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Wohin mit Arzneimittelresten?

Gefährlicher Müll: z.B. Schmerzpflaster

Was mache ich mit Arzneimitteln, die ich nicht mehr brauche? Wie lässt sich verhindern, dass sie für Mensch und Tier zum Risiko werden? Eine einfache Frage, sollte man denken.

© Thomas Kunz

Diese Meldung hat uns alarmiert: Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnte kürzlich, dass Pflaster mit dem starken Schmerzmittel Fentanyl für Kinder lebensgefährlich sind. In den vergangenen 15 Jahren hat die Behörde 26 versehentliche Vergiftungen bei Kindern erfasst. Zehn Kinder starben.1 Die Schmerzpflaster mit dem Morphinabkömmling Fentanyl, deren viel zu häufige Verordnung wir in GPSP 2/2012 S. 3-5 gerade moniert hatten, waren nicht für Kinder bestimmt, sondern für ihre Eltern oder Großeltern. Offenbar lagen neue oder gebrauchte Pflaster im Haushalt herum. Wenn Kinder sie sich auf die Haut kleben oder auf ihnen herumkauen, kann es zum Atemstillstand kommen.2

Weil auch gebrauchte Schmerzmittelpflaster für Kinder riskant sind, muss man sie – wie Arzneimittel generell – kindersicher verwahren und entsorgen. Kaum jemand weiß, dass sie noch rund die Hälfte des Wirkstoffs enthalten, wenn sie nach drei Tagen ausgewechselt werden. Diese Überbeladung ist erforderlich, damit sie die nötige Fentanylmenge drei Tage lang gleichmäßig abgeben können. Danach muss ein frisches Pflaster her und das alte ist Müll. Allein in Deutschland fallen jedes Jahr rund 25 Millionen gebrauchte Schmerzmittelpflaster an. Wohin damit?

Die FDA empfiehlt, die Pflaster zum Schutz von Kindern über die Toilette zu entsorgen.1 Was in den USA empfohlen wird, ist jedoch hierzulande verboten. Wer gewässerschädigende Substanzen wie Arzneimittel ins Klo wirft, begeht eine Ordnungswidrigkeit.3

Die Ratschläge zur Entsorgung in Beipackzetteln und sonstigen Herstellerinformationen sind meist enttäuschend unkonkret oder einfach ärgerlich: „wegwerfen“, „sicher“ oder „entsprechend den nationalen Anforderungen“ oder „für Kinder unzugänglich“ entsorgen – aber auch „in die Apotheke zurückbringen“.2 Wir haben daher Hersteller und Behörden gefragt, wie Arzneimittelreste korrekt zu entsorgen sind.2

Die Auskünfte der Hersteller bleiben überwiegend unbefriedigend. So antwortete uns beispielsweise der Generikaanbieter ratiopharm gar nicht. Und der größte Arzneimittelkonzern der Welt, Pfizer mit Hauptsitz in den USA, verweist lediglich auf die nationalen Behörden. Die Firma Janssen, die zum US-Konzern Johnson & Johnson gehört, erläutert immerhin die Möglichkeiten der Entsorgung und verlinkt zu den zuständigen Stellen.4

Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt die Schadstoffsammelstellen.5 Gute Idee für den Umweltschutz. Wir bezweifeln aber, dass dies im Sinne des Kinderschutzes sinnvoll ist. Da Medikamentenreste nur von Zeit zu Zeit zur Sammelstelle gebracht werden, bleiben sie in der Wohnung liegen und gefährden Kinder länger. Und wer den Weg zur Sammelstelle überhaupt auf sich nimmt, ist eine offene Frage.

Apotheken sind übrigens nicht verpflichtet, abgelaufene oder gebrauchte Arzneimittel zurückzunehmen! Oft landen sie auch dort im Müll. Das separate Entsorgungssystem, bei dem früher Medikamente als Sondermüll mit hohen Temperaturen verbrannt wurden, ist aus Kostengründen weitgehend zusammengebrochen. Was die Schmerzmittelpflaster angeht, erscheint uns die Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) praktikabel: Die Pflaster sollen – mit den Klebeflächen aneinander geklebt – unter den Hausmüll gemischt und im verknoteten Müllbeutel am besten direkt in die Mülltonne gebracht werden (graue Tonne).6 Allerdings wird nicht aller Hausmüll verbrannt.5 Etwa 20% des Restmülls werden mechanisch-biologisch entsorgt, dürften dann allerdings zumindest keine Gefahr mehr für Kinder bedeuten. Arzneimittelreste richtig zu entsorgen ist also eine echte Herausforderung. Unsere Ratschläge finden Sie im Infokasten.

Ein einziges gebrauchtes Pflaster enthält noch so viel Fentanyl, dass es, zu Tabletten verarbeitet, einige Tage lang für die Schmerztherapie eines Erwachsenen reichen würde.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2012 / S.06