden in dem Produkt wiederfinde. Nachweise für diese Hypothese hat Schwabe auf Anfrage nicht geliefert. Ohnehin dürfte ein „Wiederfinden“ wenig nützen, denn Nutzenbelege für den Ginkgo-biloba-Extrakt bei Tinnitus fehlen (GPSP 4/2013, S. 26).

Was sich hinter Dachmarken verbirgt

Bisweilen erfinden Anbieter grotesk anmutende Namensungetüme – etwa Dolormin® für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit Naproxen. Dieser Sieben-Wörter-Name ermöglicht zum einen Erinnerungswerbung in Extremform. Zum anderen ist der Zusatz „mit Naproxen“ eine Art falsche Richtigstellung. Denn das Warenzeichen Dolormin® steht seit Langem für Präparate mit dem Wirkstoff Ibuprofen. Der Name Dolormin® … mit Naproxen führt in die Irre: Es handelt sich nicht etwa um eine Kombination von Ibuprofen und Naproxen, sondern um ein ausschließlich Naproxen-haltiges Präparat.

Die Strategie hinter solchen Klimmzügen ist durchsichtig. Mehrere Arzneimittel sollen von einer zugkräftigen Dachmarke profitieren – bei unserem Beispiel vom bekannten Warenzeichen Dolormin® (s. auch Tabelle). So bietet die Firma Bayer neben dem seit Jahrzehnten bekannten Pilzmittel Canesten® Creme (Wirkstoff = Clotrimazol) auch Canesten® extra Creme an. Das Wörtchen extra macht aus dem Clotrimazol-haltigen Canesten® jedoch ein Bifonazol-haltiges. Dieses enthält also einen anderen Wirkstoff. Und die Firma Almirall vertreibt mit Jacutin® Pedicul Spray ein Insektizid, das das Nervensystem von Läusen schädigt (GPSP 1/2010, S. 3). Das praktisch namensidentische Jacutin® Pedicul Fluid enthält kein Insektizid, sondern das besser verträgliche Silikonöl Dimeticon.

Verwaltungsgericht kontra Bundesbehörden

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) versucht seit einigen Jahren gegen solche Dachmarken, die für unterschiedliche Wirkstoffe verwendet werden, vorzugehen. Es befürchtet Verwechselungsgefahr und sieht die Arzneimittelsicherheit in Gefahr – und damit die Patienten. Die Versuche, solche problematischen Namen zu verhindern, scheitern jedoch bisweilen an den zuständigen Verwaltungsgerichten. Mit deren Hilfe setzen Anbieter allzu oft ihre verkaufsorientierten Namenswünsche gegen den Willen des BfArM durch.

So werden Dachmarken inzwischen juristisch durchgewunken, wenn die darunter subsumierten Wirkstoffe den gleichen Anwendungsbereich haben – wie eben die beiden Schmerzmittel zur Selbstmedikation Ibuprofen und Naproxen. Ab und zu kann das BfArM aber auch Erfolge verbuchen: So wollte die Firma Novartis die Herpescreme Vectavir®, die das Antivirusmittel Penciclovir enthält, in Fenistil® Pencivir gegen Lippenherpes umbenennen. Das ging aber auch den Verwaltungsgerichten zu weit, da Fenistil® seit Jahrzehnten für antiallergische Präparate steht und nicht mit einem Herpesmittel assoziiert wird.4,5 Weder Wirkstoff noch Anwendungsgebiet passten zum werbeträchtigen Dachnamen Fenistil®.

Schmückende Beiwörter bisweilen irreführend

© GPSP
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Trägt ein Handelname den Zusatz „akut“, muss – so das BfArM – das Arzneimittel auch besonders schnell wirken: „Wo akut draufsteht, muss auch schnelle Wirkung drin sein.“6 Beim Omeprazol-haltigen Arzneimittel Omep®, das zur Selbstmedikation bei Sodbrennen dient, musste der Zusatz akut auf Veranlassung der Behörde gestrichen werden. Diese Entscheidung wurde durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt.

Bereits seit Jahrzehnten etablierte irreführende Handelsnamen bleiben leider ungeschoren. Und erst recht gibt es kein Indiz dafür, dass Hersteller von sich aus auf gewinnträchtige, aber irreführende Handelsnamen verzichten. So halten wir die Bezeichnung des gegen Reiseübelkeit angebotenen, müde machenden Antiallergikums Superpep® für doppelt irreführend: Es ist weder „Super“ noch aufpeppend, sondern ein Arzneimittel mit fraglichem Nutzen, das die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen kann.3

Mit einer gemeinsamen Leitlinie versuchen die deutschen Zulassungsbehörden – BfArM und das für die Zulassung von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – festzulegen, was Firmen dürfen, wenn sie ein neues Präparat benennen und was nicht.7 Die Leitlinie ist allerdings nicht verpflichtend und, das zeigen einschlägige Erfahrungen mit Gerichten, oft nicht durchsetzbar.

Wir ziehen generell generische Arzneimittelbezeichnungen vor (Wirkstoff plus Herstellername; siehe Kasten S. 20). Diese würden den Arzneimittelmarkt transparenter und identische Präparate leicht erkennbar machen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2016 / S.19