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Umstrittenes Omega-3-Produkt vom Markt

Neue Daten stärken den Zweifel, ob der Wirkstoff  Icosapent-Ethyl wirklich vor Herz­infarkten schützt. Der Eindruck entstand vermutlich nur durch den unfairen Vergleich mit Mineralöl.

Nur ein Jahr war das Produkt auf dem Markt, jetzt hat der Anbieter es in Deutschland zurückgezogen: Die Rede ist von dem verschreibungspflichtigen Arzneimittel Vazkepa® auf der Basis von gereinigtem Fischöl. Der enthaltene Wirkstoff Icosapent-Ethyl wird im Körper in eine Omega-3-Fettsäure (EPA1) umgewandelt.

Fischige Studie für die Zulassung

In der Zulassungsstudie hatte das Präparat die Teilnehmenden deutlich vor Herzinfarkten, Schlaganfällen und Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt. Diese augenscheinlich beeindruckenden Effekte standen allerdings im Widerspruch zu den meisten anderen Studien mit Omega-3-Fettsäuren. Das erschien vielen Fachleuten fischig.

Und dafür gibt es auch einen guten Grund: Üblicherweise werden Produkte mit Omega-3-Fettsäuren oder Fischöl in Untersuchungen mit pflanzlichen Ölen verglichen. Bei diesem Präparat hatten die Teilnehmenden in der Kontrollgruppe jedoch Kapseln mit Paraffin, also einem Mineralöl, erhalten.

Deshalb hatten die Fachleute auch einen bestimmten Verdacht: Möglicherweise schützt das Präparat gar nicht besonders gut, sondern vielleicht hat das Mineralöl die Teilnehmenden in der Kontrollgruppe geschädigt. Dadurch könnte das Fischöl-Präparat nützlicher erscheinen, als es in Wirklichkeit ist.2

Kein zusätzlicher Nutzen

Aus diesem Grund ist das Fischöl-Produkt auch in der frühen Nutzenbewertung durchgefallen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kam zu dem Schluss, dass ein zusätzlicher Nutzen von Icosapent-Ethyl im Vergleich zur Standardtherapie, also hauptsächlich mit Statinen, nicht ausreichend belegt ist.

Neben dem Mineralöl-Problem wies der G-BA auch noch auf einen weiteren Aspekt hin: In der Studie war die besagte Standardtherapie nicht ausreichend optimiert worden. Auch das kann dazu führen, dass der Nutzen des Fischöl-Präparats überschätzt wird.3

Neue Hinweise auf Schaden

Inzwischen gibt es weitere Auswertungen der Zulassungsstudie, die den Verdacht der schädlichen Effekte des Mineralöls untermauern. Dafür hatte das Forschungsteam bei den Teilnehmenden Blutwerte analysiert: verschiedene Entzündungsmarker und andere Werte, die bei einer Arterienverkalkung (Arteriosklerose) häufig erhöht sind.

Diese Marker stiegen im Verlauf der Studie bei den Teilnehmenden in der Mineralöl-Gruppe an, bei der Gruppe mit dem Fischöl nicht. Bei Studien, die Fischöl mit pflanzlichen Ölen verglichen, ließ sich dagegen ein solcher Anstieg nicht feststellen.4

Wenn nur das Geld zählt

Der Entschluss des Anbieters, das Präparat vom Markt zu nehmen, dient übrigens nicht dem Verbraucherschutz, sondern dürfte rein kommerzieller Natur sein: Im Anschluss an die frühe Nutzenbewertung müssen sich Anbieter und die gesetzliche Krankenversicherung auf einen Preis einigen. Die gesetzliche Krankenversicherung sollte für das zweifelhafte Produkt pro Jahr und Behandeltem mehr als 3.000 Euro zahlen. Weil es über einen Erstattungspreis, der dem (fehlenden) Zusatznutzen angemessen war, keine Einigung gab, beschloss der Anbieter, das Präparat nicht weiter in Deutschland zu vertreiben.5

Das dürfte eine Win-Win-Situation sein: für Patient:innen, die vor einem wahrscheinlich nutzlosen Präparat geschützt werden und für die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung, die die Beiträge nicht für Unsinniges verschwenden muss.

  1. EPA = Eicosapentaen-Säure (-Acid)
  2. arznei-telegramm® (2021) 52, S. 67
  3. G-BA (2022) Frühe Nutzenbewertung Icosapent-Ethyl. (Abruf 15.9.2022)
  4. DER ARZNEIMITTELBRIEF (2022) 56, S. 54
  5. arznei-telegramm® (2022) 53, S. 62

Nutzenbewertung: Die Spreu vom Weizen trennen

Fischöl fürs Herz? Mehr Marketing als Wissenschaft

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2022 / S.08