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Allergie – vom Schnupfen zum Asthma?

Wann man bei Kindern eine Immuntherapie versuchen kann

Dauerschnupfen oder anhaltender Husten sind allergische Reaktionen, die meist mit Medikamenten in den Griff zu kriegen sind. Klappt das nicht, kann bei manchen Allergien eine spezifische Immuntherapie (SIT) Erleichterung bringen. Sie ist bereits bei Kindern im Grundschulalter möglich. Was man darüber weiß, erklärt GPSP.

Wenn ein Kind über Wochen oder gar Monate Schnupfen hat und niest, handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine simple Erkältung. Besonders dann nicht, wenn die Beschwerden saisonal auftreten und wenn das Kind stark und lange hustet. Bringen Arzneimittel wie abschwellende Nasentropfen oder Hustenmedikamente keine Besserung, und findet der Kinderarzt beim Abhören ein Giemen (Pfeifen) über der Lunge, kann er den kleinen Patienten an allergologische Fachärzte überweisen.

Auch wenn das Kind gerade keine Atemnot verspürt, wird der Facharzt die Lungenfunktion prüfen. Zeigen sich Auffälligkeiten wie beim Asthma bronchiale, wird der nächste Schritt in der Regel ein Allergietest sein. Stellt sich hier zum Beispiel eine Pollen- oder Hausstaubmilben-Allergie heraus, kommen verschiedene Medikamente in Frage, unter anderem Cortison als Inhalationsspray oder Nasenspray.

Falls Medikamente nicht reichen

Doch was tun, wenn trotz mehrmonatiger Anwendung eines Sprays die Nase weiterhin verstopft ist und läuft, wenn noch dazu der Husten nicht nachlassen will? Dann kann eine allergenspezifische Immuntherapie (SIT) versucht werden.1 Denn während Medikamente wie Cortison die Symptome unterdrücken, soll die Immuntherapie die Ursache angreifen. Durch sie soll das Immunsystem der Allergiker allmählich unempfindlicher gegen bestimmte Allergene werden.

Um diese Immuntoleranz zu erreichen, spritzt der Arzt oder die Ärztin regelmäßig die als Auslöser vermuteten Allergene unter die Haut (SCIT), oder er gibt sie als Tropfen, Tablette oder Spray unter die Zunge (SLIT).2

Vor- und Nachteile bedenken

Eine spezifische Immuntherapie kann bereits ab dem sechsten Lebensjahr begonnen werden. Welche Methode – Spritzen oder Präparate unter der Zunge – in Frage kommt, muss von Kind zu Kind und in Absprache mit den Eltern entschieden werden. Beides hat Vor- und Nachteile. Bei einem Kind, das sich vor Spritzen fürchtet, kann es mit den Injektionen schwierig sein. Anderseits müssen Eltern jene Mittel, die über die Mundschleimhaut in den Körper gelangen sollen, über einen langen Zeitraum – mehrere Monate – täglich konsequent ihrem Kind geben. Das erfordert eine gute Mitarbeit von Eltern und Kind. Die Spritzen dagegen bekommt das Allergiekind nur alle 1 bis 2 Wochen über einen Zeitraum von etwa 7 Wochen. Danach reichen regelmäßige Injektionen im Abstand von 4 bis 6 Wochen.

Je nach Ausgangsbefund und Art der Anwendung dauert die Spezifische Immuntherapie zwischen gut einem und 3 Jahren. Bei Insektengift-Allergien etwa durch Wespen oder Bienen wird meist über 5 Jahre behandelt.

Bei einer SIT kann es außerdem  zu unerwünschten Wirkungen kommen, und zwar in Form von überschießenden allergischen Reaktionen. Das Risiko besteht vor allem bei der Injektionstherapie. Ganz selten kommt es zum allergischen Schock, im Erwachsenenalter bei 1.000 Injektionen ungefähr einmal,3 für Kleinkinder fehlen zuverlässige Daten. Bei Schock besteht Lebensgefahr, und ein Arzt oder eine Ärztin muss sofort Gegenmaßnahmen ergreifen. Bei der sublingualen Therapie ist dieses Risiko geringer, jedoch kann unter der Zunge ein unangenehmes Gefühl entstehen. Das ist nicht gefährlich und sollte niemanden zu einer Pause verleiten. Sonst ist der Erfolg der Behandlung gefährdet.

Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit allergischem Dauerschnupfen, die gleichzeitig allergisches Bronchialasthma haben, könnten Ärzte und Eltern eine allergen-spezifische Immuntherapie in Erwägung ziehen. Denn ein wiederkehrender Kontakt beispielsweise mit Hausstaubmilben oder Blütenpollen bewirkt oft eine Verschlechterung der Beschwerden. Aus einem allergischen Schnupfen kann so mit der Zeit Asthma bronchiale werden. Früher wurde das als „Etagenwechsel“ bezeichnet. Heute betont man, dass es sich nicht um einen „Wechsel“ handelt, sondern um das Übergreifen von allergischen Reaktionen auf weitere Atemwegs-„Etagen“.

Was sagen die Studien?

Allergien treten bei etwa 16% der Kinder und Asthma bronchiale bei etwa 4 bis 5% auf.4,5 Als Faustregel gilt, dass sich bei etwa jedem vierten Kind mit allergischer Rhinitis noch im Kindesalter die Erkrankung auf die Bronchien ausdehnt.6 Auch wenn bereits ein allergisches Bronchialasthma besteht, kann eine spezifische Immuntherapie helfen, die Asthmabeschwerden zu lindern.
Größere Übersichtsarbeiten der letzten beiden Jahre zeigten einen gewissen Effekt der SIT auf allergische Rhinitis und Asthma bei Kindern. Dabei stellt sich die wissenschaftliche Beweislage für SLIT allerdings schwächer dar als für SCIT. Eine abschließende Bewertung des Nutzens einer allergenspezifischen Immuntherapie ist allerdings schwierig, weil die Qualität der Studien oft mäßig war.7 Am schwächsten belegt ist, dass sich durch eine SIT im Kindesalter das Asthmarisiko im Erwachsenenalter verringern lässt. Bei vielen Kindern verschwinden Allergieprobleme mit der Pubertät glücklicherweise von selbst.

Fazit

Der Nutzen der Spezifischen Immuntherapie ist wissenschaftlich weniger gut belegt als dies vielfach behauptet wird. Zumindest kann sie allergische Beschwerden lindern. Ob sie bei einem Kind Sinn macht, muss der Kinderarzt oder Allergologe entscheiden. Am ehesten könnten solche Kinder profitieren, die unter schweren allergischen Symptomen leiden. Ärzte sollten unbedingt immer auch die seltenen, im Einzelfall aber nicht unerheblichen Risiken berücksichtigen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2015 / S.25