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… und wieder die Aktionäre zuerst

Zweifelhaftes Medikament verschwindet vom Markt

Die Zulassung von Glybera® (Alipogentiparvovec), einem Mittel gegen eine seltene Fettstoffwechselstörung, war von Anfang an zweifelhaft (GPSP 5/2015, S. 11). Nun beschließt die Firma uniQure den Rückzug des Mittels vom Markt – und informiert wieder vor allem die Investoren.

Erst im zweiten Anlauf bekam Alipogentiparvovec 2012 die Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA. Die Datenlage war extrem schlecht. Der Hersteller hatte nur die Senkung eines Labormesswerts (Triglyzeride, ein bestimmter Blutfettwert) in seiner Studie als Erfolgskriterium festgelegt, nicht aber wirkliche Verbesserungen für die Patienten.

In Deutschland bekam Alipogentiparvovec 2015 nur wegen gesetzlicher Vorschriften für Medikamente gegen seltene Krankheiten, so genannte Orphan-Drugs, einen Zusatznutzen bescheinigt. Äußerst schwer fiel es dem Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), auch nur einen minimalen Vorteil zu erkennen.1 Zu allem Überfluss flog während der Beratungen des G-BA über das Medikament auf, dass der zuständige Berichterstatter der EMA empfohlen hatte, die Zulassung für Alipogentiparvovec wegen fehlendem Nutzen zu widerrufen.1 Darüber wurden aber zunächst nur die Aktionäre der börsennotierten Firma informiert. Der Hintergrund: Firmen drohen vor allem in den USA empfindliche Strafen und Schadensersatzforderungen, wenn sie solche Investitionsrisiken verschweigen. Der G-BA hingegen erfuhr erst Tage später von den Problemen.1

Nun wiederholt sich die Geschichte. Am 20.4.2017 teilt die Firma uniQure in einer Pressemitteilung für Investoren mit, dass die Zulassung für Glybera® am 26.10.2017 erlöschen wird und ab dann keine Patienten mehr mit dem Medikament behandelt werden können. Auf den Internetseiten der EMA sucht man einen Hinweis auf das baldige Ende des Medikaments vergebens.

Formal wird die Firma keine Verlängerung der Zulassung beantragen. Aber damit endet die Vermarktungsmöglichkeit für Glybera® automatisch. Angeblich seien wirtschaftliche Gründe für die Firmenentscheidung ausschlaggebend und „keine Befürchtungen zum Risiko-Nutzen-Verhältnis“.2 Wahrscheinlicher ist allerdings, dass uniQure mit einer weiteren Studie, die die EMA bei der Zulassung zwingend gefordert hatte, keine vorteilhaften Ergebnisse erzielt hat. Und ohne diese wäre eine Verlängerung der Zulassung, die nur unter Auflagen und besonderen Umständen erfolgt war, sowieso mehr als unwahrscheinlich.

Dass Glybera® laut Hersteller nur sehr selten verschrieben wurde, mag nicht nur an den Kosten von 1,3 Mio. € pro Patient gelegen haben, sondern auch daran, dass kaum jemand so recht an die Wirksamkeit geglaubt hat. Übrigens: Die US-Behörde FDA hatte 2015 erst einmal weitere Studien verlangt, bevor sie über eine Zulassung entscheiden wollte. Daraufhin zog uniQure den Antrag in den USA zurück.3

Den (potenziellen) Investoren wird die Entscheidung dennoch als Erfolgsgeschichte verkauft: Man spare durch den Rückzug jährlich zwei Millionen US$, die man in andere Projekte stecken könne.2

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2017 / S.17