Stammzellforschung und Eizellspende
Unsäglicher Run auf Eizellen
Gegen manche chronischen Erkrankungen helfen Medikamente schlecht oder gar nicht. Wissenschaftler wollen daher krankes Gewebe durch neue Zellen ersetzen und hoffen dabei vor allem auf embryonale Stammzellen, die aus manipulierten Eizellen gewonnen werden. Die Forschung ist ethisch umstritten, denn sie vernichtet entstehendes Leben und verbraucht permanent neue Eizellen. Wie werden Spenderinnen geworben?
International sind Eizellen Mangelware. Denn sie werden sowohl für die künstliche Befruchtung von Frauen verwendet (In-vitro-Fertilisation, IVF), als auch für die Erforschung embryonaler Stammzellen. Diese entwickeln sich aus einer befruchteten Eizelle mit den ersten Zellteilungen.
In Deutschland, aber z.B. auch in der Schweiz und Österreich, dürfen die Keimzellen aus dem Eierstock einer Frau nur genutzt werden, um bei ihr selbst eine künstliche Befruchtung vorzunehmen (homologe IVF). Viele Staaten haben jedoch wenig Vorbehalte gegen Eizellspenden für die künstliche Befruchtung einer anderen Frau (heterologe IVF) und für andere Zwecke1.
Stammzellforscher versuchen seit einiger Zeit embryonale Zellen so zu manipulieren, dass daraus zum Beispiel Nerven- oder Muskelgewebe entsteht, das die kranken Zellen eines Patienten ersetzen soll und möglicherweise nicht so leicht abgestoßen wird. Das Verfahren, bei dem aus einer embryonalen Stammzelle viele identische Zellen entstehen, wird „therapeutisches Klonen“ genannt. Bei diesen Experimenten verbrauchen die Forscher zahlreiche Eizellen und benötigen ständig Nachschub. Ein Teil stammt von künstlichen Befruchtungen, bei denen nicht alle Eizellen verbraucht wurden.
Bisher sind die Stammzellforscher weit davon entfernt, Leiden wie Parkinson, Alzheimer, Querschnittslähmungen und Herzmuskelerkrankungen mit dem Verfahren heilen zu können. Die Gefahr ist zudem hoch, dass die Stammzellen im Körper unkontrollierbar werden und z.B. Krebs entsteht. Dennoch verfolgen weltweit viele Wissenschaftler diesen Forschungsansatz. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz jede Art von Klon-Experimenten – auch „therapeutisches Klonen“, bei dem der entstehende Embryo zerstört wird, um bestimmte Zellen zu gewinnen.2
Gefährliche Spende
In anderen europäischen Staaten will man offenbar Frauen stärker motivieren, überzählige Eizellen an die Wissenschaft abzugeben und sogar direkt für die Forschung zu spenden. Doch Vorsicht: Wegen der notwendigen Hormongaben über zwei Wochen können erhebliche Beschwerden wie Übelkeit und Depressionen auftreten. Die Zellentnahme erfordert Beruhigungsmittel und/oder eine lokale Betäubung. Bei Verletzung der Eileiter droht Unfruchtbarkeit. Die hormonell erzeugte Überstimulierung kann mit Wassereinlagerung und Thrombosen sowie im Extremfall mit Nierenversagen einhergehen.
Was den Umgang mit Keimzellen und Embryonen angeht, folgt jedes EU-Land eigenen Gesetzen.3 Soweit es jedoch die künstliche Befruchtung betrifft, gilt überall die neue Gewebe- und Zellrichtlinie, die für Eizellspenden nur eine Ausgleichszahlung erlaubt und einen Zell- und Gewebehandel unterbinden soll. Trotzdem zahlen spanische Reproduktionskliniken bis 1000 Euro, und in osteuropäischen Staaten verdienen sich Frauen per Eizellspende ein Zubrot.4
Speziell in Großbritannien, dessen Stammzellforschung durch das Klon-Schaf Dolly zweifelhafte Berühmtheit erlangte, hat man sich in den letzten Monaten einiges einfallen lassen, um den Eizellbedarf eines Forscherteams an der Universität Newcastle zu befriedigen: Zuerst wurde von der zuständigen Behörde (HFEA) und der regionalen Ethikkommission dem Antrag stattgegeben, dass Frauen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung überzählige Eizellen an die Forschung abtreten können und dafür belohnt werden dürfen (z.B. Preisnachlass für die Behandlung der eigenen Unfruchtbarkeit). Danach haben dieselben Kontrollorgane dem Forscherteam zugestanden, Frauen mit Barem zu ködern, wenn sie Eizellen direkt zu Forschungszwecken spenden. Die vorgesehenen Zahlungen mit bis zu 250 Pfund (etwa 375 Euro) für „entgangene Einkünfte“ sind nicht hoch, aber es können andere Vergütungen hinzukommen wie Anreisekosten, medizinische Behandlungen usw. Der EU-Gesetzgebung widerspricht das keinesfalls, denn sie regelt zwar den Geldstrom bei der künstlichen Befruchtung (siehe oben), aber nicht die Bezahlung von Eizellspenden zu Forschungszwecken.
Für den Leiter des „Komitee zur Beschaffung von menschlichem Material“ der Internationalen Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR) gehören Eizellspenderinnen im Übrigen „in die Kategorie gesunder freiwilliger Studienteilnehmer und sollten wie diese behandelt werden“.5 Er hält das für „einen vernünftigen Weg, den Aufwand der Frauen anzuerkennen“. Die Gefahren jeglicher Honorierung für Eizellspenden sieht er nicht.
Möglicherweise klingt der unsägliche Run auf Eizellen schon bald wieder ab, denn US-Forscher haben im Fruchtwasser von Schwangeren kürzlich Stammzellen gefunden, mit denen sich offenbar Ersatzgewebe züchten lässt.6
Stand: 1. April 2007 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2007 / S.04